München/Mülheim. Hilfspfleger soll deutschlandweit Senioren Insulin verabreicht haben, darunter ist auch ein Fall aus Mülheim. Mehrere Opfer überlebten das nicht.

Es ist schon mehr als anderthalb Jahre her, dass Grzegorz Stanislaw W. aufflog. Nach dem Tod eines Seniors im bayrischen Ottobrunn. Bei der Obduktion des 87-Jährigen wurde unter anderem eine frische Einstichstelle bemerkt. W. wurde noch am selben Tag festgenommen, bei ihm stellte die Polizei Insulin, eine Spritze und Wertgegenstände des Seniors sicher. Seitdem sitzt der polnische Hilfspfleger in Untersuchungshaft. Im Zuge der Ermittlungen zeigte sich: Der Übergriff auf den Senior war nur die Spitze eines monströsen Eisbergs. An 69 Orten in ganz Deutschland war W., von Weilheim in Oberbayern bis nach Hamburg, eingesetzt. Unter den Patienten, denen er ohne medizinische Notwendigkeit Insulin verabreicht haben soll, ist auch ein Fall aus Mülheim.

Ende November beginnt nun vor dem Landgericht München I der Prozess gegen den polnischen Hilfspfleger. Dem Mann werden in sechs Fällen Mord, davon in einem Fall in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und in drei Fällen versuchter Mord vorgeworfen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Körperletzungen und Diebstähle angeklagt, weil W. seine Opfer nach der Verabreichung des Insulins bestohlen haben soll. Die Ankläger gehen davon aus, dass der Hilfspfleger seine Taten aus Habgier, Heimtücke und niedrigen Beweggründen begangen habe und sehen daher diese Mordmerkmale als erfüllt an. Einige Opfer überlebten die Abgabe wohl nur, weil sie noch rechtzeitig notärztlich behandelt wurden.

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Zunächst 39 Verhandlungstermine bis Ende Mai 2020

Die Anklage der Staatsanwaltschaft steht bereits seit Ende März. Es wird ein Mammutverfahren: Für den Prozess vor dem Landgericht sind zunächst 39 Hauptverhandlungstermine bis Ende Mai des nächsten Jahres angesetzt. Die 1. Strafkammer hat bereits weit über 100 Zeugen geladen. Mehrere Angehörige verfolgen das Verfahren als Nebenkläger. Bei einer Verurteilung droht W. eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Der Fall aus der Ruhrstadt hatte in Mülheim und Essen hohe Wellen geschlagen: Der 91-Jährige, den W. bereits im Mai 2017 kurzfristig gepflegt hatte, kam kurz darauf ins Krankenhaus, in dem er Wochen später starb und dann eingeäschert wurde. Eine Tochter zeigte den für diverse Dienste tätigen Pfleger an, aber da war dieser schon über alle Berge. Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte das Verfahren schließlich ein. Möglicherweise hatten sich die Ermittler zu wenig Mühe gegeben, den Fall aufzuarbeiten.

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Hilfspfleger hat die Abgabe des Insulins gestanden

Die Beamten stellten weder Zusammenhänge zu vergleichbaren Fällen her, noch versuchten sie herauszufinden, wo W. sich aufhielt. Hinzu kamen wohl weitere Versäumnisse. Der Essener Polizeipräsident hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Arbeit seiner Ermittler in einem Brandbrief scharf kritisiert. Strafrechtlich und auch disziplinarrechtlich hatten sich aber keine Anzeichen für Verstöße ergeben. Dies prüfte die Krefelder Staatsanwaltschaft aus Neutralitätsgründen auch für ihre verantwortliche Kollegin aus Duisburg, erkannte aber ebenfalls keinen Anfangsverdacht auf eine mögliche Straftat.

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Der Hilfspfleger hat die Abgabe des Hormons in zwölf Fällen, darunter auch in dem Mülheimer, in seinen Vernehmungen bei der Polizei gestanden, aber eine Tötungsabsicht bestritten. In seinem Heimatland hat er wegen Vermögensdelikten schon im Gefängnis gesessen.