Mülheim. Bisher musste kein Geschäft aufgrund der Corona-Einschränkungen schließen. Doch leiden die Händler in Mülheims City massiv unter Umsatzeinbußen.

Beim Bummel über die Mülheimer Leineweber- und Schloßstraße bietet sich ein gespaltenes Bild: Während die Cafés bei schönem Wetter voll sind, herrscht in zahlreichen Geschäften oft Leere. Einige Läden haben gleich ganz geschlossen. Die Corona-Pandemie verändert das Kaufverhalten, den Handel und damit das Bild der Innenstadt nachhaltig.

Kein Fahrradständer ist mehr frei an diesem Donnerstagmittag in der Innenstadt, die Autoparkplätze sind mehr als gut belegt. Voll besetzt auch die Außenbereiche der Cafés, auf der Schloßstraße wimmelt es – Krise? Wer wissen will, wie sich Corona auf die Läden in Mülheims Innenstädten auswirkt, muss in die Geschäfte schauen.

Hinter Plexiglasscheiben warten die Händler auf ein Ende der Pandemie

Hinter Plexiglasscheiben warten dort die Händler auf ein Ende der Pandemie. Und auf Kunden. Denn das augenscheinliche Treiben trügt ebenso wie die noch immer beachtliche Zahl der Leerstände entlang der Einkaufsmeile und in den Seitengassen – die Leerstände rings um das Kugel-Kunstwerk von Ernst Rasche am Kohlenkamp, die leere Fleischerei und das gestrauchelte Chicago an der Leineweberstraße sind keine Covid19-Opfer. Sie hatten bereits vorher Probleme in der gebeutelten Innenstadt.

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„Bislang gibt es keine Ladenschließungen, die auf die Corona-Krise zurückzuführen sind“, sagt Citymanagerin Gesa Delija. Dafür sei es noch zu früh, die meisten Geschäfte zehren wohl noch von der Soforthilfe, die Land und Bund ausgeschüttet haben. „Noch schlagen sich alle tapfer.“

Erst in den kommenden Monaten wird man sehen, ob die Mittel gereicht haben, um die mageren Zeiten zu überwinden. „Jedoch sind die Umsatzeinbußen für die Händler durch den Lockdown gravierend“, weiß die Citymanagerin. Auch Lieferdienste können das nicht auffangen. Mit der Folge, dass die meisten Läden verringerte Öffnungszeiten haben, um laufende Kosten zu sparen.

Existenzgründer: Mit dem Lieferdienst die Notzeiten überbrückt

Land unterstützt Einzelhändler bei Digitalisierung

Die Landesregierung hat zusammen mit dem Handelsverband NRW und den Industrie- und Handelskammern NRW ein neues Programm aufgelegt, mit dem Einzelhändler auf dem Weg in die Digitalisierung unterstützt werden sollen.

Der Projektaufruf richtet sich an Unternehmen des stationären Einzelhandels, die nicht mehr als 49 Beschäftigte haben und auf einen Umsatz von maximal zehn Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von bis zu zehn Millionen Euro kommen.

Gefördert werden kurzfristige Projekte von Kleinunternehmen, die sich erstmalig digital aufstellen oder den Auf- oder Ausbau der digitalen Technologien für ihr Unternehmen voranbringen wollen. Der Höchstbetrag der Förderung liegt bei 12.000 Euro bei einem Fördersatz von bis zu 80 Prozent. Das Projekt muss zudem unmittelbar der Abwehr oder der Abmilderung der Folgen der Corona-Krise dienen.

Projektideen können ab sofort bis zum 30. August eingereicht werden. Weitere Infos unter www.digihandel.nrw

Ohnehin sehen Händler den Rummel und das Kaufverhalten mit kritischem Blick, nicht nur, weil sie sich angesichts der vielen unmaskierten Menschen in der Fußgängerzone um eine zweite Welle sorgen: „In der ersten Woche der Lockerungen haben die Leute gekauft, als gäbe es morgen nichts mehr“, erzählt eine Mitarbeiterin des Schuhhauses Karenfort. Doch so blieb es nicht. Das alteingesessene Geschäft – seit 1901 am Ort – lebt von seinen Stammkunden. Schuhe online zu verkaufen, macht keinen Sinn für ein Geschäft, das auf guten Service setzt, „die Schuhe müssen doch passen“, sagt die Mitarbeiterin.

Ähnlich ist es bei Püngel und Prütt: Der in der Krise kreativ auf die Beine gestellte Lieferservice hat zwar in der Not überbrückt. Inzwischen aber ist er wieder geschrumpft auf wenige, hauptsächlich ältere Stammkunden. Mitinhaberin Jana Weyer sieht hier zumindest keinen dauerhaft gewinnbringenden Geschäftszweig. Was sie dennoch optimistisch stimmt, ist die wachsende Zahl der Neukunden, „die schon immer mal vorbeikommen wollten, aber es vor und während Corona nicht geschafft haben“.

