Mülheim. Die Zahl der Männer im Erzieher-Beruf steigt weiterhin an. Dennoch liegen die Mülheimer Kitas deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt.

„Warum wirst du nicht lieber Lehrer?“ oder „Kann ein Mann überhaupt genauso gut erziehen wie eine Frau?“ – Fragen, die Chrischan Müller, Leiter des Mülheimer Kindergarten Haus Kinderlust, regelmäßig im Arbeitsalltag begegnen. Gleichzeitig verdeutlichen sie das immer noch anhaltende Rollenbild unserer Gesellschaft. Für Müller einer der Hauptgründe, warum viele Männer auch noch 2020 dem Beruf als Erzieher mit großer Skepsis begegnen.

Auch das mäßige Gehalt und eine nicht finanzierte Ausbildung sind für den stellvertretenden Leiter Marcel Schultz wichtige Faktoren bei der Entscheidung für oder gegen den Berufsweg. Die Zahlen bestätigen die Auffassung. Der Anteil an männlichen Erzieher ist in Mülheim zwar um 0,6 Prozent gestiegen. Trotzdem ist nur jeder 20. Erzieher männlich: Die Stadt liegt mit 5,2 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 6,6 Prozent.

Ausgeglichenes Erzieher-Team in Mülheimer Haus Kinderlust

Allerdings gibt es auch positive Gegenbeispiele – beispielsweise den Kindergarten Haus Kinderlust in Saarn. Hier arbeiten mittlerweile, von insgesamt sieben, drei männliche Erzieher. Im Arbeitsumfeld haben der Leiter Chrischan Müller und sein Stellvertreter Marcel Schultz bislang ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. „Es gab nie ein verschlossenes Frauenteam und mittlerweile wird man auch nicht mehr als Exot gesehen“, erklärt der Leiter der Kita.

Ein Problem sei nur, dass dieses offene Denken noch nicht in der gesamten Gesellschaft angekommen sei. Das klassische Rollenbild zwischen Mann und Frau herrsche immer noch vor und für männliche Erzieher „braucht es Überwindung, sich dagegen zu stellen“, so Schultz.

OECD-Bericht bestätigt Vorteil von männlichen Erziehern

Für Chrischan Müller gab es bislang allerdings nur einen wirklich problematischen Fall. Ein Eltern-Ehepaar befürchtete, dass es vor allem beim Wickeln ihres Kindes zu sexuellen Übergriffen kommen könnte. Ein klares Zeichen für den Leiter der Kita, dass kein Vertrauensverhältnis vorhanden sei, ohne das eine ideale Betreuung des Kindes nicht möglich sei.

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Der allgemeine Konsens ist allerdings ein anderer: Männer haben andere Fähigkeiten als Frauen und können daher auch die Kindererziehung bereichern. Das greift auch ein aktueller Bericht der OECD im Rahmen der Pisa-Studie auf. „Es wird zunehmend anerkannt, dass die Beschäftigung männlicher Fachkräfte in der frühen Bildung das Potenzial hat, die Entwicklung und das Lernverhalten der Kinder zu verbessern“, heißt es darin.

„Strukturiertere Teambesprechungen mit Mann im Team“

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Auch im Alltag im Kindergarten zeigt sich dieses Phänomen. Vor allem, als der Anteil an Erziehern noch geringer war, „stürzten sich die Kinder auf männliche Praktikanten“, erinnert sich Müller. Möglicherweise ein Zeichen dafür, dass den Kindern im Kita-Alltag sonst eine männliche Bezugsperson fehle. Auf bestimmte Fähigkeiten, die Männer besser als Frauen, für den Beruf qualifizieren würden, wolle sich Müller dennoch nicht auf festlegen. Für die Kolleginnen wären vor allem die „strukturierteren Teambesprechungen“ ein positiver Aspekt der männlichen Kita-Leitung.

Haus Kinderlust hebt den Durchschnitt

Mit einem Anteil an 5,2 Prozent männlicher Erzieher belegt Mülheim den 173. Platz von insgesamt 402 bundesweit erfassten Städten.

Im Mülheimer Kindergarten Haus Kinderlust arbeiten insgesamt drei männliche Erzieher. Neben dem Leiter Chrischan Müller und seinem Stellvertreter Marcel Schultz auch noch der gelernte Erzieher und Fachwirt im Erziehungswesen Christian Buchloh.

Auch für Müller und Schultz hat der Beruf viele Vorteile. „Kinder tragen ihr Herz auf der Zunge und geben einem so viel zurück“, schwärmt der Leiter des Haus Kinderlust. „Da könnten sich auch die Erwachsenen eine Scheibe von abschneiden“, ergänzt er mit einem Lächeln.