mülheim. . Das Image von Styrum ist geprägt von sozialen Problemen. Dabei bietet der Ortsteil eine Reihe von Qualitäten, die es anderswo so nicht gibt.

Die Geschichte über den Stadtteil Styrum könnte man so oder ähnlich erzählen: dichte Bebauung, einkesselt zwischen Eisenbahnlinien und Autobahn, hohe Arbeitslosigkeit, viele Migranten, wenig Wohnraum pro Einwohner und reichlich Verkehrsbelastungen. Doch es gibt viele Menschen in Styrum, die wie Manfred Bogen auch sagen: „Der Stadtteil ist weitaus besser als sein Ruf.“

Manfred Bogen muss es wissen. Er wurde dort geboren, wo heute die Rohrpresse von Europipe steht. Er ging in Styrum zur Schule, machte mit 14 Jahren eine Schweißer-Lehre und arbeitete 51 Jahre in der Styrumer Stahlbranche. „Sechs Jahre haben wir mal woanders gewohnt, in Dümpten und in Saarn, und sind dann wieder zurückgekehrt.“ Wie kannst nur nach Styrum ziehen, hätten manche gelästert, und Bogen sagt: „Ich würde gerne einigen mal die Augen verbinden, sie in die schönen Ecken von Styrum bringen, dort die Binde öffnen und fragen: Wo seid Ihr?“ Styrum habe klasse Ecken. Viel sei in das Wohnumfeld investiert worden.

Feldmann-Stiftung, Gesamtschule, Naturbad

Die Feldmann-Stiftung, die Gesamtschule, das Naturbad, demnächst der Sportpark – Bogen sieht viel Positives und verschweigt Belastungen nicht: Die Teilung durch Bahn und Autobahn sei nicht gerade schön, und die zusätzlichen Verkehrsströme im Stadtteil seit der Sanierung der Thyssenbrücke empfänden viele als sehr störend. Bogen bedauert auch, dass es jenseits der Hauskampstraße bis zum Stadion keine Hausarztpraxis mehr gebe.

Aber die Styrumer seien auch ein Menschenschlag, die Probleme nicht ewig beklagten, sondern dagegen etwas täten. So fährt seit 2012 ein Bürgerbus dahin, wo der klassische ÖPNV wegblieb.

Pfarrer Michael Manz von der Lukaskirchengemeinde arbeitet erst seit ein paar Jahren in der Gemeinde und hat schnell die Erfahrung gemacht: „Styrum ist längst nicht so schlimm wie sein Ruf als sozial benachteiligter Stadtteil. Die Menschen zeigen hier einen unwahrscheinlichen Zusammenhalt, das kenne ich woanders nicht in dem Maß.“ Viele engagierten sich für jene, denen es nicht so gut gehe, berichtet Manz, der selbst so etwas wie eine Außenstelle der Mülheimer Tafel betreibt.

Viel in den vergangenen zehn Jahren investiert

Styrum ist weit mehr als ein Stück Mülheim, das von Eisenbahnlinien und Autobahn durchschnitten ist und wo die Industrie noch den Ton angibt. Der Styrumer auf der Straße listet als Anziehungspunkte das Wassermuseum Aquarius auf, das Schloß Styrum, das über die Stadtgrenzen hinaus beliebte Naturbad, die weiten Ruhrwiesen, er verweist auf das Reggae-Festival, das in seiner Art einzigartig ist, und es gibt wieder ein intaktes Ruhrstadion, wenn auch die Top-Mannschaft dort noch fehlt.

Der Sozial- und Bildungsdezernent Ulrich Ernst listete kürzlich einmal auf, wie viel in den vergangenen zehn Jahren in Styrum investiert worden ist: Allein 20 Millionen Euro wurden in die Gesamtschule gesteckt, mit weiteren 20 Millionen werden die beiden Grundschulen erneuert und gefördert. Aldi-Süd hat vor Ort eine Kita mit Familienzentrum geschaffen, die bundesweit ihresgleichen sucht. „Burgmäuse“ nennt sich das Objekt und ist Lern- und Spielort für 94 Kinder. Es folgt in den nächsten drei Jahren der Styrumer Sportpark.

Stadtteil strahlt eine gewisse Internationalität aus

Für Kurt Hügen, ein Styrumer Original, strahlt der Stadtteil seit je auch eine gewisse Internationalität aus. Er ist inzwischen über 80 Jahre alt, lebte immer in Styrum, hat einen Obst- und Gemüsehandel betrieben, auch mal ein Blumengeschäft und über 20 Jahre eine Gaststätte am Sültenfuß. Er und seine Frau kennen und schätzen jede Menge Styrumer. „Der Styrumer hat immer viel gearbeitet“, sagt Hügen und verweist auf die großen Industrien nebenan: Mannesmann und die Hütte. Wer dort Arbeit hatte, sei oft auch ein wenig stolz darauf gewesen. Das Vereinsleben sei intakt, die Kirchen engagierten sich für die Menschen. Und der Styrumer Geschichtskreis, so Hügen, halte Erinnerungen wach. „Ich wollte hier nie weg.“

>>> IM JAHR 1904 EINGEMEINDET

1904 wurde Styrum eingemeindet. Das Schloss war Wiege der Herrschaft Styrum.

Anfang des 19. Jahrhunderts bewohnten knapp 600 Menschen Styrum. In Zeiten, als Mannesmann noch 13.000 und die Hütte 8.000 Beschäftigte zählte, lebten in Styrum über 20.000 Einwohner.