Mülheim. Die AfD-Landtagsfraktion hat an Mülheimer Haushalte Flyer verschickt. Bürger haben sich wegen der Darstellung an den Staatsschutz gewendet.
In tausenden Mülheimer Haushalten sind am Donnerstag Flyer der AfD im Briefkasten gelandet: Die Landtagsfraktion lädt ein zum Bürgerdialog am 29. Oktober in der Stadthalle. Was einigen aufstößt, ist die Darstellung der „Messer-Bilanz NRW“ – mit vereinfachten Piktogrammen, darunter das eines dunkelhäutigen Jungens, der den Anteil der Ausländer an der NRW-Bevölkerung symbolisieren soll.
Der Staatsschutz war bereits am Vormittag über die Flyer von Mülheimer Bürgern informiert worden und hat die Inhalte geprüft. Eine Straftat liege aber nicht vor. Laut Mülheimer Polizei scheine dies der erste Flyer zu sein, Auftakt zum Wahlkampf für die Kommunalwahl im kommenden Jahr.
AfD zeigt mit Piktogrammen die Messer-Statistik
Auf der Vorderseite sind die Gäste des „AfD-Bürgerdialogs“ zu sehen: Landtagsabgeordneter Martin Vincentz, die stellvertretende Landtagsfraktionsvorsitzende Gabriele Walger-Demolsky sowie die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel.
Klappt man das Werbeblatt auf, zeigt die Innenseite die „Messer-Bilanz NRW“ in Piktogrammen: Ein Küchenmesser steht für die Anzahl der Messer-Straftaten in NRW bis Juni 2019 (3550), ein Diagramm für die Messer-Taten pro Tag (19), das dunkelhäutige Gesicht eines Jungen für den Bevölkerungsanteil Ausländer (12,8 Prozent) und ein rotes Ausrufezeichen für den Anteil ausländischer Täter (37 Prozent). Daneben der Satz: „Hinter diesen Zahlen verbirgt sich viel menschliches Leid – Leid, das es in diesem Ausmaß nicht so geben müsste!“ Quellen für diese Daten sind nicht angegeben, verantwortlich zeichnet der Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag, Michael M. Schwarzer.
AfD-Kreisvorsitzender von Wrese: „Wäre nicht meine Farbauswahl gewesen“
„Die Farbauswahl wäre nicht meine gewesen“, sagt der Mülheimer AfD-Kreisvorsitzender Alexander von Wrese zu dem Bild des dunkelhäutigen Kindes. „Das ist der Sache nicht dienlich.“ Er verweist aber darauf, dass die Gestaltung der Flyer in der Verantwortung der Landtagsfraktion liegt, und: „Das ist eine Hauswurfsendung, da gehört eine plakative Zuspitzung dazu.“
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Es gebe einen Anstieg von Gewalttaten in diesem Bereich und darauf wolle man hinweisen. „Es gibt eine gefühlte, subjektive Unsicherheit, die Mülheimer Bürger tagtäglich umtreibt.“ Ob die AfD diese Sorgen nicht aber zusätzlich schürt, wenn sie auf der Rückseite des Flyers von einem „öffentlichen Raum, der zum Angstraum wird“ schreibt und lediglich die Messer-Statistik darstellt, wenn doch in anderen Bereichen die Zahl der Straftaten kontinuierlich sinkt? „Der Flyer greift die Problematik auf und soll wachrütteln in zugespitzter Form.“
Innenminister Reul: 2883 Messer-Straftaten in NRW bis Juni 2019
Allerdings: Die Anzahl der Messer-Straftaten entspricht nicht der von NRW-Innenminister Herbert Reul Ende August präsentierten. Die Polizei hat in ersten Halbjahr 2019 zum ersten Mal die Straftaten mit Messern gezählt – vorher wurde dieser Bereich nicht in der Kriminalstatistik gesondert erfasst. Laut Reuls Präsentation waren es 2883 Straftaten in den ersten sechs Monaten, 3555 Opfer und bedrohte Menschen wurden registriert.
„Unsachliche Diskussion“
Alexander von Wrese wehrt sich gegen die Aussage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Stadthalle werde „Neonazis, Faschisten und Antidemokraten“ überlassen: „Das ist eine Bagatellisierung der Gräueltaten des Nationalsozialismus und ein inflationärer und unverzeihlicher Missbrauch.“
Er selbst habe jüdische Wurzeln und weist „diese Polemisierung“ zurück. „Es muss sachdienlich diskutiert werden und solche Aussagen verunsachlichen die Diskussion.“
Im Juli hatte die AfD-Landtagsfraktion eine Kleine Anfrage zu der Zahl der „Straftaten mit dem Tatmittel Stichwaffe“ gestellt. In seiner Antwort schreibt das Innenministerium von 3550 Fällen, die zur Polizeilichen Kriminalstatistik gemeldet wurden. Darin enthalten sind allerdings nicht nur Messer, sondern auch andere Stichwaffen. Außerdem sind dort auch die Messer-Delikte ohne Opfer enthalten, heißt zum Beispiel, wenn jemand mit einem unerlaubten Messer bei einer Kontrolle auffällt.