Mülheim. „Hände weg vom Auberg“ bekräftigten gut 100 Mülheimer und Grüne am Samstagmittag dort, wo die Natur der Wirtschaft weichen soll.

Der Kommunalwahlkampf 2020, vielleicht wird er hier ausgetragen: Auf den vielen Feldern und in Landschaftsschutzgebieten, die Mülheim noch zu bieten hat. Und die mehr denn je im Visier der Wirtschaft stehen: 240 Hektar in ganz Mülheim sollen laut eines Wirtschaftsflächenkonzepts als Gewerbegebiet geprüft werden.

„Wir wollen die Legion sammeln“, greift der Grüne Hermann Stollen am Samstagmittag am Fuße des Aubergs instinktiv sprachlich ins militärische Register. Denn auch hier hat sich – um im Bild zu bleiben – eine Staffel von gut 100 Bürgern der Initiative „Hände weg vom Auberg“, Anwohnern und Grünen gebildet. Das Ziel: Die Verteidigung des etwa zehn Hektar großen Landschaftsschutzgebiets zwischen dem Gewerbe an der Rembergstraße im Westen und der Voßbeckstraße im Osten.

Idee des Gewerbeflächenkonzepts sei „aus der Zeit gefallen“

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Die Idee des aktuell heiß diskutierten Gewerbekonzepts, nun auch diese Fläche zu bebauen, sei „wie aus der Zeit gefallen“, argumentiert Stollen. Man müsse sie schon aus Klimaschutzgründen erhalten.„Widersinnig“ sei das auch, so ergänzt eine Anwohnerin, weil man ja zum Teil auf der Kölner Straße, die dann als Verbindung zur Autobahn genutzt würde, extra Tempo 30 eingeführt habe, um die Schadstoffe für Selbeck zu begrenzen. „Und dann sollen noch mehr LKW über die Straße rollen?“ Sie schüttelt den Kopf.

Der Auberg ist ein beliebtes Ziel für Spaziergänger. Die Bürger wollen eine Bebauung dort nicht hinnehmen.
Der Auberg ist ein beliebtes Ziel für Spaziergänger. Die Bürger wollen eine Bebauung dort nicht hinnehmen. © Foto: Michael Dahlke

Auch das scheint vielen unverständlich: „Wandern in Mülheim: Dafür eignet sich auch der grüne Auberg ganz hervorragend“, lobt die Stadt auf ihrer Webseite. Feuchtbiotope wurden sich selbst überlassen, „damit Tiere und Pflanzen dort sehr schnell Fuß fassen konnten.“ Das soll nun bebaut werden?

Bebauung würde Keil in das Landschaftsschutzgebiet treiben

Das umstrittene Gewerbekonzept allerdings stammt nicht von der Stadt, sondern von Hendrik Dönnebrink, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung. Im vergangenen Jahr kippten der BAMH ausgerechnet mit Hilfe der SPD, MBI und FDP den Gewerbeplan der Stadtverwaltung, weil er ihnen zu gemäßigt war. Und beauftragten Dönnebrink mit der Planung am düpierten CDU-Dezernenten Peter Vermeulen vorbei. Ausgerechnet, denn die MBI hatte noch 2016 vehement gegen eine Bebauung am Auberg gewettert.

Die von Dönnebrink vorgetragene Bebauung mit Gewerbe von West nach Ost würde aber einen Keil in das etwa 40 Hektar große Landschaftsschutzgebiet am Auberg treiben. Mehr noch schnitte sie im Süden bis an die Grenze des Naturschutzgebiets Wambach heran. Damit werden die aktuell noch über den Acker und die Feuchtwiesen verbundenen Biotope und Naturschutzgebiete getrennt, erläutert Maximilian Kellermann von der BI „Hände weg vom Auberg“.

Schutzzone für Naturschutzgebiete würde wegfallen

Nicht nur fiele so die Schutzzone für die Naturschutzgebiete Wambach, Schmitterbachtal und Ruhrtalhang weg. Kellermann befürchtet, dass dies ebenfalls die Biotope abwerten könnte, so weit, dass auch sie irgendwann bebaut werden könnten. Teilen und erobern. „Es geht deshalb nicht nur um ein bisschen Gewerbe“, mahnt der BI-ler. Zudem sollen wenigstens zwei Hallen im nahen Gewerbegebiet leer stehen. „Aber die alten will keiner haben.“ Die Wirtschaft wolle neue.

Noch ist nichts entschieden, und auch der Prozess kann kompliziert werden, denn das Gebiet ist in drei Flurstücke unterteilt mit jeweils unterschiedlichen Besitzern: Eines soll der Stadt gehören, ein weiteres gleich drei Eigentümern – darunter die Stadt – und das dritte zwei Eigentümern. Wer davon überhaupt verkaufen würde, scheint nicht einmal angefragt zu sein.

Reine Entscheidung der politischen Mehrheit

Selbst Dönnebrink geht in seinem Konzept nur von einer langfristigen „Realisierungsperspektive“ aus. „Es ist eine reine Entscheidung der politischen Mehrheit“, macht Tim Giesbert, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt, vor Ort deutlich: Die Verwaltung stelle von sich aus keinen Antrag, den Regionalflächennutzungsplan so zu verändern, dass aus Grün- dann Gewerbegebiete werden.

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Auch hat sich bereits Planungsdezernent Vermeulen deutlich gegen das Ansinnen des Wirtschaftsflächenkonzepts ausgesprochen. Bislang haben sich außerdem nur die Grünen bedingungslos gegen das Konzept und damit gegen jedwede Bebauung der ins Spiel gebrachten acht Gebiete bekannt.

Radikale Ablehnung der Grünen könnte Diane Jägers in Dilemma bringen

Entscheiden wird die Politik über die Wirtschaftspläne erst nach der Kommunalwahl im September, bestätigt Giesbert. Dann kommt es auf die Mehrheiten im Rat an.

Eine Hürde haben allerdings auch die Grünen zu nehmen: Ihre Allianz mit der CDU zur OB-Wahl. Kandidatin Diane Jägers hat sich für Tabuflächen für das Gewerbe ausgesprochen. Die radikale Ablehnung der Grünen aber kann sie in ein Dilemma bringen. Der Kampf um Stimmen – er wird eben auch hier im Grünen ausgetragen.