Mülheim. Urlaub in der Heimat ist nicht nur in Corona-Zeiten ein Trend. Vier Reiseführer haben Mülheim für sich entdeckt. Was die Stadt sehenswert macht.
„Woanders ist auch Scheiße?“ Nicht für Melanie Brozeit. Die Journalistin hat sogar wahre Glücksorte im Revier und in Mülheim entdeckt. In der eigenen Heimat Urlaub zu machen, ist nicht nur in Corona-Zeiten ein Trend. Wir verraten, was die sympathische Stadt an der Ruhr in verschiedenen aktuellen Reiseführern ausmacht.
Urlaub in Mülheim: Neun „blaue Glücksorte“
Ist das Glück ausgerechnet zwischen Castrop-Rauxel und Duisburg-Friemersheim zu finden? Ja – wenn man sich auf Brozeits Spurensuche begibt. Die ist eigentlich Kölnerin, doch Mülheim – wohlgemerkt an der Ruhr, nicht der Kölner Stadtbezirk am Rhein – ist in ihrem rund 170-Seiten starken Buch gleich mit neun „blauen Glücksorten“ vertreten. Warum blau? Weil es hier stets ums Wasser geht.
Glück ist es zum Beispiel mit der „schwimmenden Schnecke“, einem Hausboot, über die Ruhr zu gleiten, wie es die „grüne Flotte“ anbietet. „Jetzt noch auf den rosa Himmel warten und einen Knoten ins Taschentuch machen“, schwärmt Brozeit. Das Glück findet sie auch im Bauwagen. Der steht in Mintard an der Ruhr und kann gemietet werden – inklusive Kanu für Ausflüge über Wasser.
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80 solcher Glücksorte hat Brozeit im gesamten Ruhrgebiet aufgetan, nicht alle Mülheimer Fleckchen sind für die Mölmschen allerdings überraschend: der Wasserbahnhof ist dabei, das Eiscafé Plati, Thyssenteich und natürlich die Weiße Flotte. Es bleiben aber genug Anreize, um mal den Blick zu den Nachbarn zu riskieren.
Verbindung von Naturerlebnis, Stadt und Industriegeschichte
Die „schönsten Ausflugsziele im und rund um das Ruhrgebiet“ haben Sylvia Lukassen und Rolf Kiesendahl ausgemacht. Auch hier sind erfahrene Revier-erfahrene Journalisten am Werk. Ihr Tipp für die Stadt am Fluss verbindet Naturerlebnis mit Stadt und Industriegeschichte – von Ruhrbania bis zur Schleuseninsel und dem Wasserbahnhof führt ihr Weg. Bei ihrer Tour geht’s auch vorbei am Haus Ruhrnatur und der geschichtsträchtigen, neobarocken Villa von Joseph Thyssen.
28 Ziele im Ruhrgebiet plus etliche Ausflugsziele an den Niederrhein, Westfalen, Bergische Land und auch in die Niederlande beschreiben Lukassen und Kiesendahl auf 208 Seiten in gebotener Knappheit und mit den wichtigsten Informationen. So kompakt gesammelt findet man es selten, wenn auch kaum „Geheimtipps“ dabei sind.
Kompakter Einstieg in die Industriekultur
Etwas ausführlicher widmet sich Kiesendahl den Industriedenkmälern im Ruhrgebiet in „Zeitzeugen aus Stein, Stahl und Kohle“. Die Reise geht natürlich durch Duisburg, Oberhausen und Essen bis nach Hamm. Doch auch Mülheim hat dazu beigetragen. Kiesendahl beschreibt in würziger Kürze die Geschichte des Ringlokschuppens, der zum 1874 gegründeten Reichsbahnausbesserungswerks Mülheim-Speldorf gehörte und heute Kulturort ist.
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Auch des zugehörigen Wasserturms, der nun eine Camera Obscura beherbergt sowie des Styrumer Wasserturms, das heutige Aquarius Museum. Die gut 160 Seiten eignen sich als kompakter Einstieg in die Industriekultur, die bis heute optisch wie auch sozial zahlreiche Städte im Ruhrgebiet prägt.
Wanderführer Ruhrgebiet: Zwei Touren durch Mülheim
Fast ein bisschen Kontrastprogramm ist dagegen der Wanderführer Ruhrgebiet der Journalistin Nikola Hollmann. Von Hagen aus geht es auf Schusters Rappen zu 15 verschiedenen Etappen etwa nach Bochum, Essen und natürlich nach Mülheim, zu den Bachtälern und in den Speldorfer Wald.
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Beide Mülheimer Wandertouren sind kurz beschrieben und dank einer Übersicht nachvollziehbar. Mit rund zehn sowie 13 Kilometern kann man sie leicht in zwei bis drei Stunden zu bewältigen. Die längere startet nahe des Rumbachtals vom Parkplatz hinter dem Naturfreundehaus (Böllrodt 3). Nach Norden und am Rumbach vorbei geht’s in einem Bogen durch die Natur zum Forstbachtal bis hinunter zum Leinpfad.
„Waldbaden“ in Mülheim: Durch das Grün schwimmen bis nach Duisburg
Nach einiger Zeit entlang der Ruhr, führt der Weg wieder zurück über das Rossenbecktal und am Flughafen entlang. Einige Highlights beschreibt Hollmann auf dem Weg: die Steilhänge am Rumbach bieten Plätze, um Vögel zu beobachten, im Rossenbecktal steht ein besonders prächtige Esche.
Apropos: „Waldbaden“ nennt Hollmann ihre zweite Tour durch den Speldorfer Wald. Vom Ganghofer Weg „schwimmt“ man durchs Grün bis an die Grenze nach Duisburg. Dabei erinnert die Autorin unterwegs an die Anfang des 20. Jahrhunderts gegründete „Broich-Speldorfer Gartenstadt AG“, die verhindern sollte, dass die reichen Industriellen aus Mülheim aufs Land abwandern, und im Wald entsprechende Domizile ermöglichten. Hier gibt es sogar eine Fläche, die früher als Flugplatz diente. Heute ist sie immer noch frei, weil sich wohl seltene Pflanz- und Tierarten eingefunden haben.