Mülheim. Zwei Betriebswirtschaftler wollen einen Rettungsschirm für Saarner Geschäftsinhaber spannen. Die Lage ist ernst, Vermieter zeigen kaum Einsicht.

Es ist ein ungewohntes Bild im ansonsten brummenden Dorf Saarn: Wer derzeit bei schönstem Wetter über die Düsseldorfer Straße schlendert, begegnet nur wenigen Bummlern und vielen geschlossenen Läden. Hier, wo statt Ketten noch der inhabergeführte Einzelhandel regiert, hat der Coronavirus besonders hart zugeschlagen. Zwei Saarner wollen deshalb einen Rettungsschirm für das Dorf spannen: mit Crowdfunding.

Die Betriebswirtschaftler Adriana Toso und Marcel Köchling haben diese Art „Schwarmfinanzierung“ angestoßen. „Aus Solidarität und Liebe zum Dorf“, gesteht Köchling, „ich kaufe selbst sehr gerne hier ein. Es wäre eine Schande, wenn diese besondere Struktur aus inhabergeführten Geschäften zerstört würde“.

Staatliche Hilfe reicht kaum aus


Die staatliche Hilfe reicht aus ihrer Sicht für die Kleinunternehmer kaum aus: 9000 Euro für drei Monate seien schnell aufgebraucht, wenn man damit nicht nur die Ladenmiete und laufende Kosten zahlen, sondern seine Familie ernähren muss, rechnet die BWLerin Toso vor – zumal die Hilfe versteuert werden muss: „Die Corona-Krise stellt eine wirtschaftliche Zäsur für den Einzelhandel dar. Der Standort Saarn steht vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe.“ Viele Händler im Dorf haben deshalb schon mit Online-Angeboten und eigenem Lieferservice reagiert.

Doch ist das genug? 100.000 Euro wollen Toso und Köchling über die Internet-Plattform www.gofundme.com sammeln, zu deutsch etwa „Komm, unterstütze mich“. Um damit Geschäfte zu stützen, die die Corona-Krise sonst nicht überleben würden. Mit den Spenden werde keiner reich, versichert Köchling, sie sollen nur helfen, die Zeit zu überbrücken. Damit die Spendensammlung und -verteilung von neutraler Stelle überwacht wird, engagierten sie den Mülheimer Notar Sebastian Hahn von der Kanzlei Wessel und Partner. An ihn richten sich bedürftige Händler. Und Hahn wahrt ihre Anonymität.

Ein großes Problem: Vermieter pochen auf ihre Einnahmen


Wie ernst die Lage in der bislang heilen Saarner Geschäftswelt durch Corona geworden ist, macht Margit Schettler, Geschäftsführerin der Saarner Werbegemeinschaft, deutlich: Geschäfte stünden hier auf der Kippe, „manche werden vielleicht nicht wieder öffnen“.

Nicht zuletzt deshalb sei die Situation so drastisch, weil zu wenige Vermieter ein Einsehen hätten und ungeachtet der Krise auf ihre Mieten pochten. Aus Sicht der Werbegemeinschaft sei die mit bis zu 30 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter ohnehin schon sehr hoch. „Die müssen sie erst einmal einnehmen“, ist Schettler entsetzt über fehlende Solidarität. „Wir wollen keine Verhältnisse wie an der Essener Rü, wo einige Läden auf der Kippe stehen, sondern die Vermieter ins Boot holen.“

Händler sind untereinander solidarisch

Dass es auch solidarisch geht, zeigen positive Beispiele: Die Pächter im Brauhaus sollen – so Schettler – die Mai-Miete erlassen bekommen, der Juwelier will seinen Mitarbeitern in Kurzarbeit die Differenz zum Gehalt erstatten. Hier rückt man in der Krise zusammen.

Positiv überrascht sind die Crowdfunding-Initiatoren Toso und Köchling hingegen von der Solidarität unter den Geschäften: „Apotheken, Bäcker, Zeitschriftenhändler haben schon gespendet – wer öffnen kann, hilft anderen Läden direkt oder stellt Spardosen mit unserem Spendenflyer auf“, erzählt Marcel Köchling.

Was kann die Aktion bewirken? Rund 25.000 Menschen leben in Saarn, wenn jeder vier oder mehr Euro spendete, sei das Ziel bald erreicht – so die graue Theorie. Doch etwas einfacher haben sich die BWLer es schon vorgestellt: Nach zwölf Tagen haben sie zwar gut 3500 Euro beisammen, aber sind noch viele Meilen vom Ziel entfernt. Und der Stichtag, 30. April, ist nicht mehr weit.