Mülheim. Mülheims Wirtschaftsförderungsgesellschaft stand in ihrer Struktur vor Jahren zur Debatte. Doch die Wirtschaft will nicht mehr zahlen.

  • 907.000 Euro Verlust machte Mülheims Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Jahr 2016
  • Die Rufe verhallen nicht, dass die Wirtschaft sich an der Finanzierung beteiligen möge
  • Doch die Rufe bleiben unerhört: So bleibt die Stadt weiter auf allen Kosten sitzen

„Welche Anstrengungen – wenn überhaupt – nehmen die GmbH-Töchter der Stadt auf sich, um die Sparmaßnahmen der Stadtverwaltung zu unterstützen?“ Das fragte Leser Dr. Ludwig Klapp.

Der Beteiligungsbericht weist 907 000 Euro aus, die die städtische Beteiligungsholding 2016 wieder einmal aufbringen musste, um den Verlust der Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Mülheim & Business“ (M&B) auszugleichen. Das ist Teilen der Politik ein Dorn im Auge, doch das Konstrukt öffentlich-privater Partnerschaft wackelt auch in Zeiten der Überschuldung Mülheims nicht.

Zuletzt bohrten die Grünen nach

Zuletzt hatten noch einmal die Grünen nachgebohrt: Warum, so fragen sie sich, bleibt die Stadt auf sämtlichen Verlusten von M&B sitzen, wo sie doch nur 50,1 Prozent an der Gesellschaft hält, den Rest – bei entsprechenden Einflussmöglichkeiten – der Unternehmerverband Mülheimer Wirtschaftsvereinigung?

Ein Rückblick: Es war das Jahr 2000, als die Stadt unter Oberbürgermeister Jens Baganz (CDU) jene öffentlich-private Partnerschaft besiegelte. Die Mülheimer Wirtschaft leistete eine Anschubfinanzierung, die ihr Vertreter Heinz Lison vor Jahren mit 600 000 Euro bezifferte. Seit 2005 trägt allein die Stadt die M&B-Verluste.

Ungleiche Finanzierungsverantwortung schon 2012 ein Thema

Schon in den Jahren 2012 und 2013 führte diese ungleiche Finanzierungsverantwortung für eine Debatte im Rahmen der Haushaltskonsolidierung. Beteiligungschef Dr. Hendrik Dönnebrink brachte damals gar ins Spiel, die Wirtschaftsförderung wieder als Amt zurück in die Verwaltung zu holen – samt Beschränkung auf die Kernaufgaben: die Pflege des Unternehmensbestandes, die Ansiedlungsakquise und die Übernahme der Funktion eines Verwaltungslotsen. Es hieß, so könne man im Aufgabenbereich, der hauptsächlich Personalkosten verursacht, mit weniger als der Hälfte des Personals auskommen und sich die Geschäftsführervergütung von rund 160 000 Euro sparen.

Auch eine Verschmelzung mit der Stadtmarketing- und Tourismus-Gesellschaft (MST) wurde diskutiert, galt aber schon damals, als das Citymanagement noch bei der MST verortet war, aufgrund kaum vorhandener Aufgabenüberschneidungen von M&B und MST als wenig zweckmäßig. Nach heftigem Protest aus der Wirtschaft war eine Rückführung in die Verwaltung schnell vom Tisch. Noch im Januar 2013 hieß es indes, es solle eine Neustrukturierung her, um weniger Zuschüsse an M&B überweisen zu müssen. Es sollten „die zukünftig unabdingbar notwendigen Aufgaben der Wirtschaftsförderung“ definiert werden, hatte die Politik gefordert. Auch sollte die Wirtschaft gedrängt werden, sich an der Übernahme der Verluste zu beteiligen. Lange verschwand die Debatte danach im Verborgenen.

