Mülheim. Mit der Premiere von „Titus“ geht das Theater an der Ruhr ins Klassenzimmer. Helge Salnikau lässt eindrucksvoll in die Seele eines Teen blicken.

Er schreit, er tanzt, er jubelt, er schluchzt bitterlich und vielleicht springt er am Ende auch vom Dach einer Schule – für seine Rolle als Teenager Titus geht Schauspieler Helge Salnikau an darstellerische Grenzen. Schneidet er sprunghaft Szene an Szene zu einem rasanten Kopfkino. Mit der Premiere „Titus“ ging das Junge Theater an der Ruhr an einen besonderen Ort: zur Willy-Brandt-Gesamtschule.

„Eines Tages denkst du dich noch kaputt!“ Und vielleicht ist es für Titus jetzt soweit: Der Vater interessiert sich schon lange nicht sonderlich für seinen Sohn, den er nach seinem Lieblingsschwein benannt hat. Die Mutter ist bei seiner Geburt gestorben, die Oma ist tot, und die Liebe hat ihm gerade einen Korb gegeben. Titus steht am Scheitelpunkt, auf dem Dach seiner Schule. Und seine Gedanken hören nicht auf zu rattern.

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Salnikau steigt tief ein in die Seele eines Teenagers

„Ein Orkan braust durch meinen Schädel.“ Wie fühlt sich das Gedankenlabyrinth eines Teens an? Helge Salnikau, 37 Jahre alt, ist tief in die Seele der Figur Titus eingestiegen. Viel braucht er nicht dafür: Tische, die mal als Dach, als Boot, als Schwimmbecken dienen. Stühle, Spraydose, Plakate, einen goldenen Imperatorhelm. Und einen Gummifisch.

Weitaus beeindruckender ist das Tempo, mit dem Salnikau seinen Körper durch Titus’ atemlosen Monolog transformiert, sich blitzartig vom Teenager zum Psychologen, zum Vater, zu Mitschülern wandelt. Und wenn er Titus scheinbar endlose Sekunden schweigen lässt.

„Das Leben ist viel zu schön, um zu springen“

Zwischen Verzweiflung und Glücksmomenten: Schauspieler Helge Salnikau lässt eindrucksvoll in die Seele eines Teen blicken.
Zwischen Verzweiflung und Glücksmomenten: Schauspieler Helge Salnikau lässt eindrucksvoll in die Seele eines Teen blicken. © Thorsten Simon | Thorsten Simon

Dann tritt die tiefe Emotionalität des Solostücks von Jan Sobrie hervor, mal als Kondensat eines vereinsamten, sprachlosen Jugendlichen, und mal als Kristallisation puren Glücks. Wenn Worte nicht mehr nötig sind. „Wenn jetzt ein Fisch aus der Luft fällt“, sagt Titus, als er von seiner Liebe geküsst wird, „bin ich der glücklichste Junge auf Erden.“

Springt Titus am Ende doch? Im Nachgespräch zeigt sich: Nicht für alle Zuschauer aus dem Jahrgang 10 wird das – nach einer Stunde zwischen Euphorie und Abgrund – deutlich. „Das Leben ist viel zu schön, um zu springen“, erinnert sich Titus zum Schluss an den Satz seiner Oma. Mancher empfindet das auch als Bruch. Und wieder andere erkennen eine positive Botschaft im Seelendrama. denn: „Warten ist gut“, sagt Titus, „manchmal. Aber nicht ein ganzes Leben. Im Meer schwimmen genug Fische, mein Junge.“

Das Klassenzimmer-Stück „Titus“ bietet die Theaterpädagogik am Theater an der Ruhr für Mülheimer Schulen an. Kontakt (Theaterpädagoge Thorsten Simon): 599 01 34, thorsten.simon@theater-an-der-ruhr.