Mülheim. . Haus & Grund Mülheim feiert sein 125-jähriges Bestehen. Der Verein will auf keinen Fall als Lobby für reiche Leute betrachtet werden.

Seit Kaisers Zeiten gibt es in Mülheim den Verein Haus & Grund. Offiziell wurde er am 26. Oktober 1894 in einer Gaststätte an der Löhstraße gegründet, ein vorgezogener Festakt zum 125-jährigen Jubiläum ist am 26. Juni in der Stadthalle angesetzt. Von aktuellen Problemlagen wollen sich die Hauseigentümer ihre Feierlaune nicht verderben lassen.

Auf der Agenda stehen beispielsweise die bundesweit schärfer werdende Debatte über zu hohe Mietpreise oder die sprunghafte Erhöhung der Grundsteuer speziell in Mülheim. Hierzu hat Haus & Grund als Interessenvertretung naturgemäß eine Position. Geschäftsführer Andreas Noje erklärt: „Wir haben im Vorfeld versucht, etwas zu bewegen, damit es nicht zu diesem Ratsbeschluss kommt. Im Nachhinein haben wir uns aber nicht mehr politisch geäußert und auch nicht an der Demo gegen die Grundsteuererhöhung beteiligt.“

Aktuell hat der Verein Haus & Grund knapp 4000 Mitglieder in der 172.000-Einwohner-Stadt Mülheim. Der Altersschnitt sei relativ hoch, die Gesamtzahl aber stabil, erklärt der erste Vorsitzende Thomas Michael Wessel: „Was wir durch Tod von Mitgliedern oder Verkauf von Immobilien verlieren, konnten wir in den letzten Jahren immer wieder neu gewinnen.“

In allen Postleitzahlbezirken vertreten

Der Verein repräsentiere auch keineswegs nur die Bewohner bestimmter Stadtteile, sondern sei in allen Mülheimer Postleitzahlbezirken fast gleichmäßig vertreten. Was Wessel gar nicht gerne hört, ist, „dass wir ein Interessenverband reicher Leute seien“. Die meisten Mitglieder wohnten in ihrer eigenen Immobilie, dass jemand mehrere Häuser besitzt, sei keinesfalls die Regel. Rund fünf Prozent der Mitglieder seien ausländischer Herkunft.

Obwohl Haus & Grund nicht als Reiche-Leute-Club betrachtet werden möchte, befindet er sich gleichwohl seit 1999 an

Geschäftsführer Andreas Noje (li.) und Vereinsvorsitzender Thomas Michael Wessel im Treppenhaus des Haus & Grund-Domizils.
Geschäftsführer Andreas Noje (li.) und Vereinsvorsitzender Thomas Michael Wessel im Treppenhaus des Haus & Grund-Domizils. © funke Foto Services | Martin Möller

einer gediegenen Adresse, in der schmuck restaurierten Villa an der Wilhelmstraße 22. Dort im Erdgeschoss sitzt die Haus & Grund GmbH, eine Tochterfirma, die kommerziell Immobilien verwaltet, aktuell rund 1700 Wohnungen. Die GmbH wurde 1969 gegründet, feiert also ebenfalls Jubiläum, das halbe Jahrhundert.

Konstituierende Sitzung in einer Kneipe

Die Vereinsgeschichte von Haus & Grund ist in einem Beitrag dokumentiert, den der Historiker und Journalist Thomas Emons für das Mülheimer Jahrbuch 2019 verfasst hat. Er ist dafür vorwiegend im Stadtarchiv fündig geworden. Danach fand die konstituierende Sitzung im Lokal des Gastwirtes Adolf Landwehr statt, einem von 40 Gründungsmitgliedern, darunter eine ganze Reihe von Handwerkern. Erster Vorsitzender war Johann Heinrich Hegels, der mit Kohlen und Baustoffen handelte. Schon vor 125 Jahren gehörte die Grundsteuer zu den Themen, mit denen der Hausbesitzerverein sich befasste, ebenso die Verschönerung der Stadt Mülheim sowie juristische und wirtschaftliche Beratung.

Während der NS-Zeit, das ergeben Emons’ Recherchen, galten für die Hauseigentümer staatlich gleich geschaltete Mietpreise, ab 1939 war ihnen auch in Mülheim untersagt, an jüdische Bürger zu vermieten. Hauseigentümer jüdischen Glaubens wurden enteignet, später interniert. Nach den Bombenangriffen in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges lag fast ein Drittel der Mülheimer Wohngebäude in Trümmern. In der Nachkriegszeit, so schreibt Emons, „waren die Haus- und Grundeigentümer Mülheims auch Motoren des durch deutsches Steuerzahlergeld und durch Mittel des amerikanischen Marshall-Plans ermöglichten Wiederaufbaubooms der 1950er Jahre.“

Viel Beratungsbedarf zum Thema Grundsteuer

Heute liegt der Schwerpunkt der Vereinsarbeit in der Rechtsberatung für die Mitglieder und Serviceleistungen, wie der Bereitstellung von Online-Formularen. Es gibt aktuelle Themen, zu denen Hauseigentümer besonders häufig in der Villa an

der Wilhelmstraße vorsprechen. Haus & Grund-Geschäftsführer Andreas Noje nennt Beispiele: „Ein wichtiger Bereich ist die Grundsteuer. Da gab und gibt es viel Beratungsbedarf.“ Viele Vermieter klagen auch über ausbleibende Mietzahlungen: „Ein großes Problem“, so Noje. „Wenn das Geld generell knapper wird, wird es hier schwieriger.“

Sponsor beim Mülheimer Fassadenwettbewerb

Stadtweit beteiligt sich Haus & Grund unter anderem als Sponsor am Mülheimer Fassadenwettbewerb, der im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindet. Auch die Wiederbelebung der Innenstadt treibt den Verein seit langem um. Gemeinsam mit dem Citymanagement und der Werbegemeinschaft Innenstadt möchte Haus & Grund den Wohnraum dort verschönern, mehr Menschen aus mittleren Einkommensklassen in der City als Mieter und Kunden gewinnen.