Mülheim. In der Corona-Krise hat Mülheim seine Social-Media-Abteilung ordentlich aufgestockt. Die Kommunikation auf Facebook kommt bei vielen gut an.

Mitte März, als das Coronavirus langsam in den Mülheimer Alltag einzog, feierte die Stadt den 11.111. Fan auf ihrer Facebook-Seite. Heute sind es fast 14.000 Menschen, die „gefällt mir“ geklickt haben. Wo früher noch recht dröge ein-, zweimal am Tag Informationen der Stadt kommuniziert wurden, gibt es heute Bastel-Videos für zu Hause, Ansprachen des Stadtdirektors und sogar eine eigene Kampagne: Gesichter dieser Stadt. Die Stadt hat in Sachen Kommunikation ordentlich zulegt. Wie ist dieser Wandel gelungen?

Einen wichtigen Anteil trägt Thomas Nienhaus. Zusammen mit Tobias Grimm ist er für Social Media und Online-PR zuständig. Hand in Hand arbeiten die Beiden mit der zweiköpfigen Internetredaktion mit Anke van Löchtern und Janine Hövels. Als klar war, dass Corona nichts Kurzfristiges ist, uns noch Monate beschäftigen wird, haben die Abteilungen aufgestockt: Zehn weitere Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachbereichen des Rathauses sind dazugekommen.

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Mülheimer Ordnungsamt ließ Media Markt für Stadt Mülheim öffnen

Damit zum Beginn der Krise die technischen Voraussetzungen für diese intensive Online-Arbeit geschaffen werden konnten, hat die Stadt zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen: Das Ordnungsamt stellte eine Sondergenehmigung für den Media Markt aus – die Stadt konnte im eigentlich geschlossenen Geschäft Computer, Bildschirme und sonstige nötige Hardware kaufen.

Die insgesamt 14 Mitarbeiter arbeiten im „Social Media Command Center“ in der Hauptfeuerwache im Schichtdienst, von 8 bis 20 Uhr, am Wochenende von 10 bis 20 Uhr. Die Arbeit, so erklärt es Thomas Nienhaus, besteht aus drei Strängen: Information der Bürger, Interaktion mit den Nutzern als Pendant zum Bürgertelefon sowie – und das ist einmalig in der Region – das Monotoring, also Beobachten und Auswerten der sozialen Medien.

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„Virtual-Operations-Support-Team“ (VOST) nennt sich diese Methode. Die Mitarbeiter lesen alle Beiträge aller Mülheimer Facebook-Gruppen und sortieren sie in 16 Kategorien, wie zum Beispiel Wut, Hilfegesuch, Lob. „So können wir sehr schnell Stimmungsentwicklungen in der Bevölkerung erkennen und darauf reagieren“, erklärt Nienhaus.

Social-Media-Team erstellt täglichen Lagebericht für den Krisenstab

Und auch Fake-News werden zügig registriert: So hatte sich beispielsweise das Gerücht verbreitet, im Seniorenheim der Theodor-Fliedner-Stiftung gebe es weit mehr als die kommunizierten drei Erkrankungsfälle. Die Stadt konnte schnell darauf reagieren. Täglich schickt das Team einen Lagebericht an den Krisenstab, stellt dar, welche Fragen die Bürger besonders bewegt, welche Themen intensiv diskutiert werden. Das sind zum Beispiel die Kontaktmöglichkeiten zu Ämtern, die Diskussionen über die Kontaktsperren, die Unsicherheit, wie es in Schulen und Kitas weitergeht.

In der Hauptfeuerwache ist das Social-Media-Command-Center untergebracht. Über 30 Rathaus-Mitarbeiter arbeiten nun in der Broicher Wache.
In der Hauptfeuerwache ist das Social-Media-Command-Center untergebracht. Über 30 Rathaus-Mitarbeiter arbeiten nun in der Broicher Wache. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Der Krisenstab wiederum gibt auch Anregungen: So fehlte es zu Beginn der Krise an Emotionen, an Menschen, die den Informationen ein Gesicht geben. So entstand die Kampagne „Gesichter dieser Stadt“, die nun regelmäßig Fotos von Mülheimern zeigt, die in der Krise helfen: ein Lehrer, ein MEG-Kraftfahrer, eine mobile Krankenschwester. „Wir wollten Menschen an der Front zeigen“, sagt Nienhaus. „Wir haben darauf viele positive Rückmeldungen bekommen.“ Die Kampagne soll auch nach der Krise weitergeführt werden.

Corona-Kommunikation auf Facebook ist eine „gute Chance“

Doch inwieweit ist diese Art der Kommunikation – die Kurzanleitung für den Videocall mit den Großeltern, die Anleitung fürs Kressepflanzen oder das tägliche Sportprogramm zu Hause – noch Aufgabe einer Stadt, deren Arbeit letztlich durch Steuergelder finanziert wird? „Es ist nicht mehr zeitgemäß, Infos einfach an die Medien zu geben“, sagt Feuerwehrchef Sven Werner. Und Nienhaus verweist darauf, wie wertvoll die Kommunikation mit den Bürgern ist – und dass die zusätzlichen Mitarbeiter aus Verwaltungsbereichen kommen, in denen momentan wenig zu tun ist.

Facebook erreicht den „Durchschnitts-Mülheimer“

Auf Facebook erreicht die Stadt vor allem die Bürger ab 30 Jahren, „den Durchschnitts-Mülheimer“, wie Nienhaus sagt. Für die jüngere Zielgruppe hatte die Stadt ohnehin für 2020 geplant, bei Instagram aktiv zu werden – dieser Kanal wird nun auch für die Corona-Berichterstattung genutzt.

Das Netzwerk Twitter wird nicht mit eigenen Inhalten bedient, dort gehen aber alle Infos mit raus. Die Internetseite der Stadt zu Corona hat seit Beginn der Krise über 600.000 Seitenaufrufe gehabt. Die Inhalte werden dort und bei Facebook den Zielgruppen entsprechend aufbereitet.

„Die Kommunikation bei Facebook ist eine gute Chance für das Image der Stadt. Früher war das ein Hau-drauf-Medium“, sagt Nienhaus. „Die Kunst wird es sein, das nach der Krise beizubehalten.“ Dann allerdings werden die personellen Kapazitäten wieder stark reduziert.