Das Geschäft lebt vom Sehen und Anfassen der Ware

Markus Gees, Mitinhaber im „4330“ an der Wallstraße, wartet hinter der Plexiglasscheibe auf Kunden und das Ende der Corona-Krise.
Markus Gees, Mitinhaber im „4330“ an der Wallstraße, wartet hinter der Plexiglasscheibe auf Kunden und das Ende der Corona-Krise. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Online- und Lieferservice wären auf Dauer auch kontraproduktiv, argumentiert Markus Gees. „Wir wollen ja gerade, dass die Menschen in die Stadt zum Einkaufen kommen“, meint der Mitinhaber von „4330“ an der Wallstraße. Hier hat man ebenfalls sofort mit einem Online-Portal und der lokalpatriotischen Aktion „4330 hilft“ reagiert. Und auf diese Weise sogar etliche Neukunden gewonnen. Dennoch wünscht sich Gees wieder ,Normalität’: „Wir verkaufen ,Luxusartikel’. Unser Geschäft lebt davon, dass man unsere Ware sehen und anfassen kann.“

„Wir haben längst nicht die Kundenfrequenz erreicht, die wir vor der Corona-Krise hatten“, weiß Gesa Delija. Jedoch gebe es Händler, die berichten, dass zwar „weniger Kunden kommen, diese aber ein dickeres Portemonnaie haben“. Je nach Branche sei die Unzufriedenheit unterschiedlich. Einige haben die Zeit der Krise genutzt, um sich digital neu aufzustellen oder überhaupt erst ins Social Media-Geschäft einzusteigen. „Das Stadtcafé Sander war beispielsweise sehr aktiv auf Facebook und konnte erfolgreich neue Kunden dazugewinnen.“

Aktuell hohe Nachfrage nach Ladenflächen

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Dennoch möchte die Citymanagerin zuversichtlich in die Zukunft der Innenstadt blicken. „Im Moment verzeichnen wir eine hohe Nachfrage nach Erdgeschoss-Flächen.“ Darunter Anfragen aus der Gastronomie, dem Einzelhandel- und Dienstleistungssektor. Womit das zusammenhängt? „Vielleicht hatten die Leute während der Pandemie viel Zeit zum Nachdenken über neue Geschäftsideen“, spekuliert Delija. Womöglich sind auch aktuell die Verhandlungsspielräume über Mietpreise mit Eigentümern größer.

Nun komme es auf das Verhalten der Kunden an. „In der Krise haben viele ihre Verbundenheit zum lokalen Handel gezeigt und die Online-Angebote genutzt, um vor Ort zu bestellen.“ Es bleibt die Hoffnung, dass sie dies auch nach überstandener Krise tun - und die Frequenzen wieder steigen. „Eine Nervenprobe für die Geschäftsleute“, weiß Delija.

Die Saarner Einkaufsmeile punktet nicht mit Masse

Auch im idyllischen Dorf Saarn kennt man die Corona-Krise und zurückhaltende Käufer. Selbst wenn Margit Schettler, Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft Saarn, zwei Dinge festgestellt hat: Manche Kunden gönnen sich gerade jetzt etwas und geben mehr für sich aus, beim Friseur etwa. „Und es gibt hier Geschäfte, die können davon leben, dass sie täglich nur von zwei Kunden besucht werden.“

Die Düsseldorfer Straße im Ortsteil Saarn ist sonst gut besucht. In der Corona-Krise halten sich jedoch auch hier die Kunden zurück.
Die Düsseldorfer Straße im Ortsteil Saarn ist sonst gut besucht. In der Corona-Krise halten sich jedoch auch hier die Kunden zurück. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Saarner Einkaufsmeile punkte eben nicht mit Masse, meint Schettler. Was aber sind hier die Strategien der Händler und Werbegemeinschaft? Natürlich auch mehr Menschen wieder ins Dorf zu locken, antwortet die Chefin der WG. Wegen der Corona-Beschränkungen kann diese aber aktuell nur überschaubare Aktionen fahren. Welche das sind, ist in der Werbegemeinschaft noch in der Planung.

Viele Händler haben jedoch schnell mit Lieferservice und Online-Plattformen reagiert. Für Schettler ist klar: Das wird auch nach der Pandemie Teil der hiesigen Geschäfte bleiben. „Corona hat vielen Läden einen Schwung nach vorne gegeben, über die Kombination von Digitalisierung und Einzelhandel nachdenken zu müssen. Jetzt wissen wir, wie es geht – und sind dann auch für künftige Krisen gut aufgestellt

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