Mülheim. . Über 100 Unternehmer fragten 2018 bei der Mülheimer Wirtschaftsförderung nach Gewerbeflächen nach. Doch viele mussten abgewiesen werden.
Die jüngsten Zahlen der Wirtschaftsförderung offenbaren erneut ein großes Problem in der Stadt: Der konjunkturelle Nachfrageboom, von dem so viele Städte derzeit profitierten, gehe an Mülheim vorbei, bedauert der Chef der Wirtschaftsförderung, Jürgen Schnitzmeier. Über 100 Investoren und Unternehmen fragten im vergangenen Jahr bei der Wirtschaftsförderung nach unbebauten Gewerbeflächen, die zusammen so groß sind wie das 142 Hektar große Gelände des Flughafens Essen/Mülheim. Die meisten gingen leer aus. Schnitzmeier bezeichnet die Lage als dramatisch.
Der Wirtschaftsförderer warnt seit Jahren, dass der Bestand an Unternehmen gefährdet sei, wenn den Betrieben keine Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden. Aufgrund der seit Jahren anhaltenden Flächenknappheit konnten im vergangenen Jahr nur elf Abschlüsse mit zusammen 5,4 Hektar an private Grundstückseigentümer vermittelt werden, das ist noch einmal weniger als im Jahr zuvor. 86 Prozent aller Anfragen nach Gewerbeflächen mussten abschlägig beschieden werden. „Wir lassen immer mehr Federn und können uns nicht mehr auf den Lorbeeren von einst ausruhen“, sagt Paul-Richard Gromnitza von der Wirtschaftsförderung, die dringend darauf wartet und hofft, dass die Politik deutlich mehr Flächen zur Verfügung stellt.
Anfragen für zusammengenommen 142 Hektar
Den 106 Anfragen nach unbebauten Gewerbeflächen mit 142 Hektar Umfang stehen derzeit nur noch eine private Flächenreserve von acht Hektar gegenüber und zwei kleine städtische Flächen von 0,7 Hektar. Die Rechnung für die Stadt Mülheim ist einfach: Keine neuen Unternehmen bedeutet keine neuen Arbeitsplätze, keine weiteren Steuereinnahmen.
Im vergangenen Jahr hatte sich der Stadtrat auf Initiative des Kämmerers durchgerungen, sieben Flächen als mögliche Ansiedlungsgebiete prüfen zu lassen. Das brächte 25,4 Hektar zusätzlich, doch das würde sich erst in ein paar Jahren auswirken. Die Wirtschaftsförderer versuchen zudem, bei privaten Eigentümern noch Potenziale aufzuspüren. Unterm Strich ist Schnitzmeier jedoch sehr besorgt: „Das reicht alles in Summe nicht aus: Zur Sicherung des Unternehmensbestandes und Verbesserung der Gewerbesteuer-Einnahmen in unserer Stadt muss dringend trotz aktueller Haushaltslage in Flächenmobilisierung investiert werden.“ Höhere Einnahmen und Einkommen durch neue Arbeitsplätze bildeten letztendlich die Grundlagen für gute Schulen, Kindergärten, Straßen und gepflegte Grünflächen, kurzum den Wohlstand und die Lebensqualität in einer Stadt.
Besser ist die Lage auf dem Büromarkt
Vor allem kleine und mittelständische Betriebe aus der Region fragten in Mülheim nach, sie suchten oft eine Kombination aus Fläche, Halle und Büro mit Größen zwischen 1000 und 2000 Quadratmetern. Gerade auch diese Betriebe seien für die Mülheimer Wirtschaft wichtig, betont Projektleiter Jan Trimborn. Aus seiner Sicht geht es nicht nur darum, weitere Ansiedlungsmöglichkeiten zu schaffen, sondern auch Hindernisse abzubauen. So gibt es zum Beispiel im Büro- und Gewerbepark am Flughafen bestimmte Restriktionen, was Ansiedlungen angeht.
Besser sieht die Lage auf dem Büromarkt aus. Tendenziell steige die Nachfrage. „Die Bürostandorte in Düsseldorf, Duisburg und Essen werden knapp, da weichen viele aus, eben auch nach Mülheim“, sagt Gromnitza. Er weist auch darauf hin, dass die Wirtschaftsförderung mit dem Co-Working Space Work-Inn und dem Einzelhandelslabor Pop Up Shop Möglichkeiten geschaffen habe, neue Geschäftskonzepte zu testen. Dahinter steckt die Hoffnung, dass es bei Erfolg zu weiteren Ansiedlungen in der Innenstadt kommt.
>> 12,6 PROZENT LEERSTAND IN DER INNENSTADT
Die Nachfrage nach Ladenlokalen in der Innenstadt ist gleichbleibend. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte mit gehobenem Sortiment ist gegenüber 2017 deutlich gesunken, dafür gab es Zuwächse im mittleren- und Niedrigpreissegment. Das Hauptproblem sieht die Wirtschaftsförderung in der sinkenden Nachfrage beim stationären Handel, bei gleichzeitig zunehmendem Online-Handel.
Damit wird auch die hohe Leerstandsquote erklärt. Sie beträgt derzeit 12,6 Prozent. Die Wirtschaftsförderer erhoffen sich Auftrieb durch das neue Schloßstraßen-Quartier und von „The O“, dem ehemaligen Woolworth-Gebäude.