Mülheim. Die Bürgerinitiative „Solidarität in Mülheim“ verteilt am Hauptbahnhof Essen an Bedürftige. Ihre Geschichten erschüttern die Helfer oft zutiefst.
Hunger kennt keine Jahreszeit. Obdachlose und andere bedürftige Menschen haben das ganze Jahr über damit zu kämpfen, eine vernünftige Mahlzeit zu bekommen. Hilfe und Anlaufstellen gibt es in Mülheim zwar genug, dennoch fallen immer wieder Menschen durchs Raster. „Zu uns kommen Menschen, die schwer zu fassen sind“, sagt Sascha Prandstetter, Mitbegründer der Bürgerinitiative „Solidarität in Mülheim“. „Das können Drogensüchtige oder schwere Alkoholiker sein, Bedürftige auf der Durchreise oder Obdachlose, die neu in der Stadt sind und sich nicht so gut auskennen.“
Die Ausgabezeiten
Die Ausgabezeiten von „Solidarität in Mülheim“ sind montags, dienstags und donnerstags von 18.30 bis 20 Uhr, sonntags in der Zeit von 16.30 bis 18 Uhr.
Weitere Informationen und Kontakt gibt es über die Facebook-Gruppe „Solidarität in Mülheim“.
Im Dezember vergangenen Jahres hat sich die Bürgerinitiative gegründet. Seitdem stehen die Helfer montags, dienstags und sonntags am Nordausgang des Mülheimer Hauptbahnhofs und verteilen Essen und Sachspenden. Ab Juni sind die Helfer auch dienstags vor Ort. „Uns ging es darum, dass wir nicht nur schwätzen, sondern einfach was machen“, sagt Prandstetter, der aus Essen kommt. „Dort gibt es aber schon einige niederschwellige Angebote, wie unseres. Deshalb haben wir uns entschieden, die Hilfe in Mülheim anzubieten.“
„Wer zu uns kommt und um Hilfe bittet, bekommt Hilfe“
Für Prandstetter und seine Mitstreiter spielt es keine Rolle, wer zu ihnen kommt. Auch ob die Geschichten stimmen, die von den Menschen erzählt werden, ist den Ehrenamtlern nicht wichtig. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie schnell etwas passieren kann, das einen sozial völlig abrutschen lässt“, sagt Ralf, der regelmäßig als Helfer mit anpackt. „Wer zu uns kommt und um Hilfe bittet, bekommt Hilfe“. Egal welcher Nationalität oder Religion. Deshalb habe man die Hinweisschilder zusätzlich auch in englischer Sprache aufgestellt.
Die ersten Abende seien schon hart gewesen, gesteht Prandstetter. „Da ist man zum ersten Mal in diese Szene abgetaucht und man sieht wirklich viel Elend und Menschen mit Geschichten, die einem sehr nahegehen“, weiß der Essener. So wie Freddie, der dankbar seinen warmen Eintopf in den Händen hält. Der 38-Jährige kommt ursprünglich aus dem Siegerland, lebt seit fünf Jahren im Ruhrgebiet auf der Straße. „Nach dem frühen Tod meines Vaters bin ich irgendwie immer mehr abgerutscht“, erzählt Freddie. Zuerst war es der Alkohol, heute zusätzlich Drogen wie Heroin oder Amphetamine, die sein Leben bestimmen. „Bei den Leuten hier, die das Essen verteilen, bei denen muss ich mich nicht schämen. Sie fragen nicht, wenn jemand nicht sprechen möchte und hören zu, wenn man sich etwas von der Seele reden mag.“
Koordination und Spendenaufrufe laufen über Facebook
Helfer zu finden sei nicht leicht, sagen die Initiatoren. „Aber generell hat sich schon ein Netzwerk gebildet, das ganz gut funktioniert“, sagt Prandstetter. „Besonders über unsere Facebookgruppe können wir Dinge gut koordinieren und organisieren.“ So habe vor kurzem ein Gast neue Schuhe gebraucht. Größe 46. „Wir haben den Aufruf bei Facebook gepostet und relativ fix konnten wir dem Bedürftigen dann die Schuhe überreichen.“
Um die Hilfe professioneller organisieren zu können, sind die Mitglieder der Bürgerinitiative gerade dabei, einen Verein zu gründen. „Wer sich uns anschließen möchte, kann sich jederzeit über Facebook bei uns melden“, so Prandstetter. „Je mehr, desto besser, denn Helfer sind nicht leicht zu finden.“