Mülheim. . Der Streit um die um 39 Prozent erhöhte Grundsteuer in Mülheim hat eine nächste Debatte erlebt. In einem Punkt gab der Kämmerer den Bürgern Recht
Gut 200 Bürger hätten Platz finden können bei der vom Stadtrat initiierten Einwohnerversammlung zum Ärger über die 39-prozentige Grundsteuer-Erhöhung, mehr als die Hälfte der Plätze blieb frei. Die Bürger allerdings, die am Dienstagabend gekommen waren, lasen der Stadtspitze und der Haushaltspolitik mitunter lautstark die Leviten.
In der Aula der Realschule Stadtmitte, so konnte man den Eindruck haben, saßen fast mehr Kommunalpolitiker und Vertreter der Stadtverwaltung als Bürger. Wer als Otto Normalbürger gekommen war, trug aber wohl meist jenen Schmerz mit sich, der in einer Frage zum Ausdruck kam: „Wie konnte es dazu kommen, dass das wohlhabende Mülheim so hoch verschuldet ist?“
Einige Bürger hatten den Etat studiert, oder Berichte der städtischen Beteiligungen. Nachdem schon gut eine der zweieinviertel Stunden vergangen war mit Wortbeiträgen von Politikern aller Couleur, von OB Ulrich Scholten und Kämmerer Frank Mendack, kam der erste Bürger zu Wort: Stefan Dahlke nahm Anstoß insbesondere an den exorbitanten Steigerungen bei den Personalkosten. Mülheim leiste es sich, ein Viertel seines Etats für Personal auszugeben.
In Werl seien es nur 13, in Essen gar auch nur 20 Prozent. Duisburg verausgabe für sein Verwaltungspersonal 800 Euro pro Einwohner, Mülheim 1100 Euro. „Ich bitte Sie eindringlich, die Personalaufwendungen runterzukriegen“, sieht Dahlke hier Sparpotenziale gar von jährlich gut 50 Millionen Euro.
Kämmerer Mendack widersprach nicht und ließ erstmals öffentlich verlautbaren, dass mit dem Präsidenten der Gemeindeprüfungsanstalt vereinbart sei, mit externem Sachverstand noch einmal die gesamte Verwaltung nach Einsparpotenzial zu durchleuchten. Denn, so Mendack im Einklang mit dem Bürger: „Wir sind im Vergleich ganz weit oben mit unseren Personalkosten.“
Auch der Verkauf von RWE-Aktien zur Tilgung zumindest eines Teils der mehr als 2 Milliarden Euro Schulden wurde wieder ins Spiel gebracht, er würde aktuell 100 Millionen Euro bringen. Für den Kämmerer derzeit keine Option, weil die Dividende mehr bringe, als Zinsen einzusparen seien. Außerdem, so Mendack, habe der Verkauf der RWW-Anteile 2002 gezeigt, dass der einmalige Verkauf des Tafelsilbers schnell verpuffe, wenn die Stadt nicht grundsätzlich ihre Ausgaben und Einnahmen in die Waage bringe.
Mehrere Bürger prangerten die Misswirtschaft vergangener Jahre an. Zinswetten, teure ÖPP-Finanzierungen, hohe Managergehälter (etwa für den zur Ruhrbahn gewechselten Ex-Kämmerer Uwe Bonan), die zuletzt aufgekommenen Meldungen, dass die Verwaltung mutmaßlich ungerechtfertigt hohe Geldsummen Trägern der freien Wohlfahrtspflege zukommen ließ. . .
„Die Grundeinstellung der Führungsriege ist falsch“, klagte ein Bürger. Sie sollte sich als Diener verstehen, präsentiere sich aber als „Verprasser“. Die Stadt möge nicht nur schauen, wie sie ihre Einnahmen erhöhen könne, der Kämmerer möge „akribisch mal die Ausgaben anschauen“, so ein anderer. Sven Weisenhaus von der Aufruhr-Initiative der Grundsteuer-Gegner forderte langjährige Ratspolitiker auf, „den Weg freizumachen für Leute, die bereit sind, unbequeme Entscheidungen zu treffen“.
„Wann wird Mülheim mal schuldenfrei sein“, wandte sich am Ende des Abends ein Bürger an den Kämmerer. „Wenn Sie mich jetzt fragen: frühestens in 100 Jahren“, machte Mendack klar, dass Mülheim noch einen langen, einen steinigen Weg vor sich haben dürfte.