Mülheim. Mülheims Grüne dürften mit ihrem Vorstoß, potenzielle Gewerbeflächen aus der Diskussion zu nehmen, Erfolg haben. Um vier Flächen geht es.
In die Debatte um mögliche neue Gewerbeflächen kommt vor der Kommunalwahl doch noch richtig Bewegung rein. Nach Informationen dieser Zeitung steht die politische Mehrheit dafür, vier umstrittene Flächen zur Tabuzone zu erklären.
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Die Grüne Ratsfraktion war schon im Juli vorgeprescht mit einem Antrag, den Wirtschaftsausschuss (31. August) und Stadtrat (3. September) absegnen sollen. So hatten die Grünen gefordert, dass fünf Areale aus dem Wirtschaftsflächenkonzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink herausgenommen werden. Noch einmal Bewegung in die Sache gebracht hatte unlängst der OB-Kandidat der CDU, Marc Buchholz. Auch er hatte sich festgelegt: Eine Flächenentwicklung im Winkhauser Tal, am Fulerumer Feld, am Auberg und auf den Saarn-Selbecker Höhen lehne er ab. Buchholz ließ einen Appell an seine Fraktion nicht missen, ihm tunlichst zu folgen.
Vierer-Koalition aus CDU, Grünen, MBI und FDP steht
Sie wird es tun, bestätigte am Freitag die Fraktionsspitze um Christina Küsters und Heinz Borchardt. Zur schwarz-grünen Koalition in der Sache werden sich mindestens die MBI und die FDP gesellen, damit steht eine Mehrheit im Rat. Die MBI hatten sich ohnehin dementsprechend positioniert. Am Freitag erklärte auf Anfrage auch FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Beitz, dass fraktionsintern vorbesprochen sei, eine Entwicklung auf den vier genannten Flächen nicht weiterverfolgen zu wollen. Gerade in den vergangenen Monaten habe sich gezeigt, „wie wichtig Freiflächen sind, ob zum Spazieren, Radfahren, Joggen oder für Familienausflüge“, hatte die FDP bereits vor Tagen verkündet.
Die FDP kündigt damit zunächst nur Änderungswünsche für die Bewertungsmatrix künftiger Gewerbegebiete an, die die Verwaltung vorgelegt hatte. „Wir wollen die Mülheimerinnen und Mülheimer, die die Flächen nutzen, stärker bei der Bewertung berücksichtigen“, so deren Planungspolitiker Joachim vom Berg. Das könne zum Beispiel über eine Zählung der Nutzer der Naherholungsgebiete gemacht werden.
SPD will sich an Beschlüssen nicht beteiligen
Mit der Positionierung kommt auch eine Koalition jenseits der SPD zustande, deren Parteichef Rodion Bakum sich früh nach dem Durchsickern erster Flächenbewertungen festgelegt hatte, dass die SPD zwar eine Entwicklung in Winkhausen, am Fulerumer Feld und am Auberg ablehne, für ein Gewerbegebiet auf 70 Hektar Fläche in Selbeck aber offen sei. Ziel sei es, mit 128 Hektar neuen Gewerbeflächen am Flughafen, an der Oberheidstraße und eben in Selbeck 5000 Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von zehn Millionen Euro jährlich zu generieren.
Das waren Dönnebrinks Flächen
Nördlich einer weiter bestehenden Start- und Landebahn am Flughafen hatte Dönnebrink ein 14 Hektar großes Gewerbegebiet skizziert, südlich davon ab dem Jahr 2034 eine 38 Hektar große Fläche für Gewerbe und sogar Industrie.
24 plus vier weitere Hektar als Option sollte ein Gewerbegebiet „Fulerumer Feld“ im Süden der ohnehin viel befahrenen Velauer Straße messen. In Erweiterung der Gewerbeflächen an der Solinger Straße in Saarn (Auberg) schlug Dönnebrink eine Ausweitung um zehn Hektar gen Osten vor (rund um den Aubergweg) – für kleinteiliges Gewerbe.
Langfristig zu entwickeln seien 46 Hektar Acker- und Grünflächen nordöstlich der A40 im Winkhauser Tal (begrenzt im Norden von der Aktienstraße und im Süden von der Bahntrasse), hieß es im Konzept. Ebenso langfristig vorgesehen waren 70 Hektar auf den Saarn-Selbecker Höhen im Südosten Selbecks. Begrenzt wurde die Fläche grob von der Straße Heidendoren im Nordosten, von der A52 im Osten sowie vom Hantenweg und der Stooter Straße im Westen.
Fraktionschef Dieter Spliethoff nannte derweil am Freitag einen anderen Grund, warum seine Fraktion den Weg der Vierer-Koalition nicht mitgehen werde. Er verwies auf den Beschluss aus Januar, zunächst einmal das Bewertungsschema festzurren zu wollen, um dann auf gesicherter Basis Entscheidungen zu einzelnen Flächen zu treffen. Der Rat sei nun einmal mehr dabei, dass ein zuvor verabredeter „Prozess eingestampft werden muss“, kritisierte Spliethoff.
MBI: Spannendste Fläche ist das Tengelmann-Areal
Dass Wirtschaftsförderer Dönnebrink zuletzt mit einem Newsletter unter dem Titel „12 Irrtümer rund um das Wirtschaftsflächenkonzept“ seine Sicht darauf untermauert hatte, dass Mülheim zur Gesundung seiner Finanzen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen dringend neue Gewerbeflächen auszuweisen habe, erntete derweil Spott der MBI. Dönnebrinks Konzept aus dem Herbst 2019 sei damit auch nicht mehr zu retten.
„Sinnvoller ist einzig die Aktivierung der vielen Brach- und untergenutzten Gewerbeflächen, von denen es bereits vor Corona viele gab, die von den MBI auch im Januar zur Prüfung aufgelistet und eingereicht wurden“, so Fraktionssprecher Lothar Reinhard. Die spannendste Fläche sei dabei sicher das alte Tengelmann-Gelände. Hierfür ist politisch noch festzulegen, wie viel der Fläche womöglich für Wohnungsbau freigegeben wird.