Mülheim. Jede Mülheimer Schule wurschtelt sich auf ihre Weise durch die Corona-Krise. Es klappt mehr oder weniger. Die Stadt will helfen, wo sie kann.

Seit Ende Mai gibt es an allen Schulformen in Mülheim wieder Präsenzunterricht. Als erste sind im April die Abiturienten zurückgekehrt, zuletzt die Mädchen und Jungen der Rembergschule, die besonders auf Hilfe angewiesen sind. Alle müssen die wenigen Wochen bis zu den Sommerferien irgendwie bewältigen und sich danach auf ein neues Schuljahr unter erschwerten Bedingungen einstellen. Aber wie?

Wie sie die Zeit von Freitag, dem 13. März, bis jetzt gemeistert haben, die abrupte Schließung, die wochenlange Zwangspause und schrittweise Wiedereröffnung, dazu gibt es jetzt aufschlussreiche Berichte, mit denen sich kürzlich der Bildungsausschuss beschäftigt hat. Ein Schulleiter oder eine Schulleiterin jeder Schulform hat die Erfahrungen stellvertretend für die anderen zu Papier gebracht.

Lehrer geben schlechte Noten für digitales Lernen zu Hause

Das Lernen auf Distanz war für alle schwierig – für einige besonders. Beispiel: Die Leitungen der 22 Mülheimer Grundschulen sollten Schulnoten vergeben für die Möglichkeiten digitalen Lernens in den Elternhäusern. Mehr als ein Drittel erteilten Fünfen oder Sechsen. Die Leitung der einzigen Mülheimer Hauptschule am Hexbachtal musste feststellen, dass einige Familien lange überhaupt nicht erreichbar waren, etwa wegen falscher Handynummern. Meist wurde Lernmaterial in Papierform verteilt, vielfach am Schultor.

Auch in den beiden Berufskollegs hakte es erheblich: „Die Ausstattung der Jugendlichen ist teilweise ein Hemmnis“, heißt es im Bericht. Smartphones seien vorhanden, WLAN oder Drucker jedoch nicht. „Jede Schule hat ,ihren’ Weg gewählt, um möglichst alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen“, berichtet Claudia Büllesbach, Leiterin der Gesamtschule Saarn. Diese Aussage gilt generell für alle Mülheimer Schulformen.

Extrem verkleinertes Kollegium – fachgerechter Unterricht kaum möglich

Auch die vorsichtige Schulöffnung ab Ende April wurde nach individuellen Konzepten gestemmt. Personelle und räumliche Engpässe gab es allerorten, mehr oder weniger. Die Schule am Hexbachtal meldet, dass „fachgerechter Unterricht meist nicht mehr möglich sei, da nur 23 von 40 Lehrkräften (57 Prozent) zur Verfügung stehen“. Die übrigen werden anscheinend Risikogruppen zugeordnet. Dennoch waren offenbar alle Schulgemeinden froh, als es weiterging: Die Jugendlichen zeigten „hohes Verantwortungsbewusstsein“, berichten die Mülheimer Berufskollegs, und „große Freude, endlich wieder Unterricht vor Ort zu haben“.

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Durch alle Berichte zieht sich die Verunsicherung, ausgelöst durch ständig geänderte Corona-Schutzvorschriften des Landesministeriums. Sie erfasst auch die Familien. „Die fehlende Planungsbasis und die Spekulationen bezüglich des Wiederbeginns nach den Ferien führten zu Unsicherheit (...) auf Seiten der Schüler, Eltern und Lehrer“, berichtet etwa Sigrun Leistritz, Leiterin des Gymnasiums Heißen.

Räumlichkeiten ausweiten, um möglichst viele Kinder zu unterrichten

Norbert Mölders (SPD), Vorsitzender des Bildungsausschusses, sagt: „Wir können die Situation, die aus Düsseldorf teils täglich neu präsentiert wird, nicht ändern. Aber an dem, was der Schulträger verantwortet, können wir etwas tun.“ Als Bildungsdezernent unmittelbar angesprochen, erklärt Marc Buchholz: „Im Moment sind wir noch dabei, gemeinsam mit der Schulverwaltung und dem Immobilienservice das laufende Schuljahr zu Ende zu bringen. Und dann brauchen wir einen Plan für das nächste. Wir müssen die Räumlichkeiten so ausweiten, dass wir möglichst viele Kinder beschulen können.“

Stadt übernimmt Kosten für Lern-App

Die Stadt Mülheim hat den Schulen zugesagt, künftig die Kosten für die Lern-App „Anton“ und den Messenger „Schoolfox“ zu übernehmen.

Bis 24. Juli dürfen beide noch kostenfrei genutzt werden. Die weitere Verwendung würde dann von der Stadt bezahlt.

Generell nutzen die Mülheimer Schulen ganz unterschiedliche Apps und digitale Plattformen. Sie möchten diese Vielfalt auch gerne beibehalten, um jeweils passgenaue Lösungen zu finden.

Am 28. Mai hatte Buchholz die Sprecher der Schulformen erneut zu einem Gespräch eingeladen. Im Anschluss an das Treffen sagte er: „Es läuft ganz ordentlich. Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Verwaltung in Mülheim funktioniert gut. Jede Schule hat individuelle Lösungen gefunden für die Erreichbarkeit und den Präsenzunterricht.“ Die Schulen, so Buchholz, warten jetzt auf Weisungen des Ministeriums, wie die Curricula überarbeitet werden sollen: Wie werden Leistungen bewertet, die zu Hause erbracht wurden? Welche Inhalte müssen zwingend im Präsenzunterricht vermittelt werden? Viele schwierige, offene Fragen.

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Vor allem zeigt die Corona-Krise in unerwarteter Schärfe, wie schlecht die digitale Ausstattung der meisten Schulen in Mülheim ist. Dass etwa die örtlichen Berufskollegs immer noch kein WLAN haben, hat selbst den Bildungsdezernenten überrascht. Ebenso Schilderungen von Lehrkräften, die ihr Handy aus dem Fenster halten müssen für vernünftigen Empfang.

Hundert Meter Glasfaserkabel fehlen Gymnasium Heißen zum schnellen Netz

Und in Heißen fehlen sage und schreibe 100 Meter Glasfaserkabel, mit denen das Gymnasium ans schnelle Internet angeschlossen wäre. Einfach Material im Baumarkt besorgen, den Boden unbürokratisch aufbuddeln? Ohne gesicherte Finanzierung, ohne offizielle Ausschreibung läuft gar nichts. „Im Moment können wir da herzlich wenig tun“, räumt Buchholz ein. Am Ziel, alle Mülheimer Schulen bis 2022 mit WLAN auszustatten, hält die Stadt fest. Früher wird es sicher nicht.