Mülheim. Das hoch verschuldete Mülheim trifft die Corona-Krise wie ein Schlag. Kämmerer Mendack rechnet mit 60 bis 70 Millionen Euro Zusatzbelastung.

Gerade erst wähnte sich die Stärkungspakt-Kommune Mülheim auf dem Weg zur langsamen Genesung, da schlägt die Corona-Krise dem Kämmerer Frank Mendack voll ins Kontor. Er prognostiziert schon jetzt mit einer Zusatzbelastung von 60 bis 70 Millionen Euro. Was das für Folgen haben wird, steht noch in den Sternen.

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Um kurzfristig Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Aufgaben tätigen zu können, hatte Mendack aus dem kleinen Jahresüberschuss 2019 schon vier Millionen Euro in das laufende Haushaltsjahr transferiert. Unbürokratisch sollen sie dort Lücken stopfen, wo sie entstehen.

Gewerbesteuer: Mülheims Kämmerer rechnet mit Einbruch von 30 Millionen Euro

Der Blick nach vorne fällt indes schwer, schließlich ist völlig unklar, wie lange der Shut Down noch anhalten wird. Die wirtschaftlichen Folgen sind längst nicht absehbar, verweist Mendack auf Prognosen, die aktuell stark schwankend von einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 2,8 bis 5,5 Prozent ausgehen.

Was heißt dies aber für eine Stadt wie Mülheim? Beispiel Gewerbesteuer. Hier kalkuliert Mendack mit Blick auf die ohnehin strapazierte Situation am Wirtschaftsstandort besonders skeptisch. Er geht aktuell von Mindereinnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro aus, zumal örtliche Unternehmen aus der Automobilzulieferer- und Stahlbranche besonders hart getroffen seien. Von den rund 2500 Gewerbesteuerzahlern in der Stadt haben schon jetzt einige Stadt Anträge auf Stundung der Steuerzahlungen oder Reduzierung der Vorauszahlungen gestellt, die im Gesamtvolumen bereits die Millionengrenze überschritten hätten, so der Kämmerer. Mit dem Hinweis darauf, dass die wirtschaftliche Krise wohl deutlich länger andauern werde als die medizinische.

Behelfs-Krankenhäuser: Beteiligt sich das land an den Kosten?

Auch andere Steuern werden absehbar weit weniger umfangreich fließen. Mendack kalkuliert bei der städtischen Beteiligung an der Umsatzsteuer mit einem Einbruch um ein Viertel (vier bis fünf Millionen Euro). Beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer hat er auf Basis eines angenommenen Rückgangs der Wirtschaftsleistung um 4,5 Prozent ein Minus von rund 18 Millionen Euro errechnet.

Die andere Seite der Medaille: Auch mit Mehrausgaben ist zu rechnen. Nicht nur ist laut Mendack unklar, wie sich das Land etwa an den Einrichtungskosten der zwei Behelfs-Krankenhäuser auf dem Saarner Kirmesplatz und in der Wolfsburg-Akademie beteiligt.

Stadt rechnet mit Millionen zusätzlich für die soziale Sicherung

Kämmerer will auf Haushaltssperre verzichten

Auf eine Haushaltssperre für das laufende Jahr will Kämmerer Frank Mendack trotz der hohen Zusatzbelastungen verzichten. „Das wäre kontraproduktiv, wir wollen den hiesigen Wirtschafts- und Handwerksbetrieben nicht nötige Impulse nehmen.“

Auch an den an der Nettoneuverschuldungslinie Null orientierten Investitionen in Höhe von rund 15 Millionen Euro für dieses Jahr will Mendack festhalten. Insbesondere in Schulen soll Geld gesteckt werden.

Ein dicker Batzen Mehrkosten lauert natürlich auch im Sozialetat: Der Bund rechnet laut Mendack aktuell mit 1,2 Millionen mehr Bedarfsgemeinschaften, die auf eine stattliche Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen sein werden. Mendacks Rechnung für Mülheim: 4000 Bedarfsgemeinschaften mehr in der Stadt bedeuteten Ausgaben in Höhe von 12 Millionen Euro. Abzüglich der vom Bund erstatteten Aufwendungen für die Unterkunftskosten verblieben 7 Millionen Euro bei der Stadt.

Elternbeiträge werden erstattet, die Stadt hat keine Einnahmen etwa für Schwimmbäder, andere Einrichtungen oder Veranstaltungen. Ein Minus gibt es etwa auch bei den Einnahmen durch Parkgebühren oder Verwarngeldern, weil der Kommunale Ordnungsdienst mit der Kontrolle des Kontaktverbots ausgelastet ist.

Gravierende Schieflage bei der Ruhrbahn

Gravierend auch die Schieflage im Betrieb der Ruhrbahn, die ihr Angebot bei weiter laufenden Fixkosten auf den Samstagsfahrplan runtergesetzt hat. Zusätzlich zu den Millionenverlusten, die Mülheims Nahverkehr Jahr für Jahr einfährt, beziffert der Kämmerer die durch Corona bedingten Verluste auf 120.000 Euro - wöchentlich.

60 bis 70 Millionen Mehrbelastung für das hoch verschuldete Mülheim. Im Moment gibt es laut Mendack nur das Signal des Landes, dass die Städte ihre Corona-Lasten aus dem Haushalt rausrechnen dürfen, um ihren Etat noch genehmigungsfähig gestalten zu können. Das hilft nur kurzfristig. Langfristig stellt sich wieder einmal die Frage, auf wie vielen Millionen die Kommunen sitzen bleiben werden. Dessen ist sich auch Mendack bewusst.

Kämmerer fordert Hilfen von Bund und Land

Er fordert Unterstützung von Bund und Land ein, zumal die Kommunen als Auftraggeber für den Mittelstand und das Handwerk auch wichtiger Motor einer konjunkturellen Erholung sein könnten. Dem gegenüber steht die Befürchtung, dass die Berliner Pläne für einen Altschuldenfonds wegen der Milliarden, die der Bund zur Bewältigung der Corona-Krise bereitstellt, in die Schublade geschoben werden.