Mülheim. Im KZ Auschwitz sind auch etliche Menschen aus Mülheim ermordet worden. Ihrer und aller anderen Opfern wurde auf dem Jüdischen Friedhof gedacht.

Im Todeslager Auschwitz, das vor genau 75 Jahren durch die Alliierten befreit wurde, sind auch Menschen aus Mülheim ermordet worden. Ihnen und allen anderen NS-Opfern war am Montag eine Feierstunde mit Kranzniederlegung auf dem Jüdischen Friedhof gewidmet. Drei Generationen wirkten daran mit.

Zur Gedenkveranstaltung eingeladen hatten die Stadt Mülheim und die Jüdische Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen. Bürgermeisterin Margarete Wietelmann ergriff in der Trauerhalle als Erste das Wort. Sie nannte es - mit Blick auf den Anschlag gegen die Synagoge in Halle - „verstörend und beschämend, wenn hier, in Deutschland, Juden wieder um ihr Leben fürchten müssen“. Und sie erinnerte an das Vermächtnis, das die Holocaust-Opfer hinterlassen haben: „Zusammenstehen gegen Hass und Gewalt!“

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Besucher versammeln sich unter dem Davidstern

Zusammengestanden, unter dem Davidstern in der Trauerhalle, haben an diesem 27. Januar rund 100 Menschen aus Mülheim. Darunter waren, wie zu diesen Anlässen üblich, Vertreter der politischen Parteien, der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Auch der Kreisverband der VVN-BdA hatte im Vorfeld eindringlich zur Teilnahme an der Gedenkstunde aufgerufen. David Geballe, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde, betete für die Opfer der Shoa, auf Hebräisch und auf Deutsch.

Mehr als 80 jüdische Menschen aus Mülheim in Auschwitz ermordet

Der Beitrag von Gerhard Bennertz, der seit den 1970er Jahren unermüdlich die Schicksale jüdischer Menschen in Mülheim dokumentiert, gab diesen Opfern dann eine reale Gestalt. Nach seinen Recherchen sind mehr als 80 Mülheimer Juden allein in Auschwitz-Birkenau ermordet worden. „Einige wenige überlebten“ - auch die Erinnerung an sie möchte er lebendig halten.

Lebensgeschichten von NS-Opfern aus Mülheim

Zum Gedenken an Familie Rosenthal, die Gerhard Bennertz in seiner Ansprache erwähnte, wurde vor fast genau drei Jahren in Mülheim ein Stolperstein verlegt. Er befindet sich an der Leineweberstraße 86.

Biographien der Rosenthals und vieler weiterer NS-Opfer, die hier in der Stadt gelebt haben, kann man nachlesen auf www.muelheim-ruhr.de unter dem Suchbegriff „Stolpersteine“.

Bennertz nennt beispielhaft Trude Rosenthal, geboren am 19. Juni 1922, die ihre gesamte Familie verloren hat, aber selber der Vernichtung entkommen ist. Die Rosenthals wohnten Anfang der 1930er Jahren eine Zeitlang in Mülheim, Trude besuchte die Luisenschule. Im Dezember 1933 emigrierte die Familie nach Amsterdam, erlebte dort „von Angst befreite Jahre“, so Gerhard Bennertz.

„Zuletzt sah sie Anne Frank tot im Dreck liegen“

Ende November 1942 wurde die Familie jedoch in das niederländische Durchgangslager Westerbork deportiert. Die Eltern und Trudes jüngerer Bruder kamen am 14. September 1943 nach Auschwitz, drei Tage später wurden sie vergast. Trude wurde erst fünf Monate später nach Bergen-Belsen gebracht. „Dort hat sie Anne Frank wiedergetroffen, die sie aus Amsterdam kannte, und mit der sie lange Gespräche führte“, so Bennertz. „Zuletzt sah sie Anne Frank tot im Dreck liegen.“

Nach der Befreiung nicht nach Deutschland zurückgekehrt

Trude Rosenthal blieb zumindest dieses Schicksal erspart, auch weil sie Steno und Maschinenschreiben gelernt hatte: „Sie wurde im Lager gebraucht, denn die Namen derjenigen, die an Typhus oder Hunger gestorben waren, mussten notiert werden.“ Nach der Befreiung 1945 durch russische Truppen sei Trude nach Holland zurückgekehrt, nach Deutschland kam sie nicht zurück. „Für sie war unfassbar, dass sie überlebt hat“, ergänzt Gerhard Bennertz in seinem Redebeitrag zum Holocaust-Gedenktag.

Auch der katholische Stadtdechant Michael Janßen (l.) und der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand verneigten sich am Montag am Mahnmal für die NS-Opfer auf dem Jüdischen Friedhof in Mülheim.
Auch der katholische Stadtdechant Michael Janßen (l.) und der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand verneigten sich am Montag am Mahnmal für die NS-Opfer auf dem Jüdischen Friedhof in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Durch die Terminierung der Feier auf einen Montagvormittag, 11 Uhr, konnten schulpflichtige Jugendliche nur mit offizieller Erlaubnis teilnehmen. Die junge Generation war zum einen vertreten durch Jugendliche von der Realschule Mellinghofer Straße, die sich durch ihre Stolperstein-AG seit Jahren um die Erinnerungskultur in Mülheim verdient macht.

Besucherin wischte sich Tränen aus dem Gesicht

Zum anderen hatten Zehntklässler der Willy-Brandt-Schule, im Rahmen des Wahlpflichtfaches „Darstellen und Gestalten“, eine Theaterperformance speziell zu diesem Anlass eingeübt. Als es anschließend gemeinschaftlich hinaus zum Mahnmal ging, wo drei frische Kränze im graukalten Nieselregen lagen, wischte sich eine Besucherin Tränen aus dem Gesicht.