Herten-Westerholt. . Die einen sehen im Bart das Symbol für Männlichkeit schlechthin, die anderen lehnen ihn ab. Barbiere in unserer Region erklären das Phänomen.
Seinen Anhängern ist er die ultimative Antwort auf die Frage: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Seit jeher ist der Bart ein Zeichen von Manneskraft. Die Mode ließ ihn in den vergangenen Jahren wieder sprießen. Wer ihn trägt, investiert viel Zeit und Geld in seine Pflege. Dennoch scheiden sich an ihm die Geister.
„Männer brauchen heute länger im Bad als ihre Frauen“, sagt Robert Schott. Er eröffnete schon 1994 seinen „Schnipp Schnapp Barber-Shop“ in Herten-Westerholt, wo heute acht Barbiere arbeiten. Damals war der Bart nur einigen wenigen lieb und teuer. Die Metrosexualität war in. Männer galten nur haarlos als schön – das Haupthaar ausgenommen. Seit der Jahrtausendwende setzt sich mehr und mehr die natürliche Männlichkeit durch, symbolisiert durch die unterschiedlichen Bartschnitte.
Seit Horst Lichter ist sogar der „Moustache“ wieder salonfähig. Der geht zurück auf Kaiser Wilhelm II. und trägt den Beinamen „Es-ist-erreicht-Bart“, weil er, wie man damals fand, seinem Träger ein energisches, kriegerisches Aussehen verleiht. Der gezwirbelte Oberlippenbart aber ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. „Für Männer mit einem dünnen Bart ist der nicht geeignet“, sagt Robert Schott.
Der Barbier weiß, Grundlage für eine gelungene „Manneszierde“ ist die Gesichtsform. „Für schmale Köpfe ist ein Bart geeignet, der unten breiter wird. So wie der Bandholz.“ Der ist voll, lang und mit einem Schnauzbart kombiniert. „Für runde Gesichter ist zum Beispiel der Ducktail geeignet.“ Hinter diesem „Entenschwanz“ verbirgt sich ein kurzer Vollbart mit rasierten Wangen und einem kleinen Schnauzbart. Andere Bartformen sind oft einer bestimmten Szene vorbehalten. So schwören Westernfans und auch Liebhaber englischer Mode der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den „Imperial“, einen „Moustache“ mit Kinnbart.
Der Bart als politisches Zeichen
Was heute Geschmacksfrage ist, war einst eine politische Angelegenheit. Die Revolutionäre in Deutschland 1848/49 etwa trugen Vollbart wie ihre Anführer Marx und Engels. Unter den Gegnern waren solche Bärte daher verpönt. Zuweilen war der Bart auch Glaubenssache. Im Alten Testament gibt das dritte Buch Mose Anweisung, den Bart nicht zu scheren. Darauf beziehen sich orthodoxe Juden. Die katholische Kirche mag es glattrasiert. Auch wenn Bärte nicht verboten sind, so werden sie von einigen der damit verbundenen Eitelkeit wegen abgelehnt.
Je schöner der Bart sein soll, desto mehr Pflege braucht er. Täglich muss er mit Spezialshampoo gewaschen werden, dem Öle beigefügt sind. „Die meisten Männer bevorzugen Bio-Produkte“, erklärt Schott. Ganz wichtig: Ein- bis zweimal in der Woche sollte Mann ein Bartöl auf die Haut auftragen.
Der Profi rät zum Bartbalm
„Mit einer Bürste aus Wildschweinborsten wird der Bart durchgebürstet. Das Öl löst Hautschuppen, die dann ausgekämmt werden. Das ist wie bei der Frau ein Gesichtspeeling.“ Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass die Bürste unterschiedlich lange Borsten habe, damit der Bart möglichst gut durchdrungen werde. Danach rät der Profi zu einem Bartbalm. „Das legt sich auf die Haare, ist ölhaltig aber nicht glänzend. Zudem glättet es den Bart“, sagt der 49-Jährige.
Von der Verwendung eines Glätteisens rät er dringend ab. Wenn glätten, dann mit Fön und Rundbürste. Wieder so eine Glaubensfrage: glatt oder kraus? „Das hängt auch von der Struktur der Haare ab.“ Manche Bärte geben die Antwort schon vor.
Wellness für den Mann
Während zu Hause eine halbe Stunde reicht, um den Bart zu frisieren, ist die monatliche Prozedur beim Barbier noch aufwendiger und erinnert an den Besuch eines Schönheitssalons. „Das ist Wellness für den Mann.“ Hautpflege inklusive. Auf Wunsch können auch Gesichtsmasken aufgetragen werden. Standardmäßig folgt auf das Waschen und den groben Formschnitt die Behandlung mit Rasiergel oder -schaum und das Umlegen eines heißen Handtuchs. „Das öffnet die Poren, der Bart quillt auf und schiebt sich aus der Haut.“
Das Messer erreicht so besser die Haare. Nach der Rasur kommt wieder ein heißes Handtuch zum Einsatz. „Zum Reinigen der Haut“, sagt der Barbier, der solche Techniken einst von seinem Großvater lernte. Ein kühlendes Gel verschließt die Poren wieder. Eine Gesichts- und Kopfmassage, ein Haartonic und ein Aftershave runden die Behandlung ab, auf die Mann auch noch anstoßen kann. Eine Auswahl an Whisky-Sorten und sogar ein Humidor mit feinen Zigarren gehören bei Schott zur Grundausstattung, wobei nur im Garten geraucht werden darf.
„Das ist hier ein Rückzugsort für Männer.“ Der ist mehr als ein Geheim-Tipp. Sogar aus Holland kommen die Kunden angereist. „Die verabreden sich zum Ausflug und kommen samstags her zum Wellness-Vormittag.“ Wann die Beliebtheit des Bartes abnimmt, ist nicht absehbar. Auch nicht für Schott. „Männer haben ein neues Körper- und Pflegebewusstsein. Ich glaube, zumindest der Herrensalon bleibt Kult.“
>> GUIDO BÖSHERZ AUS ESSEN IST DIESES JAHR SCHON AUSGEBUCHT
„Egal ob kurz oder lang, gepflegt muss der Bart sein“, findet Barbier Guido Bösherz. Er arbeitet in seinem Salon in Essen-Rüttenscheid allein und das ganz bewusst: „Wenn ein Kunde auf dem Stuhl sitzt, bin ich nur für ihn da. Meine Philosophie ist: Alltag und Hektik bleiben vor der Tür.“
Der Barbier ist entspannt, in vielerlei Hinsicht. Auch was die Anwesenheit von Frauen angeht. Die müssten nicht, wie in manch anderem Laden, draußen bleiben. „Das ganze Machogehabe, das gibt es bei mir nicht. Bei uns geht es ganz familiär zu. Unsere Kunden stellen uns ihre Frauen vor, die neugeborenen Kinder.“ Die meisten Kunden kennt er seit vielen Jahren. Sie machen lange im Voraus Termine. In diesem Jahr ist schon nichts mehr frei.
Seiner Meinung nach sind die Zeiten vorbei, in denen der Bart modisches Muss ist. „Aber dadurch haben viele Männer den Bart ausprobiert, sich damit kennen gelernt. Sie haben gemerkt, das steht mir, jetzt bin ich männlich.“ Vielmehr schlage wieder die Stunde des Individualismus. „Jeder hält die Frage der Gesichtsbehaarung so, wie er sich wohl fühlt.“
Und wie sehen das die Damen? Guido Bösherz ist auch hier entspannt: „Individualismus heißt doch auch, den Partner so zu lassen, wie er ist.“