Mülheim. An Beerdigungen kann wegen Corona nur der engste Familienkreis teilnehmen. Wie Trauernde damit umgehen – und ein Mülheimer Bestatter livestreamt.
Keine Trauerfeiern, keine Umarmungen und nur der engste Familienkreis am Grab – Abschiednehmen fällt in Zeiten von Corona noch schwerer als ohnehin schon. Bestatter und Kirche haben allerdings großes Verständnis für die Maßnahmen festgestellt.
„Natürlich besteht ein großer Schmerz, wenn es keinen gebührenden Abschied von einem Angehörigen geben kann. Ich stelle aber fest, dass die Allermeisten sehr, sehr verständnisvoll sind“, berichtet Stadtdechant Michael Janßen.
Mülheimer Bestatter sehen sich nicht als Ordnungsmacht
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"Wir haben aber nicht umsonst eine solche Bestattungskultur. Den Angehörigen wird ein wichtiger Teil genommen", sagt Bestatter Michael aus dem Siepen. Allerdings hätten die Betroffenen andere Sorgen, als sich über Erlasse und Verordnungen aufzuregen. "In einen Zwiespalt geraten wir aber, wenn sich die Leute am Grab doch umarmen. Wir sind schließlich keine Ordnungsmacht", betont aus dem Siepen.
Die Kirchen sind ebenso geschlossen wie die Trauerhallen auf den Friedhöfen. Die Beisetzung findet nur noch im engsten Familienkreis statt. Eine Beschränkung auf eine konkrete Personenzahl gibt es in Mülheim aber nicht. Der Kreis sollte sich auf die Ehegatten, Eltern und Kinder begrenzen.
Corona-Kontaktverbot: Beerdigungen per Livestream
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Alle Teilnehmer sind aufgefordert, den Mindestabstand zu wahren und auf Kondolenz am Grab abzusehen. Das bedeutet: kein Händeschütteln, keine Umarmung. Musikalische Darbietungen sind in Ausnahmen möglich, sofern andere Trauernde nicht gestört werden. „Eine Verstorbene wollte unbedingt, dass ,My Way‘ gespielt wird, das haben wir dann über ein tragbares Gerät gemacht“, erzählt Bestatter Martin Elstermeier.
Er und seine Kollegen versuchen, den Familien Alternativen in der schweren Zeit anzubieten. "Letzte Woche haben wir einen Pferdesattel und Heuballen am Grab aufgebaut, weil die Verstorbene eine besondere Affinität zum Reitsport hatte", erzählt Michael aus dem Siepen. Sein Unternehmen bietet seit dieser Woche auch Beerdigungen per Livestream an. "Mit einem Link und einem Passwort kann man der Beisetzung dann beiwohnen", erklärt der Bestatter.
Emotionen können nicht wirklich freien Lauf gelassen werden
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Schließlich sind es meistens nicht nur die engsten Angehörigen, die trauern, sondern auch Freunde, Arbeitskollegen oder Vereinskameraden. "Die Emotionen können jetzt einfach nicht raus", weiß aus dem Siepen. Selbst dem Stadtdechanten fällt es schwer, einen Rat für den richtigen Umgang mit der Situation zu geben. „Natürlich sind die anderen Angehörigen in Gedanken dabei, aber das ist ja alles kein Ersatz“, findet Michael Janßen.
Die Heilige Messe, das bietet die katholische Kirche an, kann zum Gedenken an die Verstorbenen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Urnenbeisetzungen können ohnehin um sechs Wochen verschoben werden. Die Frist lässt sich zurzeit wohl sogar noch leicht verlängern. Erdbestattungen im Sarg müssen hingegen weiterhin innerhalb von zehn Tagen durchgeführt werden.
Beratungsgespräch zumeist bei den Bestattern
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Beratungsgespräche finden jetzt zumeist bei den Bestattern statt. "Hier ist die Hygienesituation am besten geregelt", sagt Michael aus dem Siepen. Sein Kollege Martin Elstermeier hat in seinem Büro Plexiglaswände aufgestellt, "damit wir nicht im Mundschutz arbeiten müssen".
Wie neu die Situation für alle ist, musste auch das Team von Martin Elstermeier feststellen. „Unsere Sargträger bilden sonst immer Fahrgemeinschaften, wenn sie durch Mülheim fahren. Neulich sind sie aus Gewohnheit, wieder zu dritt zu einer Beisetzung gefahren“, erzählt der Bestatter. Ab sofort fahren alle alleine.
Bestatter nur in zwei Bundesländern "systemrelevant"
Schutzstufe drei bei Corona-Infektion
Was passiert bei der Bestattung, wenn der Verstorbene mit dem Coronavirus infiziert war? Dann gilt die Schutzstufe drei. Bei der Leichenschau muss ein Einweg-Schutzkittel, eine Atemschutzmaske mit Ventil, Brille und Handschuhe getragen werden.
„Der Sarg muss gekennzeichnet und die Oberfläche desinfiziert werden“, erklärt Bestatter Martin Elstermeier. Der Hinweis auf Covid-19 muss im nicht-vertraulichen Teil des Totenscheins öffentlich gemacht werden.
Freilich bleiben der Branche ihre Aufträge erhalten, dennoch sind die Bestatter von der aktuellen Situation genauso betroffen wie andere Arbeitgeber. "Es gibt mittlerweile Engpässe beim Blumennachschub", berichtet Michael aus dem Siepen. Zudem sei es schwierig, Schutzanzüge oder Handschuhe zu bekommen. Von Masken ganz zu schweigen. "Offiziell sind wir nur in zwei Bundesländern systemrelevant", ärgert sich aus dem Siepen.
Könne sich eines Tages nicht mehr anständig um die Verstorbenen gekümmert werden, ginge nicht nur jede Menge Würde verloren. "Es stellt auch eine große Gesundheitsgefahr dar", warnt aus dem Siepen.