Mülheim. Immer öfter schwänzen Mülheimer Schüler den Unterricht. Nach aktuellen Zahlen hat ein Drittel von ihnen unentschuldigte Fehlzeiten. Warum?

In Mülheimer Schulen häufen sich unentschuldigte Fehlzeiten. Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen hat schon mal eine Stunde geschwänzt - oder auch mehrere. Dieser Anteil ist deutlich gestiegen. Über die Gründe wird gerätselt.

Die Fehlzeiten der Fünft- bis Zehntklässler in Mülheim werden genau erfasst und regelmäßig veröffentlicht. Sie sind Bestandteil der Übergangsberichte des Bildungsbüros, da „hohe Fehlzeiten erfahrungsgemäß Auswirkungen auf Schulabschlüsse und Chancen am Ausbildungsmarkt haben“, wie es im gerade veröffentlichten Report 2019 heißt. Verglichen mit dem vorherigen Bericht von 2016 habe sich „die Problematik der Fehlzeiten deutlich verschärft“.

Problematik hat sich seit 2016 deutlich verschärft

So hat sich der Anteil der Schüler, die Unterricht ohne Entschuldigung versäumt haben, von etwa einem Fünftel auf ein Drittel erhöht. Besonders augenfällig ist der Anstieg an den Mülheimer Realschulen, um mehr als zehn Prozentpunkte auf 32,2 Prozent, sowie an der Hauptschule, um fast sieben Prozentpunkte auf 61,1 Prozent.

Eine leichte Steigerung verzeichnen aber auch die Mülheimer Gesamtschulen, auf nunmehr 27,2 Prozent.

Das Problem Schulschwänzen in Mülheim nimmt zu.
Das Problem Schulschwänzen in Mülheim nimmt zu. © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Lediglich an den Förderschulen hat sich die Bilanz deutlich verbessert. Zu den Mülheimer Gymnasien enthält der aktuelle Report keine Daten, da Schulschwänzen dort in der Vergangenheit eher ein marginales Problem war. „Künftig werden wir aber auch die Zahlen an den Gymnasien wieder erheben“, kündigt Brita Russack, Leiterin des Bildungsbüros, an.

Unentschuldigte Fehlstunden an den Gymnasien werden künftig wieder dokumentiert

Aber nicht alle Kinder und Jugendlichen, um die es hier geht, sind tatsächlich Schulschwänzer. In der Statistik werden zunächst sämtliche Fälle erfasst, von einer einzigen versäumten Stunde bis zur völligen Schulverweigerung. Ab etwa 30 Fehlstunden, einer ganzen Woche, schauen die Fachleute genauer hin, weil viel Lernstoff verpasst wird und ernste persönliche Probleme dahinter stehen können.

Zur Gruppe der „chronischen Schulschwänzer“ mit über 30 Fehlstunden gehört knapp ein Drittel der erfassten Schüler. Auch hier sieht das Bildungsbüro eine negative Entwicklung: um 14,6 Prozentpunkte an den Real- und 8,6 Prozentpunkte an den Gesamtschulen.

Anteil der chronischen Schulschwänzer ist gestiegen

Seit Jahren unverändert ist die Beobachtung, dass vor allem die Klassen sieben bis neun betroffen sind und die Disziplin zunimmt, wenn es auf den Abschluss zugeht. Auch sind unter denen, die viele Fehlstunden haben, deutlich mehr Jungen als Mädchen, deutlich mehr Schüler mit Migrationshintergrund als ohne.

Über verpasste Unterrichtsstunden ist in Mülheim zuletzt vorrangig mit Blick auf die „Fridays for Future“ diskutiert worden. Die Demos haben sicher nichts mit dem Anstieg der Fehlstunden zu tun, aber es gibt auch keine andere Erklärung, die sofort zur Hand ist. „Wir müssen mit den Schulen noch einmal ins Gespräch kommen“, sagt Brita Russack.

Auch mit der einzigen Hauptschule in Mülheim, der Schule am Hexbachtal, deren Leiterin Barbara Kromer

indes nicht den Eindruck hat, die Schulschwänzer seien in jüngster Zeit mehr und hartnäckiger geworden. Sie hadert eher mit dem vorgeschriebenen Verfahren, von Briefen nach Hause über Gespräche bis notfalls zum Bußgeldbescheid. „Das geht mir manchmal nicht schnell genug“, sagt die Schulleiterin, „zu viel Bürokratie.“

Die Schule am Hexbachtal gehört auch zu den insgesamt neun Mülheimer Schulen, die seit 2015 am überregionalen Modell „Apeiros“ beteiligt waren. Dabei werden Fehlzeiten per Computerprogramm erfasst, von Projektmitarbeitern ausgewertet, und bei Auffälligkeiten Elterngespräche geführt, unter Beteiligung der Schulsozialarbeiter. „Apeiros“ wurde beim Wuppertaler Jugendhilfe-Institut entwickelt und eine Zeit lang durch Stiftungsgelder finanziert.

Diese seien immer weniger geworden, so Brita Russack, „das Programm läuft 2020 in Mülheim aus“. Der Wegfall eines einzigen Projektes könne aber nicht der Grund für die gestiegenen Fehlstunden sein. „So einfach ist der Zusammenhang sicher nicht.“