Mülheim. Die Tätigkeit des Sargträgers droht auszusterben. Nicht nur beim Bestattungshaus Fohrmann in Mülheim werden Helfer dringend gebraucht.
In den Köpfen der Menschen sind sie fester Bestandteil einer jeden Beisetzung. Ihr Wirken hat lange Tradition und eigentlich sind sie schlicht nicht wegzudenken. Und doch schlagen die, die es angeht, jetzt Alarm: Die Tätigkeit des Sargträgers scheint, um im Bild zu bleiben, auszusterben.
„Es ist ein Thema, das uns Bestatter im Moment ziemlich beschäftigt“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann. Es sei sogar deutschlandweit ein Problem, weiß sie aus Kollegenkreisen. Wie konnte es so weit kommen? Die Inhaberin von „Fohrmann Bestattungen“ hat eine Antwort auf diese Frage – und dabei die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte.
Ein gesellschaftlicher Tabubereich
„Geht es um den Tod, befinden wir uns gesellschaftlich immer noch in einem Tabubereich“, weiß Mirjam Helmus-Fohrmann. Und sie fügt hinzu: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Jugend alles ist.“ Da mache sich das Thema Tod eben nicht wirklich gut.
Auch die fortschreitende Anonymisierung und das Leben nebeneinander anstatt miteinander tragen ihren Teil bei. „Früher“, gibt die Bestatterin zu bedenken, „ging man auf jede Beerdigung. Auch auf die von Menschen, die man kaum gekannt hat.“ Heute sei der Beruf des Sargträgers nicht mehr wirklch geläufig.
Wichtiger Dienst für die Angehörigen
Acht Männer unterstützen das Fohrmann-Team aktuell bei sämtlichen Beisetzungen – „wir bräuchten aber mehr, 15 bis 16 wären ideal“, gibt Mirjam Helmus-Fohrmann eine Einschätzung. Sie sagt auch: „Unsere Sargträger sind echt nötig. Das ist ein ganz wichtiger Dienst, den sie leisten, auch für die Angehörigen.“
Dabei geht es um viel mehr als das bloße Tragen von Sarg oder Urne. Die meist rüstigen Rentner sind in vielen Bereichen wichtig, vor der Trauerfeier beispielsweise, um diese vorzubereiten, die Blumen zu arrangieren oder Liedblätter zu verteilen. Grundsätzlich gilt: Sie sind immer da, wenn viel Sorgfalt walten muss.
Team braucht Verstärkung
Einer von ihnen ist Heinz Angenendt. Mirjam Helmus-Fohrmann nennt ihn den „Chef der Truppe“ – der 77-Jährige ist schließlich schon seit 17 Jahren dabei. Er ist es auch, der die anderen Kollegen je nach
Auch Frauen können Särge tragen
Für die Tätigkeit des Sargträgers braucht es nicht viel mehr als einen schwarzen Anzug, schwarze Schuhe, eine normale Kondition und die Mobilität, um zu den Mülheimer Friedhöfen zu kommen. Einen Mantel und die Trägermütze stellt das Bestattungshaus Fohrmann.
„Wir würden uns freuen, wenn sich auch Frauen melden würden“, sagt Mirjam Helmus-Fohrmann. Interessierte können mit dem Bestattungshaus Fohrmann unter 0208-992860 Kontakt aufnehmen.
Terminlage einteilt. „Wir sind ein eingespieltes Team, da herrscht eine gute Harmonie“, sagt Heinz Angenendt über den Kreis der Fohrmannschen Sargträger. Er fügt hinzu: „Wir verstehen uns alle sehr gut und es ist immer schön, wenn wir uns treffen.“
Damit spielt Angenendt nicht nur auf die Beerdigungen oder Beisetzungen an: Einmal im Monat treffen sich die Sargträger „in der Wirtschaft nebenan“, zu einer Art Stammtisch. Dann sitzen sie „gemütlich beisammen“, feiern gemeinsam Geburtstage, tauschen sich aus. Meistens geht es dabei vielmehr um private Dinge und Angelegenheiten, weniger um ihre Arbeit rund um die Mülheimer Friedhöfe.
Kontakte knüpfen und Rente aufbessern
Für Heinz Angenendt ist das Sargträger-Dasein eine Herzensangelegenheit – „ich bin unter Menschen und an der frischen Luft, ich bin sehr kontaktfreudig“, verrät der Senior. Vor allem aber: „Man wird gebraucht“, sagt der ehemalige Dreher bei Mannesmann über den Hintergrund seines Sargträger-Jobs.
Dass er sich noch etwas dazu verdient, seine Rente aufstocken kann, ist für ihn ein weiterer positiver Aspekt. Die Sargträger arbeiten im Rahmen eines 450-Euro-Jobs, einer Aushilfstätigkeit, beim Bestattungsinstitut.
Körperlich ist die Arbeit leichter geworden
Ein Punkt, den auch Mirjam Helmus-Fohrmann sieht. „Die soziale Komponente steht bei allem im Vordergrund. Unsere Sargträger pflegen Kontakte und haben eine Aufgabe.“ Berührungsängste gebe es nicht, und körperlich sei die Arbeit nur bedingt anstrengend, sagt die Bestatterin. Das Geschäft mit dem Tod habe sich verlagert – mittlerweile verbuchen sie bei Fohrmann rund 80 Prozent Feuerbestattungen.
Und doch: Eine Urne muss schließlich auch getragen werden. Heinz Angenendt hat sich mittlerweile schon etwas zurückgezogen: „Meine Beine wollen nicht mehr so richtig“, sagt der Mülheimer. Er beißt trotzdem die Zähne zusammen, denn: „Irgendwie vermisse ich das auch.“