Mülheim. Mülheims angeschlagene SPD setzt im OB-Wahlkampf ein Ausrufezeichen: Kandidatin Monika Griefahn dürfte auch Stammwähler der Grünen ansprechen.
Mülheims schwer angeschlagene SPD holt für den Kommunalwahlkampf zum Befreiungsschlag aus. Mit Monika Griefahn präsentiert die Partei eine OB-Kandidatin bundesweiter Prominenz – und eine gebürtige Mülheimerin, die mit ihrer Vita auch die Stammwählerschaft der Grünen ansprechen dürfte.
Am Dienstagabend gab der SPD-Parteivorstand sein einstimmiges Votum für eine Kandidatur Griefahns ab, im Anschluss informierte die Parteiführung die Vorsitzenden der Ortsvereine. Schon am Nachmittag soll es ein Treffen Griefahns auch mit der Spitze der SPD-Ratsfraktion gegeben haben.
SPD-Parteichef Bakum: Wir waren sofort auf einer Wellenlänge
Im Verborgenen hatte der neue, junge Parteivorsitzende Rodion Bakum den Kandidatinnen-Clou vorbereitet. Eingeweiht waren nur einige Wenige in der Partei, so dass es dem Vernehmen nach schon rumorte in jenem Lager der Partei, das dem neuen Parteichef infolge der parteiinternen Querelen um den Umgang mit OB Ulrich Scholten weiter mit Argwohn begegnet.
Bakum selbst sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er schon im Sommer, als er selbst noch Kandidat für den Parteivorsitz war, auf Griefahn als mögliche OB-Kandidatin gestoßen sei – überrascht davon, dass Griefahn gebürtig aus Mülheim stammt und ihre Abiturprüfung 1973 an der Luisenschule abgelegt hat. Mitte November sei er zu Griefahn nach Niedersachsen gefahren, „wir waren sofort auf einer Wellenlänge“, so Bakum.
Griefahns Zusage „ein Traum“ im Wettbewerb mit Schwarz-Grün
Griefahn habe schnell Interesse signalisiert, Mülheims SPD in schwerer Lage womöglich als Kandidatin zur Verfügung zu stehen. Bei zwei weiteren Treffen in Mülheim habe sich dies verfestigt, nach Weihnachten habe Griefahn schließlich zugesagt. „Ein Traum“, sagt Bakum, wohl kalkulierend, dass er mit Griefahn eine Kandidatin aus dem Hut zaubert, deren Vita dazu taugt, auch einen empfindlichen Nadelstich gegen die von CDU und Grünen gemeinsam ins Rennen geschickte Diane Jägers zu setzen.
Griefahn ist Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland, 1984 (bis 1990) war sie erste Frau im Vorstand von Greenpeace International. Gerhard Schröder berief Griefahn 1990 nach seinem Wahlsieg bei der Landtagswahl zur niedersächsischen Umweltministerin. Dieses Amt bekleidete sie acht Jahre lang. Seit 1986 ist die studierte Soziologin Mitglied der Jury bei der Right Livelihood Award Foundation, die den Alternativen Nobelpreis verleiht.
Mit ihrer dritten Kandidatur für den Bundestag scheiterte Griefahn 2009
Zwei Wahlperioden lang, von 2002 bis 2009, war Griefahn als direkt gewählte Kandidatin zweier niedersächsischer Wahlkreise Mitglied des Bundestages. Im September 2009 unterlag sie im erneuten Anlauf ihrem CDU-Gegenkandidaten und zog sich aus der politischen Öffentlichkeit weitgehend zurück.
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Umwelt und Nachhaltigkeit haben Griefahn indes weiter angetrieben. So war sie für die großen Kreuzfahrtunternehmen Aida und Costa tätig, um die Themen gerade in einer Branche voranzutreiben, die wegen ihrer schlechten Umweltbilanz nicht selten in der Kritik stand und steht. Aktiver Umweltschutz lässt sich mit der Wirtschaft vereinen, ist das Credo von Griefahn, die seit 2012 mit ihrem „Institut für Medien, Umwelt, Kultur“ genau dieses Feld beackert. Für ihr Wirken in der Kreuzfahrt-Branche im Sinne der Nachhaltigkeit wurde sie auch mit Preisen bedacht.
Bakum: Mit Griefahn den sozial-ökologischen Wandel Mülheims gestalten
Für SPD-Parteichef Bakum bringt Griefahn Top-Referenzen und „eine atemberaubende Vita“ mit, um einen sozial-ökologischen Wandel hin zu einer Stadt von morgen zu gestalten. Er verweist darauf, dass Griefahn seit Jahren aktiv den Lösungsansatz „Cradle to Cradle“ (von der Wiege bis zur Wiege) als möglichen Weg einer deutschen Nachhaltigkeitsstrategie propagiert. Im Kern geht es dabei darum, einen gemeinsamen Kreislauf für Umwelt und Wirtschaft zu entwickeln, der es ermöglicht, dass Produkte jeglicher Art so konzipiert sind, dass Abfall im besten Fall gänzlich vermieden wird.
„Der Umweltschutz und die Versöhnung mit der Wirtschaft sind das Lebensthema von Monika Griefahn“, sagt Bakum nicht ohne Seitenhieb, dass sich Mülheims Grüne in der Kandidaten-Frage womöglich zu früh ins Boot der CDU hätten ziehen lassen, ohne die erst am Anfang stehenden Gespräche mit der SPD ernsthaft fortzuführen. „Ein Glücksfall“ sei Griefahns Kandidatur für Mülheims SPD, ein Fingerzeig auch für die Genossen in anderen Revierstädten, dass der Kampfansage von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet, die Rathäuser im Ruhrgebiet zu erobern, etwas entgegenzusetzen sei.
SPD bietet auch den Grünen noch „Partnerschaft auf Augenhöhe“ an
Griefahn ist mit 65 Jahren allerdings schon in einem Alter, in dem anderer in Rente gehen. Bakum sieht darin kein Manko. Mülheim könne sich auf eine OB-Kandidatin freuen, „die voller Energie und Leidenschaft steckt“ und die es für sich als Herausforderung sehe, für die Stadt, in der sie aufgewachsen ist, ein Zukunftsmodell zu schaffen.
Die SPD strecke anderen politischen Kräften weiter die Hand aus für eine Partnerschaft auf Augenhöhe, betonen Bakum und SPD-Vize Christian Völlmecke. Das gelte etwa für die FDP, aber auch (noch) für die Grünen.