Mülheim. Eigentlich hätte die Mülheimer Künstler-Gruppe AnDer ihr 25-jähriges Bestehen gefeiert. Wie Künstler die Zwangspause in der Corona-Krise nutzen.

Gedanken sind zwar frei, aber selbst die Kunst kennt Quarantäne. Auf gemeinsame Festtorte und Sonderausstellung zum 25-jährigen Bestehen am 6. April musste die Mülheimer Künstlergruppe AnDer schon verzichten. „Was macht ihr in der Corona-Zeit?“, fragte Uwe Dieter Bleil seine Kollegen deshalb. Wie die Kreativen mit dem Coronavirus abrechnen – zwischen Isolation und Inspiration.

Und diese Abrechnung ist bisweilen sehr direkt: Das längst viral gegangene Bild vom runden Coronavirus mit seinen roten Andock-Fortsätzen bietet sich Vanessa Hötger kurzerhand als Zielscheibe feil. Einfach wegballern!? „Es wäre schön“, kommentiert die Malerin, die seit fünf Jahren bei AnDer mit oft ironisierenden Bildern mitmischt. Wut als hilfreiches Ventil?

Absage vom Ministerium: Keine Soforthilfe für Mülheimer Künstler

Für etliche Künstler ist Corona schließlich ein lebensbedrohlicher Einschnitt auf vielen Ebenen. Uwe Dieter Bleil hat die Absage vom NRW Kulturministerium bekommen: Keine Soforthilfe – kein Einkommen. Dass der Selbstständige keine Kurse im Atelier geben kann, reiche nicht, sagt das Ministerium. Bürokraten verlangen Bescheinigungen von Auftraggebern. Egal – denkt Bleil, „das Budget ist sowieso erschöpft".

Von der Zäsur zur Chance bewegen sich die künstlerischen Positionen. Usula Vehar kommt von der erzwungenen Entschleunigung zur inneren Einkehr. „Heute habe ich Fotos sortiert – und mir ist aufgefallen, wie viel in so ein Leben hineinpasst“, bringt Ursula Vehar weltumspannende Krisen schnell zu Papier: Hitler-Deutschland, Kuba- und Öl-Krise, Terrorangst, Mauerbau und -fall. Und die Pandemie Corona. Optimismus in der Krise.

Kleine Erfolge helfen Mülheimer Künstlern durch den Tag

Das beweist auch Natalija Usakova, die die Zeit nutzt, um digitales Zeichnen und Malen auf dem Tablet zu trainieren. „Der Shutdown ist unausweichlich und absolut notwendig um das Leben von vielen, vielen Menschen zu retten. Es gibt nichts einfacheres als zu Hause zu bleiben um zu helfen.“

Kleine Erfolge helfen durch den Tag: Die einen verlegen Bücher – Heiner Schmitz arbeitet an seinem Katalog Besetzte Leben. „Abends hatte ich dann doch noch einen kleinen Höhepunkt: Der erste Druck mit meiner kleinen neuen Radierpresse. Das Thema des Motivs entstand durch die Nachrichten und die besonders tragische Situation in New York mit den extrem vielen Toten.“

Ein Motiv: Gefährliche Sehnsucht nach Abschottung und heiler Welt in der Pandemie

Die anderen, wie Bleil, verlegen immerhin Kopfstein-Wege im eigenen Garten. „Es ist schon ein Privileg in solchen Zeiten Kunstschaffender zu sein, der daran gewohnt ist asketisch zu arbeiten“, reflektiert Jochen Leyendecker seine Situation. Denn es gibt noch so viele Bildthemen, die noch nicht gemalt sind. Angesicht der vom Virus bedrohten Körper stellt Leyendecker provokant dem verletzten Menschen ein "heiles, totalitäres Bild des Menschen" gegenüber. Auch diese gefährliche Sehnsucht nach Abschottung und heile Welt verbreitet sich mit der Pandemie.

Wie absurd-komisch die „neue Normalität“ bisweilen sein kann, erfahren Heiner Schmitz und Uwe Dieter Bleil hingegen immer wieder: „Um 15 Uhr besuchte uns Florian und blieb zwei Stunden. Wir haben versucht, 1.50 Meter Abstand zu halten. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man mit seinem Sohn mit Abstand durch den Park spazieren geht“, stellt Schmitz fest.

KONTAKT MIT MASKEN

Und manchmal begegnen sich die Mitglieder der isolierten Künstlergruppe dann doch – unter anderen Vorzeichen. Als Schmitz ebenfalls im Garten Wege verlegen will, braucht er Sand und schaut bei Bleil vorbei. Der ist ja schon zu Gange.

„Natürlich mussten wir schmunzeln, als wir uns mit den Masken gegenüberstanden“, schildert Bleil die Begegnung, „und waren auch etwas traurig, uns nicht wie gewohnt begrüßen zu können. Es fehlt das Haptische, aber uns geht es gut, auch und gerade mit den komischen Filtern im Gesicht.“

Neues und Historisches von der Künstlergruppe AnDer im Netz: ander-kunst.jimdofree.com/