Mülheim. Neuntklässler des Karl-Ziegler-Gymnasiums haben Passanten zu ihrer eigenen Vergänglichkeit befragt. „Danke, wir sterben nicht!“ heißt das Projekt.

Zum Thema Sterben und Tod haben 21 Schüler der Jahrgangsstufe neun des Karl-Ziegler-Gymnasiums am Dienstag Mülheimer Passanten befragt. Die Umfrage ist Teil des Projektes „Danke, wir sterben nicht!“

Dieses wurde vom „Team Zirkel“ aus Münster, das sich auch durch sein Engagement in der Hospizarbeit einen Namen gemacht hat, ins Leben gerufen. Insgesamt 500 Schüler aus Mülheim, Essen, Oberhausen und Bottrop tragen mit unterschiedlichen Aktionen und Themen zum Projekt bei. Die Ergebnisse ihrer Recherchen werden in einem Buch zusammengetragen, das im nächsten Jahr veröffentlicht wird.

500 Jugendliche aus NRW beteiligen sich am Projekt

Hat der November für die Mülheimer eine besondere Bedeutung? Haben sie Angst vor dem Tod? Und wie beurteilen sie die Veränderungen in der Bestattungskultur? Mit diesen Fragen im Gepäck suchten die Schülerinnen Paula, Hanneke und Samantha nach Antworten und trafen bei der Umfrage auf Sandra Bauersachs. Die 48-jährige Broicherin ist Kinderkrankenschwester und arbeitet seit 25 Jahren auf einer Intensivstation für Frühchen und schwer kranke Kinder.

Paula und Tobias (beide 14) befragen die Kinderkrankenschwester Sandra Bauersachs (re.) zu ihrer Arbeit, bei der sie häufig mit dem Tod konfrontiert wird.
Paula und Tobias (beide 14) befragen die Kinderkrankenschwester Sandra Bauersachs (re.) zu ihrer Arbeit, bei der sie häufig mit dem Tod konfrontiert wird. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Zu ihrer Arbeit gehört auch der Tod. Der Tod von kleinen Kindern, die verzweifelte Eltern zurücklassen. „Angst vor dem Tod habe ich deshalb nicht, eben weil er ein großer Bestandteil meines Lebens ist“, erklärt die Kinderkrankenschwester den 14-jährigen Schülerinnen. Und fügt hinzu: „Sonst könnte ich meinen Job auch nicht gut machen.“ Auch zu der sich wandelnden Bestattungskultur hat die Broicherin eine klare Meinung. „Ich möchte durch ein Grab meinen Kindern und Enkeln keinen Ort aufzwingen, der verpflichtend ist, und um den sich meine Nachkommen ständig kümmern müssen.“ Sie bevorzuge deshalb alternative Bestattungsmöglichkeiten, wie etwa eine Seebestattung.

November ist für die Mülheimer ein normaler Monat

Dass die Schüler bei der Befragung auf ganz unterschiedliche Meinungen und Empfindungen treffen werden, war allen Beteiligten klar. So war der Münsteraner Projektleiter Gerd Felder ganz überrascht, dass in Mülheim die Mehrheit der Befragten sagten, der Monat November sei für sie ein ganz normaler Monat und stehe nicht im Zeichen von Trauer und Tod. „Da haben wir aus anderen Umfragen völlig andere Ergebnisse.“

Aber, so Felder, daran könne man gut sehen, wie komplex und individuell diese Thematik sei. Dass jeder ganz unterschiedlich mit der eigenen Vergänglichkeit und der seiner Liebsten umgeht. Auch das Alter der Befragten spiele bei solch einer Umfrage natürlich eine Rolle.

Den Tod ein bisschen verdrängen

Das bestätigte auch ein 90-jähriger Mülheimer, der den Schülern bei der Umfrage gerne Rede und Antwort stand. „Wenn man jung ist, dann hängt man natürlich am Leben. Aber im Alter, insbesondere wenn man schwer krank ist, ändert sich die Sichtweise auf den Tod.“ Der Senior hat schon viele Familienmitglieder und Freunde verloren. „Manchmal ist es in meinem Alter dann besser, das Thema ein bisschen zu verdrängen und die Zeit, die man noch hat, einfach zu genießen.“

Texte zu einem Tabuthema

Immer noch gehört der Tod zu den Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Viele Menschen scheuen die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit.

Das wollte der Theologe und Journalist Gerd Felder ändern und erarbeitet seit Jahren gemeinsam mit Schülern aus ganz NRW Themen rund um den Tod.

Die Texte, die durch das Projekt zusammenkommen, werden im nächsten Jahr durch die Stiftung Deutsche Bestattungskultur als Buch veröffentlicht.

Auch bei den Jugendlichen vom Karl-Ziegler-Gymnasium kam das Thema der Projektarbeit unterschiedlich an. Während die meisten zwar sehr offen reagiert haben, gab es auch einige, die aufgrund schlimmer Erfahrungen nicht so gut damit zurecht kämen, weiß Lehrerin Christina Grätz. Dennoch seien die Schüler sehr engagiert und würden sich durch ganz unterschiedliche Herangehensweisen der Thematik nähern.

In Reportagen, Porträts, Kurzgeschichten und mit Hilfe von Interviews befassten sich die Teenager mit Tabu-Themen wie Suizid oder Sterbehilfe. Aber auch mit Trauerarbeit, Sterbebegleitung oder Bestattungskultur setzen sich die Schüler auseinander und tragen so zu dem Buch „Danke, wir sterben nicht!“ bei.