Mülheim. Corona bedroht die Existenz vieler Betriebe. Besonders hart betroffen: Mülheimer Kneipen. Sie mussten schon vor der Krise Einbußen verkraften.

Die öffentliche Debatte um das Coronavirus dreht sich immer weniger um Infektionszahlen. Vielmehr wird über Lockerungen der Auflagen für Einzelhändler, Gastronomie und Freizeitsport diskutiert. Nichtsdestotrotz leiden weiterhin viele Menschen an den Folgen der Pandemie. Insbesondere die Kneipenszene in Mülheim ist stark betroffen. Eine Branche, die bereits vor Corona mit sinkenden Einnahmen zu kämpfen hatte.

Kneipen: ein aussterbendes Stück Kulturgut?

„Die Lage war nicht ernst, aber auch nicht rosig“, so beschreibt Christian Eisel, Inhaber der Rathsstuben, die Situation seiner Kneipe vor dem Virus. Ähnliche Erfahrungen hat Sladjana Petrovic, Wirtin der Kneipe „Zum Depot“ in Broich, gemacht. Hauptsächlich Kunden ab 45 Jahren besuchen ihr Lokal. „Es ist ein harter Kampf um junges Publikum. Man muss sie reinlocken“, erklärt sie.

Dennoch will Petrovic weiter neue Gäste anwerben. „Kneipen sind ein Stück Kulturgut, was langsam ausstirbt, und ich möchte dieses Kulturgut weiterführen.“ Gerade in der jetzigen Zeit keine leichte Aufgabe. Finanzielle Hilfe sei zwar geflossen. Allerdings habe die gerade mal ausgereicht, um die laufenden Kosten der Monate April und Mai zu decken. Ein zeitlicher Aufschub der Miete war nicht möglich.

Mülheimer Kneipen mit verschiedenen Strategien in der Corona-Krise

Zwar hat Sladjana Petrovic seit der Genehmigung für Gastronomiebetriebe am 9. Mai – unter strengen Auflagen – wieder geöffnet. Trotzdem verzeichnet „Zum Depot“ bis heute lediglich 25 Prozent der regulären Einnahmen. Obwohl das Hygienekonzept bei manchen Gästen auf Ablehnung stößt, hält die Wirtin an der Öffnung fest. Und trotz gestiegener Bierpreise der Brauereien, gibt sie die Erhöhung nicht an ihre Kunden weiter. „Die Leute sollen kommen. Es ist anders als sonst, aber trotzdem gemütlich“, meint Petrovic. „Es ist wie eine Familie – etwas Soziales.“

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Anders sieht es in den Rathsstuben aus. Die Kneipe ist seit Mitte März geschlossen. Die Zwischenzeit hat das Team um Inhaber Christian Eisel und Barchef Sean McCartan für eigenständige Renovierungsarbeiten genutzt. „Die Kosten bei einer Öffnung hätten wir nicht wieder reinholen können“, erklärt Eisel.

Folgen sind finanziell katastrophal

Eigentlich sollte das Lokal – in Vorbereitung auf einen erneut heißen Sommer – mit einer neuen Bierkühlanlage ausgestatten werden. Das gesparte Geld hält die Kneipe nun in der Corona-Krise über Wasser. Wohl auch dadurch sind die Rathsstuben „eine der reinen Kneipen, die mit der Krise relativ gut klargekommen sind“, erklärt der Inhaber. Hier von Glück im Unglück zu sprechen, ist dennoch nicht angebracht, denn die Folgen seien „finanziell katastrophal“, so Eisel.

Sean McCartan (li.) und Christian Eisel von den Rathsstuben haben die Zwangspause mit besonderen Corona-Aktionen überbrückt. Am 11. Juni soll die Kneipe wieder öffnen.
Sean McCartan (li.) und Christian Eisel von den Rathsstuben haben die Zwangspause mit besonderen Corona-Aktionen überbrückt. Am 11. Juni soll die Kneipe wieder öffnen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Trotz geschlossener Kneipe bieten die Rathsstuben mehrere Aktionen für ihre Kundschaft an. Zum Beispiel gibt es regelmäßige Live-Auftritte, die man über die Facebook-Seite verfolgen kann. Zusätzlich gibt es ein „Corona Survival Kit“. Darin enthalten: ein Kasten Bier, Flaschenöffner und Untersetzer – natürlich alles im Rathsstuben-Design. Unter allen Teilnehmern wird anschließend ein „Survived Corona“-T-Shirt verlost.

Rathsstuben wollen an Fronleichnam wieder öffnen

„Hintergrund der Verlosung war, dass Gäste gefragt haben, wie sie uns helfen können“, erklärt Christian Eisel. „Die Leute vermissen unseren Laden, und wir vermissen sie“, fasst Barchef Sean McCartan die aktuelle Lage zusammen. Dieser Zustand soll ab Donnerstag, 11. Juni, ein Ende haben. Am Fronleichnamstag wollen die Rathsstuben wieder öffnen.

Wie sich die Nachfrage dann entwickelt, weiß das Team natürlich nicht. Ein großes Problem: Im Sommer weichen die Gäste eher auf offene Biergärten aus. „Wir sind gespannt, wie die Lage wird. Nach Corona hätten wir uns eher einen schönen knackigen Winter gewünscht“, gibt Sean McCartan mit einem Lachen zu.

Wirtin bleibt trotz allem optimistisch

Diese Regeln gelten beim Ausgehen

An einem Tisch dürfen maximal 10 Leute aus mehr als zwei Haushalten zusammenkommen.

Zu anderen Tischen und Personen muss der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden.

Eine Mundschutzpflicht gilt nur dann, wenn man sich im geschlossenen Raum der Kneipe aufhält und nicht am eigenen Tisch sitzt.

Auch für Kneipenwirtin Sladjana Pertrovic bleibt die Lage ungewiss. Trotz der Öffnung Anfang Mai „kommen nicht so viele Gäste, wie wir empfangen könnten“, gibt sie zu. Ihre gesamte Belegschaft musste sie beurlauben. Seitdem arbeitet sie 14 bis 16 Stunden täglich, um ihre Kneipe am Laufen zu halten. Weiterhin in der Ungewissheit, ob sie die Krise überstehen wird. Ihre Leidenschaft hat Sladjana Petrovic trotzdem nicht verloren: „Es macht nach wie vor Spaß. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, schaffen wir es.“