Mülheim. . An Oberhausener Straße in Mülheim herrschte am Karfreitag großer Aufruhr. Die Ecke ist als Treffpunkt bekannt. Ist sie auch ein Brennpunkt?
Vor den blassblauen Wohnblocks an der Oberhausener Straße, Ecke Feldstraße, in Styrum ging es am Karfreitag rund. Ein abendlicher Polizeieinsatz brachte die ganze Ecke in Aufruhr. Noch rund eine Woche später ist die Aufregung spürbar. Zentraler Treffpunkt: der Kiosk, die Parkboxen und der breite Gehweg davor.
Wer hier Augenzeugen des Tumultes am Karfreitag sucht, muss sich nur umschauen. Ein Mann, nach eigenen Angaben 38 Jahre alt und siebenfacher Vater, echauffiert sich: „Was hier vorgefallen ist, hat mit einem normalen Polizeieinsatz nichts mehr zu tun!“ Er möchte sich nur anonym äußern, gibt aber bereitwillig und in tadellosem Deutsch Auskunft.
Verblasste Striemen an großflächig tätowierten Armen
Der Mann bezeichnet sich als Roma, er sei als Jugendlicher aus Serbien nach Deutschland gekommen. Am 19. April gehörte er zu den acht aufgebrachten Männern, die von Polizeibeamten festgesetzt wurden, die Handgelenke eng mit Kabelbinder gefesselt – er zeigt verblasste Striemen an seinen großflächig tätowierten Armen. Er behauptet: „Die Polizei hat uns lange auf dem Boden sitzen lassen. Wie Müll.“ Und dies nur, weil er per Handy gefilmt habe, wie Schlagstöcke gezogen wurden. Dass die Stöcke benutzt wurden, sagt indes niemand.
Sein Handy ist der Mann jetzt los, wie andere Beteiligte auch, er schimpft: „Sie haben es uns absichtlich weggenommen, damit wir keine Beweise mehr haben.“ Er wohne mit seiner Familie auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ab dem Nachmittag kommen regelmäßig viele Leute an dieser Ecke zusammen, nicht nur Roma, sagt der Mann. „Wohin soll man hier auch sonst gehen?“
„90 Prozent sind arbeitslos“
Frauen, oft mit mehreren Kindern, sind unterwegs, auch am Karfreitag hätten zunächst vor allem Kinder und Frauen dem Polizeieinsatz zugeschaut. Nach dem Motto: Endlich passiert mal etwas Spannendes. Er und andere Männer seien hinzugekommen, als die Stimmen lauter wurden.
Die meisten Leute hier sind nicht nur am Feiertag zu Hause beziehungsweise vor der Tür, sondern eigentlich immer. „90 Prozent sind arbeitslos“, so beschreibt der Mann seinen Bekanntenkreis. So herrscht auch an einem ganz normalen Vormittag am Kiosk reger Betrieb. Im Verkaufsraum vertreiben sich einige Männer die Zeit.
Manche Styrumer machen einen Bogen um die Ecke
In der Pizzeria nebenan trinken zwei Freunde Bier, offenkundig nicht ihr erstes an diesem Morgen. Einer der beiden berichtet, er sei jetzt 57 Jahre alt, in Styrum aufgewachsen. Zur allgemeinen Stimmung an der Ecke meint er: „Es gibt öfter mal Palaver.“ Nicht dass man sich gleich prügelt, „aber hier herrscht ein rauer Ton.“
Vielleicht ist das der Grund, warum manche Styrumer lieber einen Bogen um diese Straßenecke machen. Pfarrer Michael Manz, seit gut fünf Jahren Seelsorger in der Lukaskirchengemeinde, hat das von einigen Alteingesessenen vernommen: „Dort ist ein typischer Versammlungsplatz von Menschen, die da wohnen“, sagt er. „Manche ältere Leute finden es nicht so angenehm, da vorbeizugehen.“
Leiter der Feldmann-Stiftung: Keine ernsthaften Konflikte
Bei schönem Wetter halten sich die Großfamilien auch gerne im nahe gelegenen Feldmannpark auf. „Sie sind schon oft in den Park gekommen, teilweise im Pulk von 40, 50 Leuten“, berichtet Max Schürmann, langjähriger Leiter der Feldmann-Stiftung. Er habe die Erwachsenen und Kinder häufiger „auf bestimmte Verhaltensweisen hinweisen“ müssen, „etwa, dass man Abfall nicht einfach wegwirft“. Ernsthafte Konflikte in dieser Ecke von Styrum seien ihm aber „völlig unbekannt“.
Die blassblauen Häuser, offzielle Adresse: Feldstraße 3 und 5, gehören der Mülheimer Wohnungsgesellschaft SWB. Insgesamt 72 Wohnungen gibt es dort, alle sind belegt, erklärt SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp, mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Nationen, darunter auch chinesische Studenten, Roma lebten dort nicht. „Es gibt in diesem Haus keine besonderen Auffälligkeiten“, erklärt Timmerkamp. Sein erster Gedanke, als er die Fotos vom Polizeieinsatz gesehen habe: „Warum musste das ausgerechnet vor unserem Haus passieren?“
Zeugen üben massive Kritik an der Vorgehensweise der Polizei beim Großeinsatz in Styrum. Den Bericht lesen Sie hier.
>> STADTTEIL-PROJEKTE VOR ORT
Die ehemalige Spielhalle an der Oberhausener Straße 192 wurde umfunktioniert zu einer
„Talentwerkstatt“ des CBE.
In ihr setzen Ehrenamtliche gemeinsam mit Bewohnern des Stadtteils, auch Geflüchteten, verschiedene Projekte um.
Dort gibt es auch eine gut besuchte Fahrradwerkstatt, geöffnet jeweils dienstags von 14 bis 16 Uhr, donnerstags von 15 bis 17 Uhr und am ersten Samstag im Monat von 10 bis 12 Uhr.