Mülheim. . Vertreter von SPD, CDU und Grünen stellen sich im Medienhaus der Kritik an ihrer Haushaltspolitik. Vielen Bürgern ist Mülheim zu teuer geworden.

„Die Stadt ist für viele Bürger einfach zu teuer geworden, es gibt bessere Städte zum Leben“, sagt eine aufgebrachte Bürgerin am Ende einer langen Diskussion über Schulden, Steuererhöhungen, einen zu teuren ÖPNV und zu hohe Personalkosten. Dafür gab es Beifall. Rund 150 Bürger waren am Donnerstagabend ins Medienhaus gekommen, um mit Vertretern von SPD, CDU und Grünen über die Haushaltspolitik zu diskutieren. Empörung und Wut liegen in der Luft. Über Misswirtschaft wird geklagt, Politikern Inkompetenz vorgeworfen. Doch konkrete, umsetzbare Alternativen gab es kaum.

Die fast unfassbare Summe von 2044 Millionen Euro Schulden hat Mülheim aufgetürmt. „Jedes Kind, das in Mülheim geboren wird, hat gleich 12.000 Euro Schulden“, sagt Kämmerer Frank Mendack. Er erklärt, wo das Geld der Stadt bleibt, dass allein beim ÖPNV in den vergangenen zehn Jahren 290 Millionen Euro Defizit eingefahren worden sind, dass die Soziallasten im Ruhrgebiet weitaus gravierender ausfallen als in anderen Regionen. Er weist aber auch darauf hin, dass 500 Millionen Schulden hausgemacht sind – und dass die Stadt rund 200 Millionen Euro Schulden gemacht und damit die Schulen auf Vordermann gebracht hat. Er will sagen: Es ist nicht alles schlecht gelaufen.

SPD-Fraktionschef gesteht: Nicht alles war richtig

Dieter Spliethoff (SPD), Heinz Borchardt (CDU) und Tim Giesbert (Grüne) gehören den Fraktionen an, die den Haushalt mit der kräftigen und umstrittenen Grundsteuererhöhung beschlossen haben, um die Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen. Sie verteidigen ihre Entscheidung. Sie sehen keine Alternative dazu. „Ein Sparkommissar aus Düsseldorf, den viele gerne in Mülheim sehen würden, hätte die Steuern sogar noch viel stärker erhöht“, sagt der Kämmerer und verweist auf jene Städte, wo der Landesvertreter aufgetreten ist.

Verständnis ernten die Politiker an diesem Abend bei weiten Teilen des Publikums nicht. Dabei gesteht etwa Spliethoff für die SPD durchaus Fehler ein, als nach der Verantwortung für das Debakel gefragt wird: „Wir hätten viel früher mit dem Umsteuern anfangen müssen. Da ist in der Vergangenheit nicht alles richtig gewesen.“ Umsteuern, das heißt jetzt: Weitere Kürzungen beim ÖPNV in Höhe von sieben Millionen wie auch beim städtischen Personal von sechs Millionen. Bürger kritisieren die viel zu hohen Personalkosten im Vergleich zu anderen Kommunen.

Eine Stadt ist kein Unternehmen

Andere wollen, dass das Theater aufgegeben wird; das brächte jedes Jahr drei Millionen in die Kasse. „Eine Stadt ohne Kultur stirbt“, sind sich die drei Politiker einig. Die hohen Kosten für die Flüchtlingsunterkünfte hält so mancher an dem Abend für unglaublich, doch sie Holzhäuser waren, so Mendack, damals die günstigste Möglichkeit, den Menschen schnell ein Dach über dem Kopf zu verschaffen.

Ein Geschäftsführer steht auf und rechnet den Politikern vor: In den letzten vier Jahren hat die Stadt 200 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielt, die Zinsen sind niedrig wie nie, dennoch sei der Fehlbetrag drastisch gestiegen. Jedes Unternehmen wäre bankrott. „Sie betreiben Insolvenzverschleppung.“ Auch dagegen müssen sich Politiker und Kämmerer wehren: Eine Stadt ist kein Unternehmen. Eine Stadt kann keine defizitären Bereiche abstoßen. Im Gegenteil.

Ein Vorschlag für mehr Transparenz

Eine Dame führt bei der Runde im Medienhaus als Vorschlag ein für sie gutes Beispiel aus der Stadt Lingen an.

Dort werden Bürger einmal im Monat ins Rathaus eingeladen zum Dialog mit Verwaltung und Politik über das, was die Menschen bewegt. Das fördere Transparenz und helfe vielleicht auch den Handelnden.