Mülheim. Mit dem Rücktritt von Hendrik Dönnebrink brechen in Mülheim alle Dämme: Die Zukunft der Wirtschaftsförderung ist jetzt höchst ungewiss.
Ohne OB steht die Stadt ja schon länger da, nun hat Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink entnervt das Handtuch geworfen, weil er mit der Kommunalpolitik nach der Gewerbeflächen-Debatte keine Basis mehr sieht für eine weitere Zusammenarbeit. Gar die komplette Wirtschaftsförderungsgesellschaft ist ins Wanken geraten.
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Bei Enthaltung der SPD hatte der Wirtschaftsausschuss am Montag Dönnebrinks Entwurf für ein Wirtschaftsflächenkonzept bis zur Unkenntlichkeit zerfleddert. Nicht nur wird die Politik am Donnerstag im Stadtrat ihr Veto bekräftigen, im Winkhauser Tal, am Fulerumer Feld, am Auberg und auf den Saarn-Selbecker Höhen weiter über mögliche Gewerbeansiedlungen zu sprechen.
Gemeinsamer politischer Antrag setzt Flächenentwicklung ganz engen Rahmen
In einem gemeinschaftlichen Antrag von CDU, Grünen, MBI, FDP und „Wir aus Mülheim“ werden der Flächenpolitik auch weitere Grenzen gesetzt. So mag sich die Politik etwa auch nicht klar für eine gewerbliche Entwicklung rund um den Flughafen positionieren. So bleibt im Kern nur die längst auf den Weg gebrachte gewerbliche Entwicklung auf wenigen Hektar Land an der Oberheidstraße in Dümpten.
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Wirtschaftsförderer Dönnebrink, der nach dem ebenso entnervten Rückzug von Jürgen Schnitzmeier erst 2019 interimsweise die Geschäftsführung von Mülheim & Business übernommen hatte, zog noch am Montag in der Ausschusssitzung seine Konsequenz. Er werde zum 22. September als M&B-Geschäftsführer aufhören. Er akzeptiere die politische Entscheidung zu den Gewerbeflächen, betonte Dönnebrink am Dienstag im Gespräch mit dieser Zeitung.
Dönnebrink beklagt fehlende Dialogbereitschaft der Politik
„Was mich insbesondere aber stört, ist die fehlende Dialogbereitschaft“, sagte er. Im Herbst 2019 hatte Dönnebrink nach politischer Beauftragung ein Wirtschaftsflächenkonzept präsentiert. Seither hätte es ein Großteil der Politik aber nicht einmal für nötig gehalten, zur Sache mit ihm das Gespräch, die Diskussion zu suchen. Ihm als Wirtschaftsförderer sei nur die Rolle geblieben, die Diskussion zwischen Politik und Bürgerinitiativen in den Medien und sozialen Netzwerken zu verfolgen.
Mit Blick auf mehr als 9000 Mülheimer ohne regulären Job am ersten Arbeitsmarkt vermag Dönnebrink auch eine weitere Festlegung nicht nachvollziehen, die die Antragsteller nun vom Rat beschließen lassen wollen. Demnach soll sich Mülheims Wirtschaftsförderung in Zukunft darauf konzentrieren, Wirtschaftsbereiche zu befördern, „die zu den Aktivitäten der HRW sowie der weiteren wissenschaftlichen Institutionen der Stadt passen (...)“.
Wirtschaftsförderer verband sein Konzept auch mit sozialpolitischen Zielen
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In seinem Konzept hatte Dönnebrink betont, dass zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Ort gerade auch Jobs nach Mülheim zu holen wären, die eine Perspektive für Menschen mit längerer Arbeitslosigkeit, geringeren Qualifikationen oder sprachlichen Defiziten böten. Diese Strategie sollte nicht nur Gewerbesteuereinnahmen zum Ergebnis haben, sondern auch Kosten für Sozialtransfers sparen helfen. Dönnebrink blitzte aber ab.
Und fragt sich nun wie die SPD oder der Sprecher der Mülheimer Wirtschaft, Hanns-Peter Windfeder, woher das überschuldete Mülheim das Geld nehmen will für notwendige Investitionen in die Infrastruktur oder Schulen, für gewünschte neue Schwimmbäder und anderes.
Unternehmerverband will nächste M&B-Aufsichtsratssitzung boykottieren
Windfeder zog für die Unternehmerschaft schon am Mittwoch Konsequenzen. Die Wirtschaft werde ihre Aufsichtsratstätigkeit bei „Mülheim & Business“ vorerst aussetzen, weil es keinen Sinn mehr mache, in der Form der vergangenen Jahre zusammenzuarbeiten. Für Anfang Oktober will der Verband eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, auf der die Partnerschaft in Sachen Wirtschaftsförderung mit der Stadt grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden soll. Mit dem bis dahin neu gewählten Stadtoberhaupt will Windfeder das Gespräch suchen – um in Erfahrung zu bringen, ob Wirtschaftsförderung in Zukunft wieder als Chefsache organisiert wird.
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Derweil ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft als Ganzes im Wirtschaftsausschuss infrage gestellt worden. „Was hat die Gesellschaft noch für einen Sinn, wenn keine Flächen entwickelbar sind?“, stellte da SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff in den Raum – um am Tag danach anzukündigen, zeitnah einen Antrag auf den Weg bringen zu wollen mit dem Ziel, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft aufzulösen.
Wirtschaftsförderungsgesellschaft vor der Auflösung?
Die Grünen und die MBI stehen dem Konstrukt schon länger kritisch gegenüber. Auch Kämmerer Mendack zeigte am Montag offen Sympathie dafür, mit einer Rückholaktion der Wirtschaftsförderung ins Referat des künftigen OB Geld einzusparen. Er blickte dabei in die Nachbarstadt Ratingen: Dort koordiniere ein Mitarbeiter des OB-Referates federführend die Wirtschaftsförderung – und Ratingen nehme mehr Gewerbesteuer ein als Mülheim, das sich jährlich einen Zuschuss von einer Million Euro für „Mülheim & Business“ leiste.