Mülheim. Ruhrbahn und Stadt Mülheim haben ihre radikalen Sparpläne für ihr ÖPNV-Angebot auf den Tisch gelegt. Die 30-Prozent-Kürzung trifft alle Linien.
Der Politik im Stadtrat liegt seit Dienstag ein Papier zum radikalen Umbau des Mülheimer Nahverkehrs vor. Das Konzept soll taugen, den städtischen Zuschussbedarf bis zum Jahr 2023 um 7 Millionen Euro pro Jahr zu reduzieren. Ganze Linien sollen verschwinden, der Takt soll ausgedünnt werden. Überraschendes ist für die Stadtbahnlinie U18 vorgesehen.
Bekanntlich hatte der Stadtrat im vergangenen Dezember mit Stimmen von SPD, CDU und Grünen das Einsparziel in seinen Haushaltsbeschluss gepackt. Samt Auftrag an die Verwaltung, mit der Ruhrbahn ein komplett überarbeitetes Bus- und Bahnnetz zu entwerfen, das im Ergebnis jährlich 7 Millionen Euro einsparen hilft.
Ruhrbahn soll im Jahr fast 1,6 Millionen Kilometer weniger fahren
Schon früh war hinter verschlossenen Türen die Rede davon, dass dafür ein radikaler Einschnitt im Angebot nötig sein würde. So ist es nun auch im Konzept zum „Netz 23“ nachzulesen. Fast 1,6 Millionen Kilometer weniger soll die Ruhrbahn in der Stadt unterwegs sein. Das sind rund 30 Prozent weniger als aktuell.
Insbesondere schlagen Stadtverwaltung und Ruhrbahn kräftige Einschnitte im Schienenverkehr vor. Zuletzt war schon durchgesickert, dass die komplette Straßenbahnlinie 104 aufgegeben werden soll - nicht nur der südliche Ast am Kahlenberg, sondern auch die Strecke von der Stadtmitte über die Aktienstraße zum „Abzweig Essen“. Auch sind die Pläne bereits bekannt, die Linie 102 künftig nicht mehr zum Uhlenhorst rollen zu lassen, sondern nur mehr bis zum Broicher Friedhof.
Straßenbahnlinie 901 soll nicht mehr auf Mülheimer Stadtgebiet fahren
Bisher unbekannt war: Auch der Betrieb der Linie 901 soll zwischen Stadtgrenze Duisburg und Mülheims Hauptbahnhof eingestellt werden. Als Ersatz für den Nordast der 104 und die 901 soll künftig im 15-Minuten-Takt eine Metrobuslinie vom Duisburger Zoo über die Duisburger Straße, den Hauptbahnhof und weiter über die Aktienstraße Richtung Essen fahren. Auch bei der Straßenbahnlinie 112 (Oberhausen Neumarkt – MH-Hauptfriedhof) soll die Fahrstrecke eingekürzt werden, künftiger Endhalt soll entweder der Oppspring oder die Tilsiter Straße in Holthausen sein. Wer zum Hauptfriedhof will, müsste dann für den Rest des Weges in einen Bus umsteigen.
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Neben einer Taktausdünnung sollen die verbleibenden Straßen- und Stadtbahnen auch weniger Haltestellen anfahren, damit im Ergebnis Kurse eingespart werden und, so zumindest die Vorstellung, die dadurch beschleunigten Linien für Fahrgäste attraktiver werden. Im Einzelnen sind dies die Haltestellen Schloß Broich, Buchenberg, Bessemerstraße (alle Linie 102) sowie Weißenburger Straße, Rathausmarkt, Sandstraße, Bahnhof Mülheim-West und Dümptener Straße (Linie 112).
Prüfauftrag vorgesehen: Kann die U18 bis zur Hochschule verlängert werden?
Knackpunkt, auch wegen der daran gebundenen Fördermittel, ist der Ruhrtunnel. Wenn die Linie 901 nicht mehr verkehrt, würde das auch im Unterhalt teure Bauwerk nur noch von der Straßenbahn 102 genutzt. Im Entwurf für den neuen Nahverkehrsplan ist nun der Prüfauftrag formuliert, eine Verlängerung der U18 zwischen Hauptbahnhof und Hochschule Ruhr West in den Blick zu nehmen.
