Mülheim. Hürde genommen: Drei Viertel der Grünen Basis unterstützen die OB-Kandidatur von CDU-Frau Diane Jägers in Mülheim. Starkes Votum der CDU: 97 %.

Diane Jägers konnte mit breitem Kreuz zur Kreisvertreterversammlung der Mülheimer CDU am Samstagnachmittag gehen. Die Basis der Mülheimer Grünen hatte kurz zuvor die CDU-Frau und aktuelle Leiterin der Gleichstellungsabteilung im NRW-Ministerium als gemeinsame Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt bestätigt. 75 Prozent der Grünen sprachen sich zur Versammlung der Mitglieder für die Gelsenkirchenerin aus.

Grüne demonstrieren mehrheitlich Schulterschluss mit der CDU

Jägers nahm die Wahl offiziell an. Der Schulterschluss zwischen Schwarz und Grün für die OB-Wahl – und damit wohl auch für die Kommunalwahl – scheint damit perfekt. Auch wenn Jägers sich selbst noch vorsichtig äußerte, ob ihre Partei nicht am Ende ein lokaler Junior-Partner der Grünen würde, die derzeit im Bund auf Höhenflug sind.

Jägers beklagte in ihrer Rede vor der Mitgliederversammlung der Grünen „Defizite“ in der Mülheimer Verwaltung. Diese aber hätten „nichts mit der Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu tun“, sondern lägen „ausdrücklich in der Spitze der Stadtverwaltung“, kanterte Jägers in Richtung des amtierenden OB Ulrich Scholten. Und sie versprach einen „Neuanfang“, wenn auch ohne dabei inhaltlich zu werden.

Jägers muss bei den Skeptikern kräftig werben

Über wichtige Themen habe sie sich im Vorfeld mit den Grünen in mehreren Vorstellungsrunden „ausgetauscht“. Jägers nannte beispielhaft ÖPNV, Wohnen, Sicherheit, Sport und Kultur. Die Themen sollten ökonomisch und ökologisch im Gleichgewicht angegangen werden, bot Jägers an – sofern die Politik der künftigen OB stabile Mehrheiten bereiten würde. Einigen Grünen schienen die schwammigen Äußerungen der Gelsenkirchenerin offenbar nicht auszureichen. Rund ein Viertel der 44 Stimmberechtigten lehnte die Kandidatin ab. Dazu gab es eine Enthaltung.

Jägers: „Mein Herz schlägt kommunal“

Diane Jägers ist seit Ende 2017 Leiterin der Gleichstellungsabteilung im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG).

Die 58-Jährige studierte Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft in Bochum. Arbeitete als Richterin in Düsseldorf und leitete die Justizakademie Recklinghausen. 2013 wurde sie Dezernentin für Recht und Ordnung in Dortmund und war als solche dort vier Jahre tätig.

Sie habe es sich gut überlegt, ob sie wieder zurück in die Kommunalpolitik gehe, sagte Jägers vor den Grünen. Auch in ihrem Umfeld sei bestätigt worden, „mein Herz schlägt kommunal“.

75 Prozent der Stimmen ist nicht wenig, aber auch kein vorbehaltloser Vertrauensvorschuss. Grünen-Sprecherin Kathrin Rose hatte bereits im Vorfeld angekündigt: „Ich gehe nicht davon aus, dass es ein einstimmiges Votum geben wird.“ Eine starke Persönlichkeit mit ähnlich profunden Verwaltungskenntnissen wie Jägers jedoch hatten die Grünen in den eigenen Reihen nicht gefunden. Grüne lokale Kandidatinnen hatten sich für den Job an der Spitze nicht beworben, weil das zeitintensive Amt nur schwer mit der Familie zu vereinen sei, heißt es aus den Mitgliederkreisen.

Jägers muss daher künftig kräftig bei den Skeptikern um Vertrauen werben. Und eine weitere Hürde liegt auf dem Weg zur Wahl: Die Kandidatin kennt Mülheim nicht, und die Mülheimer sie nicht – die Oberbürgermeisterin aber wird von den Bürgern gewählt. Jägers bringt also ein Risiko mit gegen einen möglichen starken Gegenkandidaten aus der Stadt. Die 58-Jährige schlug als Lösung gemeinsame Touren mit den Grünen zum Kennenlernen der Stadt und der Menschen vor. „Ich will Mülheim durch ihre Augen sehen“, sagte die OB-Kandidatin.

Schwarz-grüne OB-Kandidatin muss Mülheim erst kennen lernen

Für die CDU-Kreisverbandsvorsitzende Astrid Timmermann-Fechter muss das kein Nachteil sein, eher umgekehrt: „Wir haben uns bewusst für einen Neuanfang und eine Kandidatin von außen entschieden. Sie bringt einen neuen Blick auf die Stadt mit.“ Zudem werde Jägers bei ihrer Wahl nach Mülheim ziehen. Das sahen offenbar auch die Parteimitglieder so: 64 von 66 Stimmberechtigten kreuzten das „Ja“ an – äußerst komfortable 97 Prozent.

Wie der schwarz-grüne OB-Wahlkampf aussehen soll, wollen beide Seiten Anfang des Jahres mit gemeinsamen Leitlinien festlegen. Inwiefern sie sich, angesichts der Zweckehe, im parallel laufenden Kommunalwahlkampf voneinander abgrenzen können, um Ratsstimmen für die eigene Partei zu gewinnen, ist eine weitere Herausforderung. „Wir treten beide mit eigenen Wahlprogrammen an“, kündigen Astrid Timmermann-Fechter und Grünen-Sprecherin Kathrin Rose an.