Mülheim. Hunderte demonstrierten in Mülheim gegen die Sparpläne im Nahverkehr. Die Forderung: mehr als nur der Erhalt des jetzigen Verkehrsnetzes.

„Ohne den ÖPNV stirbt Mülheim“, ruft Rainer Sauer, Gewerkschaftssekretär für die Verkehrssparte bei Verdi, ins Mikrofon – die Menschen auf dem Rathausmarkt klatschen und pfeifen. 500 Demonstranten sind laut Polizeischätzung auf dem Platz zusammengekommen, um ihrem Unmut über die Sparpläne für den Mülheimer ÖPNV Ausdruck zu verleihen. Verdi hatte zu dem Protest aufgerufen – die Gewerkschaft hatte im Vorfeld mit 1000 Teilnehmern gerechnet.

Mittelpunkt des Geschehens: ein Kleintransporter, der als Bühne dient. Rundherum hat sich eine Menschenmenge gebildet: Fahrer der Ruhrbahn, Mitglieder von Verdi, Familien, Rentner und Studenten. Einige halten Transparente und Plakate in die Luft, ihre Forderungen sind klar: Einsparungen im ÖPNV kommen nicht infrage.

Sowohl Senioren als auch Jugendliche sind betroffen

„Ich wohne am Uhlenhorst und habe kein Auto“, berichtet die 85-jährige Angelika Hecht. Eine Durchsetzung der Sparpläne? „Schrecklich, unmöglich!“ Die Investition in eine teure Fahrkarte sähe sie bei einer tatsächlichen Kürzung für überflüssig.

Doch nicht nur Senioren sind von den geplanten Sparmaßnahmen betroffen – auch Jugendliche würden leiden. Vorsitzende des Jugendstadtrates Klara aus der Fünten, die vertretend für Schüler auf der Bühne spricht, sieht vor allem die Streichung der Linie 104 als problematisch: „Schüler aus Schönebeck und Holthausen hätten dann keine Verbindung zur Schule.“ Ähnlich sieht das Esra Leuschner, die direkt an der 104 wohnt und heute mit einem selbst gestalteten Banner vor Ort ist. Ohne die 104 wäre es für sie „unmöglich, von zu Hause wegzukommen“.

Fahrer gehen im Protestzug zum Historischen Rathaus

Viele Ruhrbahnmitarbeiter aus Essen waren zuvor mit Sonderbussen zu einer Betriebsversammlung gekommen, weil die Mülheimer Sparpläne auch ihre Arbeitsplätze bedrohen könnten. Von der Betriebsversammlung zogen die Gewerkschafter und Fahrer der Ruhrbahn in einem Protestzug von der Sporthalle an der Südstraße über Kaiser-, Leineweber- und Friedrich-Ebert-Straße vor das Historische Rathaus.

Nur eine kleine Gruppe zog von der Betriebsversammlung der Ruhrbahn zum Rathausplatz.
Nur eine kleine Gruppe zog von der Betriebsversammlung der Ruhrbahn zum Rathausplatz. © Funke Foto Services | Martin Möller

Dort angekommen, machten auch sie ihrem Ärger Luft – für sie müsste es in eine ganz andere Richtung gehen. Fahrmeister Caglayan Erdem kann die Pläne der Stadtverwaltung absolut nicht nachvollziehen. Statt ganze Linien zu streichen und Haltestellen nicht mehr anzufahren, fordert er einen Ausbau des ÖPNV. Dafür wäre zwar erstmal eine Investition nötig, doch die würde sich schnell wieder auszahlen, so Erdem. Bei einem optimierten Verkehrsnetz würden mehr Kunden nach Mülheim gelockt werden, „dadurch könnte man die sieben Millionen Euro Sparvorgabe einholen“.

Betriebsratsvorsitzender ist mit der Demonstration zufrieden

Den Sparplänen zufolge soll die Ruhrbahn fast 1,6 Millionen Kilometer weniger in der Stadt unterwegs sein. Das sind rund 30 Prozent weniger als aktuell. Dabei könne man laut Bürger Peter Heß „in Zeiten des Klimaschutzes über jeden Kilometer froh sein, den man nicht mit dem Auto fahren muss“.

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Zwei Stunden später – zum Ende der Demonstration ist Betriebsratsvorsitzender der Ruhrbahn, Ahmet Avsar, mit dem Verlauf des Tages zufrieden. Obwohl die Betriebsversammlung zunächst noch von der Ruhrbahn blockiert werden sollte, war die Demonstration in seinen Augen „richtig gelungen“.