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Aufbauend auf das verbleibende Schienen-Angebot hat die Ruhrbahn ein neues Busnetz entworfen. Neben der erwähnten Metrobuslinie soll es nur noch fünf weitere reguläre Linien geben: die Linie 129 zwischen Ruhrpark (Oberhausen) und Heißen Kirche, die Linie 133 zwischen Saarner Kuppe und Hauptbahnhof, die Linie 752 zwischen Düsseldorf beziehungsweise Flurstraße (Ratingen) und Saalestraße (Hafen), die Linie 124 zwischen Hauptbahnhof und Wehrstraße (Oberhausen) sowie die Linie 130 mit dem Streckenverlauf Hauptbahnhof, Flughafen, Felackerstraße und Heißen Kirche.
15-Minuten-Takt nur noch auf drei Buslinien
Während für die Linien 129, 130 und 752 zu Hauptverkehrszeiten noch ein 15-Minuten-Takt vorgesehen ist, sollen die Linien 124 und 130 zwischen 4.30 und 13 Uhr grundsätzlich im 30-Minuten-Takt unterwegs sein. Taktausdünnungen auf den fünf Linien sollen zum Teil durch Einsatzwagen für den Schülerverkehr kompensiert werden.
Und schließlich hat die Ruhrbahn noch Bus- als Bedarfslinien konzipiert, um einwohnerschwache Stadtteile anzubinden, ebenfalls mit Ergänzung durch Schülerbusse. Diese Linien sollen zunächst bei ausgedünntem Takt mit kleineren Fahrzeugen bedient werden und möglichst eine Haltestelle von U- oder Straßenbahn ansteuern. Für die Zukunft denkt die Ruhrbahn auf diesen Linien gar an ein „On-Demand-Verkehr“ – also an Busse, die nur fahren, wenn ein Fahrgast sie anfordert.
Angebot für kleine Stadtteile wird noch mehr ausgedünnt
Vier solcher Linien sieht das Konzept vor: So soll die Buslinie 151 ersetzt werden durch eine Linie, die nur mehr zwischen Ickten und Straßenbahnhaltestelle Tilsiter Straße oder Oppspring verkehrt (mit Bogen auch über Menden). Eine andere dieser „Bedarfslinien“ verbindet Mintard mit Saarn (Friedrich-Freye-Straße), wo ein Busumstieg Richtung Innenstadt nötig ist.
Auch ist eine solche Linie zwischen Broicher Waldweg mit Fahrt durch Speldorf Süd, Stadtteilzentrum Speldorf und Raffelberg zur Friesenstraße in Styrum angedacht. Die vierte Linie soll die Strecke Boverstraße (Winkhausen) bis Heißen Kirche abdecken, mit Fahrt durchs Winkhauser und Rumbachtal). Die Bedarfslinien sollen in Hauptverkehrszeiten nur alle 60 Minuten, ansonsten im Zwei-Stunden-Rhythmus fahren.
Ruhrbahn rechnet mit einem Einnahmeverlust von „nur“ 1 Million Euro
Alles in allem kalkulieren Ruhrbahn und Stadtverwaltung mit 8,2 Millionen Euro weniger Kosten im Jahr, gegenzurechnen wären Erlösverluste, weil Fahrgäste ausbleiben. Hier rechnen die Macher des Konzeptes trotz 30-Prozent-Kürzung nur mit einer Millionen Euro weniger Ticketeinnahmen.
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Die Aufgabe von Strecken und Haltestellen lässt sicher auch die Frage akuter denn je werden, in welcher Höhe die Stadt Fördermittel zurückzuzahlen hat. Das dürfte Verhandlungssache werden. Die Verkehrsaufsicht der Bezirksregierung hatte sich bis zuletzt sperrig in dieser Frage gezeigt.
Ob die Stadt Mülheim mit ihrem neuen Konzept bei der Aufsicht punkten kann? Eine alte Forderung der Bezirksregierung erfüllt das „Netz 23“ jedenfalls: Künftig fahren über die Schloßbrücke nur noch zwei statt sechs Buslinien. Die Bezirksregierung hatte insbesondere an dieser Stelle die Parallelverkehre zwischen unterirdischen Bahnen und Bussen auf der Brücke kritisiert.