Gespräch im April verlief für die Stadt enttäuschend

Bis SPD, Grüne sowie die Stadtverordneten Birgit Felderhoff (Linke) und Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung) im Dezember 2016 im Stadtrat die Beteiligungsholding aufforderten, Verhandlungen mit dem Unternehmerverband mit dem Ziel aufzunehmen, dass die Wirtschaft den Verlust von M&B fortan zu 50 Prozent trägt. Es bedurfte im Mai eine Anfrage der Grünen, dass Oberbürgermeister Ulrich Scholten in knappen Worten öffentlich verkündete, dass mit Vertretern der Wirtschaft diesbezüglich Mitte April ein Gespräch geführt worden sei. Der Unternehmerverband habe danach in einem Brief und „fünf Zeilen“ seine Ablehnung verdeutlicht. Der Unternehmerverband habe erneut auf seine Anschubfinanzierung verwiesen (die Rede war nun von 750 000 Euro). Überdies werde man sich nur durch Vertreter im Aufsichtsrat und über Geld-, Sach- oder Personalressourcen projektbezogen einbringen.

Die Stadt ist zum „business as usual“ zurückgekehrt. Kämmerer Frank Mendack ließ dies auf Anfrage dieser Zeitung durchblicken, indem er unlängst feststellte, dass die Stadt sowohl das klassische Wirken der Wirtschaftsförderung als erfolgreich betrachte als auch das Projektgeschäft. Mendack verwies darauf, dass M&B 2016 mitgewirkt habe, dass sich Deufol West im Hafen angesiedelt hat oder die Firmen Bless und Turck sich vor Ort erweitert haben.

Verwaltungsspitze zufrieden mit der Arbeit von M&B

Außerdem versuche M&B im Projektgeschäft, neue Chancen für die Stadt und hier ansässige Unternehmen zu entwickeln. Gelungen sei dies zuletzt speziell im EDV- und IT-Bereich, Stichworte: Games Factory und „Ruhr.HUB“. Über allem schwebe das Projekt, bei dem M&B die erfolgreiche Bewerbung um den Fachhochschulstandort koordiniert habe.

Nichts mehr zu hören ist da von der Kritik, die vor Jahren noch selbst aus der Stadtspitze zu vernehmen war. Etwa daran, dass es nicht gerechtfertigt sei, eine deutlich sechsstellige Summe für einen Geschäftsführer auszugeben, der aktuell Verantwortung gerade einmal für zehn, elf Mitarbeiter trägt. Eine Zusammenlegung von M&B und MST ist für die Stadt weiter undenkbar. Die MST bewirtschafte und unterhalte denkmalgeschützte Immobilien und organisiere Veranstaltungen für Bürger. M&B sei Ansprechpartner für die örtliche Wirtschaft.

Die Stadt hält es laut Mendack zwar weiter für „wünschenswert“, dass der Unternehmerverband sich anteilig an der Finanzierung beteiligt, doch das Nein steht. So bleibt es bei fast einer Million Euro, die jährlich zuzuschießen sind.

>> EIN BLICK IN DIE NACHBARSTADT ESSEN

Auch die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft EWG besteht seit dem Jahr 1991 als öffentlich-private Partnerschaft. Gesellschafter sind – mit jeweils 50 Prozent – die Stadt Essen und die Interessengemeinschaft Essener Wirtschaft (IEW), ein Verein mit rund 50 Mitgliedsfirmen und -institutionen.

„Die finanzielle Beteiligung der Essener Wirtschaft schwankt von Jahr zu Jahr“, so EWG-Sprecher Patrick Pauwels auf Nachfrage. Zahlen dazu seien aber vertraulich. Fakt sei, so Pauwels: „Die Stadt Essen trägt die Mehrheit des Budgets.“

Pauwels betont, dass die 50-prozentige Beteiligung der Essener Wirtschaft weniger den Sinn darin habe, sich die Kosten der Wirtschaftsförderung zu teilen. Vielmehr gehe es darum, damit „einen direkten Draht in die Wirtschaft“ zu haben.