Mülheim. Weil der Trinkwasserverbrauch im Lauf der Jahre gesunken ist, müssen Leitungen von Ablagerungen befreit werden. Unterwegs mit dem RWW-Spülwagen.

Parkt das Team ihren Spülwagen in der Nachbarschaft, so ist das keine Entlastung für Hausfrauen. Die Männer, die aussteigen, spülen kein Geschirr (vielleicht zu Hause), sondern sie reinigen die Trinkwasserleitungen.

In regelmäßigen Abständen sind die Fahrzeuge der RWW (Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft) in den Straßen Mülheims unterwegs, „um zu kontrollieren, ob die Leitungen in Ordnung sind und die hohe Qualität des Trinkwassers stimmt“, erklärt Denis Lehmann. Der Teamleiter der Spülabteilung bei der RWW und seine Kollegen kennen verschiedene Rohrtypen und wissen, was auf sie zufließen kann und worauf sie achten müssen. Gerade sind die in Raadt unterwegs und arbeiten sich durch das von Wasser durchflossene Netz. Auf der Windmühlenstraße haben wir sie getroffen.

Stetiger Durchfluss verhindert Ablagerungen

Das große Leitungsnetz der RWW verhält sich wie das kleine im Haus: Ständiger Durchfluss reinigt die Rohre. Fließt kein Wasser hindurch, weil die Eigentümer im Urlaub sind, kann sich Rost festsetzen. Das passiert auch in den RWW-Rohren, wenn das Wasser zu langsam durchläuft oder der Verbrauch sinkt – wie in der vergangenen Jahren.

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„Das ist aber kein Grund zur Sorge“, sagt Dominik May vom Spülwagen-Team. „Dafür sind wir über der Erde unterwegs und reinigen die Rohre. Auch Mieter oder Hauseigentümer sollten alle Wasserhähne regelmäßig aufdrehen. „Fließt häufig Wasser durch die Leitungen, kann sich darin nichts ablagern. Wird der Durchfluss länger unterbrochen, kann das Wasser zuerst etwas braungefärbt aussehen. Kurz danach ist es aber wieder klar“, beruhigt Jens Eichelbaum.

Ein zwei Meter langes Stück römische Wasserleitung steht seit zweieinhalb Monaten neben dem Aquarius-Wasserturm der RWW in Styrum. Ein Spezialtransporter lieferte das sechs Tonnen schwere Segment in Styrum an.
Ein zwei Meter langes Stück römische Wasserleitung steht seit zweieinhalb Monaten neben dem Aquarius-Wasserturm der RWW in Styrum. Ein Spezialtransporter lieferte das sechs Tonnen schwere Segment in Styrum an. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Von der Quelle bis zur Senke soll alles im Fluss bleiben“

So ähnlich wie Privatpersonen am Wasserhahn in Bad oder Küche arbeiten die Männer vom Spülwagen. Sie öffnen auf der Straße einen Metalldeckel und sperren einen Abschnitt der Wasserleitung. An den Hydranten, den im Notfall auch die Feuerwehr benutzt, schließen sie einen dicken Schlauch an, öffnen den Hahn – und schon schießt das Wasser in die Senke am Fahrbahnrand.

„Von der Quelle bis zur Senke soll alles im Fluss bleiben“, schildert Denis Lehmann das Spülen. Die ersten Liter zeigen eine erkennbare Färbung. Auch die Probe, die Jens Eichelbaum genommen hat, dokumentiert eine leichte Verunreinigung. „Das ändert sich aber bald wieder“, weiß Markus Walczak aus Erfahrung.

So lange spülen, bis der Reinheitswert stimmt

Das Wasser, das wenige Minuten später aus der Spülschlauch sprudelt, sieht bereits klar aus. Die zweite Probe, die Jens Eichelbaum an das mobile Labor gibt, ergibt aber noch keinen überzeugenden Wert. „Wir müssen noch ein Sechs-Minuten-Intervall durchspülen“, stellen die Männer klar. „Wir müssen die hohe Qualität des Mülheimer Trinkwassers an jeder Stelle des Netzes sichern“, betont Markus Walczak.

3000 Kilometer Leitungsnetz

Die ersten Trinkwasserleitungen bestanden aus bearbeiteten Steinen. Die Römer haben sie gebaut. Als Wasserleitungen unter die Erde kamen, waren es Rohre aus Gusseisen. Später gab es einfache Eisenrohre. Danach wurden sie zum Schutz vor Keimen von innen mit Zement ausgekleidet.

Eisen wurde durch Kupfer ersetzt. Kupferleitungen sind heute in vielen Häusern zu finden. Seit einigen Jahren bestehen dicke und dünne Trinkwasserleitungen aus Kunststoff. Alte Rohre werden abschnittweise auch mit Inlinern – ebenfalls eine Kunststoffmischung – ausgekleidet.

Das Trinkwasserleitungsnetz der RWW misst heute rund 3000 Kilometer. Die Rohre reichen von Wülfrath und Velbert über Kettwig, Ratingen, Mülheim mit Hauptverwaltung, Oberhausen, Bottrop, Gladbeck und Dorsten bis Velen und Weseke vor die niederländische Grenze.

Mehrere Spülwagen sind fast permanent im Einsatz. Das Mülheimer Netz misst 670 Kilometer, hat 6700 Schieber, 6200 Hydranten und 32.000 Hausanschlüsse.

Kurz vor Ende der zweiten Spülung nimmt Jens Eichelbaum die dritte Probe. „Alles klar“, ruft er. „Dann ist dieser Abschnitt bis zur Brunshofstraße jetzt sauber“, sagt Dominik May. Auf seinem Tablet-Computer ist dieser Leitungsabschnitt noch rot markiert. Bald nicht mehr. Nun nimmt sich das Spülteam das Reststück bis zu den letzten Häusern an der Brunshofstraße vor.

Datentechnik hilft bei der Orientierung

Datentechnik und Elektrik helfen den Männern bei der Orientierung. „Das komplette Leitungsnetz der RWW ist im Computer hinterlegt. „Die Änderungen pflegen wir permanent ein“, sagt Teamleiter Jens Lehmann. Dazu können die Männer mit GPS-Daten und einem Spezialprogramm in ihrem Mobiltelefon jeden Ort finden, wo sich ein Schieber oder ein Hydrant befindet.

„Manchmal sind die überteert oder zugewachsen. Auch die Schilder im roten Rahmen sind manchmal unleserlich, weil von Grünspan bedeckt“, erklärt Dominik May. „Ist ein Hydrant zugeparkt, schellen wir freundlich bei den Nachbarn und regeln die Sache.“

Mülheims Trinkwasser gehört zu den besten in Deutschland

Zu Beginn der Trinkwasserversorgung wurden die Leitungen nur nach einem Rohrbruch saubergespült. Ablagerungen gab es kaum, weil die Durchflussmenge größer war. Die Menschen verbrauchten mehr Trinkwasser. Die gusseisernen Rohre erfüllten ihren Zweck.

Das hat sich inzwischen geändert. Die Verbrauchsmengen sind gesunken. Das Wasser braucht heute etwas länger vom Wasserwerk bis zu den Verbrauchern als früher. „Das ändert aber nichts an der Qualität. Mülheim Trinkwasser gehört zu den besten in Deutschland. Es ist ein Lebensmittel“, betonen die Männer vom Spülwagen. Damit das so bleibt, sind sie im Einsatz.