Mülheim. Der Gründer des Theaters an der Ruhr in Mülheim erzählt im Interview, wie es zu dem Buch „Der fremde Blick“ kam und was die Leser erwartet.

Erzählen könnte man über Roberto Ciulli und sein Theater an der Ruhr tagelang. Ein Kondensat aller Geschehnisse und Geschichten ist jetzt in Buchform erschienen. „Der fremde Blick – Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr“ ist eine Biografie und zugleich ein Nachschlagewerk – oder auch ein Lesebuch.

Bücher über Sie gibt es schon einige…

Ciulli: Ja, dies hier ist aber nun das Werk über das Theater an der Ruhr und über mich und meine Arbeit. Es umfasst zwei Bände, der erste beschreibt meinen Werdegang. Der zweite ist eine umfangreiche Sammlung von Texten, Gesprächen und Bildern, die 39 Jahre Theater an der Ruhr dokumentiert.

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Wie kam es zu dem Buchprojekt?

Alexander Wewerka, der Leiter des Alexander Verlages, besuchte meine Veranstaltung „Reise ins Theater“ und war fasziniert von der Geschichte des Theaters an der Ruhr. Er wurde zum Herausgeber des Buches – zusammen mit Jonas Tinius, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage der Humboldt-Universität in Berlin ist.

Dokumentarisches Material stammt aus privatem Archiv von Roberto Ciuili

Wie ist das Buch entstanden? Sie haben dafür erstmals ihr privates Archiv geöffnet.

Wir haben über drei Jahre lang zusammen an dem Buch gearbeitet – auch Simone Thoma hat mich sehr unterstützt. Das dokumentarische Material stammt aus meinem privaten Archiv – meine Mutter war eine große Sammlerin und hat viele Dinge aufgehoben. Andere Dokumente sind aus dem Archiv des Theaters sowie aus dem Archiv der Theaterwissenschaftlichen Sammlung Schloß Wahn. Dazu kommt ein Bildessay von Knut Maron, der seit vielen Jahren meine Inszenierungen fotografiert.

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Das Buch heißt „Der fremde Blick“. Warum?

Ich bin Immigrant. Dieses Fremdsein habe ich aber immer als Qualität betrachtet, mit der sich kreativ arbeiten ließ. Ich bezeichne mich noch heute als Fremder.

Sie haben ein Reisetheater geschaffen, das immer wieder vor anderem Publikum spielte ...

Ja, wir haben angefangen als reisendes Theater, zuerst in Deutschland, hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen, später im Ausland. Wir sind bisher in 42 Ländern aufgetreten – oft in solchen, in denen nie zuvor ein deutsches Theater war. In der Fremde haben wir oft mehr Zuspruch erfahren als in manchen Städten Deutschlands.

Tatsächlich?

Zu Beginn wurden wir in Deutschland nicht verstanden. Wir waren vielleicht unserer Zeit voraus. Aus dem Gefühl, fremd im eigenen Land zu sein, haben wir begonnen in andere Länder zu reisen.

Höhepunkte im Theaterleben: „Wie Aufführungen den Nerv der Zeit getroffen haben“

Das Buch beschreibt ihr Leben – von der Kindheit bis heute ...

Ja. Übrigens nannte ich mein erstes Theater, das ich in Mailand gründete, „Il Globo“. Das deutete vielleicht schon auf etwas hin.

Was waren die Höhepunkt Ihrer Theaterkarriere?

Die Höhepunkte in meinem Theaterleben sind Momente, in denen ich erleben durfte, wie unsere Aufführungen den Nerv der Zeit getroffen haben. Ein Beispiel: die Aufführung „Tote ohne Begräbnis“ in Santiago de Chile in einer Zeit, als die chilenische Gesellschaft dabei war, das Thema Folter des Pinochet-Regimes zu verarbeiten.

Zum Buch

„Der fremde Blick. Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr“ besteht aus zwei Bänden, der Biografie und der Sammlung von Aufsätzen, Kritiken, Essays, Fotografien und einem Foto-Essay von Knut Maron über das Theater, seine Gründer, seine Schauspieler, seine Arbeit. Das Buch ist im Alexander Verlag Berlin erschienen in einer Auflage von 1500 Exemplaren und kostet 35 Euro.

Am Ende des zweiten Bandes findet man eine Auflistung aller Ensemblemitglieder seit 1980 sowie aller Inszenierungen und Auszeichnungen von Roberto Ciulli. Die Preisträger des Gordana-Kosanovic-Preises sind aufgeführt. Es gibt zudem ein Verzeichnis aller Autoren, deren Beiträge im Buch zu finden sind, und schließlich ein Personenverzeichnis aller im Buch erwähnten Menschen.

Gab es auch Tiefpunkte?

Der frühe Tod von Gordana Kosanovic. Er hat eine Leere hinterlassen bei mir und im Theater. Sie war die treibende Kraft am Theater an der Ruhr von der Gründung bis zum Jahr 1986.

Das Buch basiert auf dem Erinnern ...

Die Arbeit am Buch, das Erinnern, hat mir ermöglicht, ein zweites Mal die vergangene Zeit zu erleben. Das war ein großes Geschenk.