Mülheim. Mehr als sonst sind Blinde und Sehbehinderte auf die Hilfe von Sehenden angewiesen. Coronaregeln sind schwer einzuhalten, wenn man nichts sieht.

Bodenmarkierungen und Hinweisschilder helfen beim Einhalten der Corona- und Abstandsregeln. Doch was, wenn man sie nicht sehen kann? Für blinde und sehbehinderte Menschen ist es schwieriger geworden, sich selbstständig im öffentlichen Raum zu bewegen.

Normalerweise kommt Paul Krämer mit seiner Sehbehinderung ganz gut zurecht. Mit seinem Blindenstock kann er Hindernisse ertasten. Auch kürzere Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind in der Regel kein Problem. „Die meisten Blinden gehen momentan aber nur mit Begleitung raus“, weiß Krämer, der ehrenamtlich seit vielen Jahren als Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins (BSV) Mülheim tätig ist. „Im Moment sind Betroffene schon auf sehende Assistenten angewiesen.“

Bodenmarkierungen sind mit dem Blindenstock nicht zu ertasten

Etwa, weil die Bodenmarkierungen zum Einhalten der Abstandsregeln in Supermärkten oder anderen Geschäften mit dem Blindenstock gar nicht zu ertasten seien. Für blinde Menschen sei es zudem kaum zu erkennen, wo die Schlange an der Kasse anfängt, wo sie endet. Auch Hinweisschilder, wann und wo die Maskenpflicht gilt, sind für Blinde und Sehbehinderte keine Orientierungshilfe. Von Hinweisen, wo der nächste Desinfektionsmittelspender zu finden ist, ganz zu schweigen.

„Wenn Betroffene keine Familie oder Freunde haben, die sie jetzt in der Corona-Zeit unterstützen, wird es natürlich schwierig“, weiß der 80-jährige Broicher, der bedauert, dass auch ehrenamtliche sehende Helfer des BSV momentan nicht immer abrufbar sind und zur Verfügung stehen. Krämer, der nahe der Mülheimer Innenstadt wohnt, weiß, dass gerade in Außenbezirken die Situation für Sehbehinderte auch schon ohne Corona nicht optimal ist. So gäbe es außerhalb des Zentrums nur selten Ampeln mit akustischem Signal. Bodenmarkierungen für Blinde an Ampeln und Bushaltestellen sind eher Mangelware.

In öffentlichen Verkehrsmitteln können sich Blinde derzeit schlecht orientieren

Zurzeit sei es für Betroffene schwierig, sich im öffentlichen Raum und in öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Einen freien Platz in Bus und Bahn oder im Restaurant zu finden, der genug Abstand zu anderen (Fahr-)Gästen garantiert, sei für Blinde und Sehbehinderte schwierig. „Natürlich liegt es auch am Selbstbewusstsein der Betroffenen, ob sie aktiv um Hilfe bitten“, sagt Krämer. „Etwa im Bus oder in der Bahn zu fragen, wo ein Platz frei ist.“ Dennoch wäre es natürlich schön, wenn andere Fahrgäste ihre Hilfe anböten, ein kurzer Hinweis, wo ein Platz frei sei, würde schon reichen.

Paul Krämer selbst ist im Moment fast ausschließlich mit seiner Frau unterwegs, die ihm in diesen besonderen Zeiten eine große Hilfe sei. Aber auch, wenn er alleine unterwegs sei, würde er meist nicht von den Mitmenschen enttäuscht. „Es gibt solche und solche, manche bieten sofort Hilfe an, manche eben nicht“, weiß der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur, der früher sehen konnte und erst, als er Ende 50 war, nach und nach erblindete.

Mitmenschen sollten Solidarität mit Blinden und Sehbehinderten zeigen

Eine, die sich in die Situation von Blinden und Sehbehinderten gut einfühlen kann, ist Marion Appenzeller. Die Inhaberin von Rick´s Café im Medienhaus sieht selbst sehr schlecht, war als Kind sogar auf einer Schule für Sehbehinderte. „Dann kann man sich gut in die Menschen hineinfühlen und ist da natürlich auch sensibilisiert“, sagt Appenzeller, die Paul Krämer als Stammgast schon lange kennt. Aber auch Menschen, die sich mit der Problematik nicht auskennen und keine Berührungspunkte mit Blinden haben, könnten in diesen Zeiten Solidarität zeigen, sind sich Krämer und Appenzeller einig.

RAT UND HILFE AM TELEFON

Aufgrund der Corona-Pandemie kann der BSV Mülheim im Moment keine persönliche Beratung für Betroffenen und deren Angehörige anbieten.

Telefonisch können sich Ratsuchende aber weiterhin bei den drei Vorstandsmitgliedern Maria St. Mont unter 473012, Gabriele Dreischärf-Brans unter 41184178 oder bei Gaby Winkelmann unter 474467 melden.

Weitere Informationen auch zum aktuellen Stand in Zeiten von Corona gibt es auf der Internetseite www.bsv-muelheim.de.