Mülheim. Im Streit um neue Gewerbeflächen hat die Stadt Mülheim nun präsentiert, wie sie Flächen zu bewerten gedenkt. Nun hat die Politik das Wort.

Ein halbes Jahr nach der denkwürdigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Haus der Wirtschaft haben Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Politik am Dienstag in vertraulicher Runde präsentiert, wie eine vereinheitlichte Bewertung von brachliegenden und potenziell neuen Gewerbeflächen aussehen könnte. Mehr noch: Zeitgleich präsentierten Kämmerer, Wirtschaftsförderer und Baudezernent ihre Pläne zur Organisation einer Stadtentwicklungsgesellschaft.

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Um die Entwicklung neuer Gewerbeflächen war im Herbst 2019 ein heftiger Streit entbrannt. Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink hatte, nicht abgestimmt mit dem Planungsdezernat von Peter Vermeulen, ein Wirtschaftsflächenkonzept präsentiert, das neun Potenzialflächen mit insgesamt rund 200 Hektar Fläche in die Diskussion brachte. Erklärtes Ziel von Dönnebrink: Firmenansiedlungen ermöglichen, die Gewerbesteuer in die leere Stadtkasse spülen.

Vehementer Widerstand formierte sich gegen das Dönnebrink-Papier

Dönnebrinks Vorstoß rief vehementen Widerstand in Teilen der Politik, insbesondere aber bei alten und neu gegründeten Bürgerinitiativen hervor. Denn Dönnebrink hatte allerlei Flächen im Grünen ins Spiel gebracht, so 46 Hektar im Winkhauser Tal, 20 Hektar am Fulerumer Feld, zehn Hektar am Auberg oder 70 Hektar nördlich der A52 in Selbeck. Enormer Widerstand formierte sich, auch Planungsdezernent Peter Vermeulen stellte sich offensiv gegen Dönnebrinks Papier. Im Januar dann erteilte die Politik der Verwaltung den Auftrag, Kriterien zu entwickeln, mit denen alle möglichen Gewerbeflächenpotenziale, auch auf brach liegenden Wirtschaftsflächen, objektiv zu bewerten sein sollen.

Am Dienstag, sechs Monate nach dem politischen Auftrag, präsentierten Wirtschaftsförderer Dönnebrink, Kämmerer Frank Mendack und Planungsdezernent Vermeulen Vertretern der Politik in der Stadthalle endlich ihren abgestimmten Kriterienkatalog, den die Politik möglichst am 31. August als Maßstab für die Flächenbewertung beschließen soll. Eine Präsentation dazu liegt dieser Redaktion vor.

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Auswirkungen auf das Stadtklima am höchsten bewertet

Jeweils 13 Eignungs- und Konfliktkriterien listet jene Bewertungsmatrix auf. In einem zweistufigen Verfahren sollen sie Fläche für Fläche bepunktet werden. Dabei sind die Kriterien von Anfang an unterschiedlich gewichtet. Bei den Konfliktkriterien, die mit Negativpunkten belegt werden, ist laut Vorschlag der Verwaltung die stadtklimatische Bedeutung der Fläche am höchsten vorbewertet. Insgesamt kann eine Fläche mit 750 Minuspunkten belegt werden, 150 Punkte beziehungsweise 20 Prozent davon können auf die stadtklimatische Bedeutung entfallen. Bis zu 60 Minuspunkte kann es darüber hinaus etwa geben, wenn eine Fläche einen Regionalen Grünzug oder ein Landschaftsschutzgebiet tangiert. Eben so hoch bewertet werden auch die Bodenqualität, das Landschaftsbild, Restriktionen aus Wasserrecht und Entwässerung, der Immissionsschutz oder die Verkehrsanbindung.

Mindestens diese Flächen werden bewertet

Folgende neun Flächen aus dem Konzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink sollen bewertet werden: das Areal rund um die Flüchtlingsunterkunft an der Oberheidstraße (3,7 Hektar), 46 Hektar im Winkhauser Tal, zwei Hektar an der Blücherstraße, 20/24 Hektar am Fulerumer Feld, zwei Flächen nördlich und südlich der Flughafen-Landebahn (insgesamt 52 Hektar), zehn Hektar am Auberg (Erweiterung Gewerbefläche an der Solinger Straße), 70 Hektar im Südosten Selbecks.

Dazu ist die Politik aufgefordert, weitere, auch untergenutzte Flächen in die Prüfung zu geben. Fünf solcher Flächen schlägt die Verwaltung selbst zur Prüfung vor: 8,9 Hektar am Bauerfeld in Styrum, 7,8 Hektar Aurelis-Fläche an der Dümptener Straße, 3,3 Hektar Fläche von Aldi Süd an der Burgstraße, 3,1 Hektar ehemalige Jost-Fläche an der Weseler Straße sowie 4,8 Hektar an Kölner Straße/Erzweg, um deren Entwicklung schon lange gerungen wird.

Positive Punkte können Flächen insbesondere sammeln, wenn sie effizient für Gewerbe nutzbar, etwa in verschiedenen Stufen zu entwickeln sind (30 bis 90 Punkte). Hoch bewertet werden sollen auch Flächen, die nicht vorbelastet sind, etwa durch Bergbau oder Altlasten (35 bis 105 Punkte). Maximal möglich sind 660 Pluspunkte in der Bewertungsmatrix. Alle Flächen, die am Ende der Bewertung mit Minuspunkten belegt sind, sollen für eine Entwicklung nicht infrage kommen. Von einer hohen Eignung geht die Verwaltung aus, wenn in der Summe mindestens 111 Pluspunkte zusammenkommen.

Politik soll zudem Grundstücksentwicklungsgesellschaft auf den Weg bringen

Die Vertreter von Verwaltung und Wirtschaftsförderung haben am Dienstag dem Vernehmen nach darauf verzichtet, der Politik für eine der heiß diskutierten Flächen eine Bewertung vorzurechnen. Bei sechs Monaten Bearbeitungszeit ist aber wohl davon auszugehen, dass dies angesichts des Ringens um einen Kompromiss verwaltungsintern schon geschehen sein dürfte. Die Bewertung der Flächen soll nicht mehr vor der Kommunalwahl öffentlich werden.

Der Wirtschaftsausschuss soll am 31. August nicht nur die Bewertungsmatrix absegnen, sondern auch einen Beschluss fassen zur Etablierung einer Grundstücksentwicklungsgesellschaft. Diese soll sich aber nicht, wie ursprünglich die Idee aus der Politik (SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering), ausschließlich auf die Entwicklung der Innenstadt konzentrieren.

Gesellschaft soll ohne zusätzlichen Geschäftsführer auskommen

Dem Vorschlag der Verwaltung folgend soll die Gesellschaft Mülheim-weit und gegebenenfalls mit privaten Partnern Grundstücke erwerben und entwickeln, denen eine wesentliche Bedeutung für die Stadtentwicklung beigemessen wird. Für diesen Zweck soll die Ruhrbania-Gesellschaft umgewandelt und immer nur dann tätig werden, wenn ein Projekt ansteht. Auf eine neue Gesellschaft mit eigener Geschäftsführung will die Stadt bewusst verzichten. Als Geschäftsführer sollen M&B-Chef Dönnebrink und Planungsdezernent Vermeulen fungieren.