Mülheim. Seit 40 Jahren führt Familie Pulic die Mülheimer Gaststätte „Zum schrägen Eck“. Eine ganz normale Kneipe, aber auch ein erstaunlicher Ort.
In der Gaststätte „Zum schrägen Eck“ steht ein runder Geburtstag an. Seit 40 Jahren wird das Lokal von Familie Pulic geführt, die aus Kroatien stammt. Während in der Kneipenszene generell Katerstimmung herrscht, schaut man hier in fröhliche Gesichter. Wie machen die das?
Vorweg: Eine Kneipe zu betreiben, ist ein harter Job. Das weiß Zarko Pulic (72), der die alteingesessene Pinte im Dichterviertel 1979 übernommen hat. Das weiß auch sein Sohn Tomislav (46), aber es hat ihn - gelernter Elektroinstallateur - nicht abgeschreckt, den Senior am Zapfhahn abzulösen. Vor zehn Jahren erfolgte der Generationswechsel im „Schrägen Eck“.
Am Wochenende wird gearbeitet, Montag ist Familientag
Auch Schwiegertochter Blazenka Pulic hilft mit, sie macht sauber, hält den Laden in Ordnung. Zwei Kinder hat das Paar, elf und acht Jahre alt, die sich daran gewöhnen mussten, dass das Wochenende für den Vater Arbeitszeit ist, der Montag dafür Ruhetag. Familientag. Anfangs öffnete „Zum schrägen Eck“ schon morgens um 10 Uhr. Gruppen hingen hier zum Frühschoppen ab, aber der lohnt sich längst nicht mehr. Mittlerweile geht es unter der Woche erst um 17 Uhr los.
Als junger Wirt schmiss Zarko erst mal die Jukebox raus
Gegenüber der Anfangszeit in den Siebziger-, Achtziger-Jahren habe sich der Kneipenbetrieb sehr verändert, berichtet Zarko Pulic, der Senior. Das gilt auch für die Gäste. Er selber als junger Wirt musste kräftig auf den Tisch hauen - Beispiel Musik: „Früher hatten wir hier eine Jukebox, da haben die Leute fünfzigmal am Tag ,Die kleine Kneipe’ von Peter Alexander gedrückt.“ Er ertrug es nicht länger. Er schmiss die Jukebox raus.
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Mittlerweile ist die musikalische Linie im „Schrägen Eck“ klar gezogen. Der aktuelle Wirt Tomislav Pulic fasst zusammen: „80er, 90er und Charts. Schlager nur zu Karneval.“ Diese bewährte Mischung stört keinen, damit können alle leben, die sich in der Eppinghofer Eckkneipe treffen. Drei Generationen haben hier ihr Stammlokal, die Jüngsten sind gerade volljährig, die Ältesten über 80.
Von Problemen anderer Kneipen bisher verschont geblieben
Der Laden läuft. Im Gegensatz zu vielen anderen Kneipen, nicht nur in Mülheim. Etliche haben in den vergangenen Jahren geschlossen oder kämpfen mit massiven Einbußen. „Früher gab es hier 35 Kneipen im Umkreis von 500 Metern“, erinnert sich der Senior-Wirt. Die meisten sind verschwunden, „Zum schrägen Eck“ hält sich gut. „Ich kann nicht feststellen, dass der Umsatz weniger wird“, sagt Tomislav Pulic. „Momentan müssen wir uns keine Sorgen machen.“ Dafür arbeitet er auch sechs Tage die Woche bis in die Nacht, gönnt sich nur selten Urlaub, denn der ist teuer, „bei einem Kostenapparat von monatlich 8000 Euro“.
Gäste holen sich ihre Getränke an der Theke selber
Als Gründe, warum es funktioniert, nennt er „die lange Tradition“ und die Tatsache, dass hier viele verschiedene Grüppchen ihre Treffpunkt haben: Fußballmannschaften, Skatrunden, dazu mehrere Dart-Teams, die im großen Saal trainieren und Wettkämpfe austragen. Pulic arbeitet mit relativ wenig Servicepersonal. „Die Gäste sind es gewohnt, zur Theke zu kommen und sich die Getränke selber zu holen. So kann ich vernünftige Preise anbieten.“
Die Speisekarte ist übersichtlich: Frikadelle, Gulaschsuppe. Klassisch. Der trendige Wunsch nach fleischloser Verpflegung ist hier bisher nicht laut geworden. Übrigens sei es kein Problem, sich Pizza zu bestellen, sagt der Chef.
Jeder kann Fußball gucken, der sich benehmen kann
Auch als Fußballkneipe ist das „Schräge Eck“ eine beliebte Adresse, und zwar für Fans verschiedenster Farben: „Bayern, Schalke, Dortmund und Gladbach sind hier vertreten“, zählt der Wirt auf. „Hier kann jeder gucken, der sich benehmen kann. Und das funktioniert. Wir haben wenig Palaver, wenig Probleme.“
Andernfalls macht er deutliche Ansagen, allerletztes Mittel ist der Platzverweis. Aber ehe Pulic die Rote Karte zieht, muss die rote Linie schon deutlich und mehrfach überschritten sein. „Ein Hausverbot kriegt man bei uns nicht so einfach“, sagt er. „Das muss man sich erarbeiten.“ Aber dann gilt es lebenslang. „Ich habe schon Hausverbote von meinem Vater geerbt.“
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Auch ein Prinzip hat er übernommen, das er jedem Wirt nur anraten kann: selber im eigenen Lokal keinen Alkohol zu trinken. Nie. „Keinen Absacker, kein Siegbier. Das ist eine der Sachen, die den Erfolg ausmachen. Ich habe immer einen klaren Kopf.“ Zu den langjährigen Stammgästen im „Schrägen Eck“ gehört auch der Mülheimer Regisseur Alexander Waldhelm, mit dem Nebeneffekt, dass die Kneipe schon zwei Mal als Drehort für seine Filme genutzt wurde.
Große Party mit Livemusik
Der runde Geburtstag wird am Samstag, 21. Dezember, ab
17 Uhr im „Schrägen Eck“ an der Klopstockstraße 25 in Eppinghofen gefeiert. Es gibt eine Party mit Livemusik vom Mülheimer Rockmusiker Frank Niedeggen und der Bigband Happy Sound Krefeld. Gäste aus vier Jahrzehnten werden an dem Abend erwartet.
Seit 1979 steht der alte Billardtisch in der Kneipe. Der damalige Wirt Zarko Pulic kaufte ihn, als er das Lokal übernahm. Das Haus und die Gaststätte gehörten früher der Inhaberfamilie der König-Brauerei.
„Zum schrägen Eck“ ist seit 1984 auch Trainings- und Heimspielstätte der Dart-Sportler des 1. DC Mülheim. Die 1. Mannschaft tritt in der höchsten NRW-Liga an.
Zudem gibt es ein E-Dart-Team , das Wettkämpfe bestreitet.
Tomislav Pulic spielte sich vor der Kamera selber - den Wirt. Dabei umfasst dieser Beruf viele verschiedene Rollen, wie er an langen Kneipenabenden oft erfahren hat: „Ich bin alles. Ersatzvater, Psychologe, Betreuer. Die Leute kommen mit allen möglichen Sorgen.“ So war das schon bei seinem Vater. So ist es im „Schrägen Eck“ seit 40 Jahren. So einen Ort muss man erst mal haben.