Mülheim. . Jörn Gedig betreibt in der Wertstadt einen „Pop Up Shop“. 90 Tage kann er mietfrei testen, ob Textilien mit der 4330 den Nerv der Zeit treffen.

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Mülheim seine vierstellige Postleitzahl eingebüßt hat. Mit dem 1. Juli 1993 war die 4330 Geschichte. Jörn Gedig lässt sie wieder auferstehen: In seinem „Pop Up Shop“ an der Ecke Löhberg/Kohlenkamp bietet er 90 Tage lang Textilien für Mülheim-Nostalgiker und Ruhrgebiet-Fans an.

Neben den 4330-Hinguckern in mehrheitlich Grau, Schwarz und Weiß hängen „I love MH“- und „PottPeople“-Shirts und solche, deren Botschaft ein wenig Nachdenken erfordern: „Crrywrst“. Gedig glaubt fest an die Macht des Heimatgefühls. Der 47-Jährige arbeitet im Vertrieb von Werbetextilien; die Idee mit der Postleitzahl habe er von Reisen in andere Städte mitgebracht. Dort werde oft nicht nur der frühere Adresszusatz vermarktet, sondern auch eine alte Vorwahl. „Diese Identifikation mit der Heimatstadt“ soll nun auch ihm zum Geschäftserfolg verhelfen.

Seine Wurzeln hat Jörn Gedig in Speldorf

Viele Jahre seines Lebens hat Gedig in Speldorf verbracht – „dort liegen meine Wurzeln, leben Freunde und Familie“ –, seit Oktober ist er an der Kettwiger Straße in der Altstadt zu Hause. Nun hat er den Adventsmarkt vor der Haustür, und es gefällt ihm, dass die Anwohner sich daran beteiligen. Auf der Suche nach einer Idee für das eigene Engagement habe er zunächst „einen richtig guten Schnaps“ ausschenken wollen, erzählt Gedig am Freitag bei der Eröffnung seines Ladens. Die Sorge allerdings, dass viele, viele Freunde vorbeikommen könnten, um mit ihm anzustoßen, hielt ihn von dem Vorhaben ab. Schnell war ein neuer Gedanke da: Man könnte doch Shirts bedrucken und locker-flockig aus dem Küchenfenster heraus verkaufen.

Gedig entwarf fünf Motive, stellte sie bei Facebook zur Wahl. In kürzester Zeit stimmten 700 Leute ab, „die Idee mit der 4330 schoss durch die Decke“. Beim Adventsmarkt habe man drei Wochen lang am Küchentisch Shirts produziert und rasant verkauft: „Wir hatten oft 10, 20 Leute gleichzeitig in unserer Wohnung.“ Auch im Geschäft können sich Kunden nun Shirts nach Wunsch bedrucken lassen.

Nach jeweils 90 Tagen zieht ein neuer Händler ein

Die 50 eigentlich leerstehenden Quadratmeter fungieren in den kommenden Monaten als Einzelhandelslabor; nach jeweils 90 Tagen zieht ein neuer Händler ein – mietfrei, wohlgemerkt. Erdacht wurde dies von Stadt, Wirtschaftsförderung, IHK und allen voran Citymanagerin Gesa Delija. Geschäftsideen sollen erprobt werden und bei Erfolg langfristig einen Platz in der Innenstadt finden. Eine Jury hat Gedig und seine – noch nicht präsentierten – Nachfolger ausgesucht. Sollte das Projekt angenommen werden, denke man über eine Verlängerung nach, hieß es am Freitag.

Gedig freut’s. Er plädiert schon jetzt für weitere „Pop Up Shops“: „Es gibt hier genug Kreative, die erfolgreich und trotzdem noch unbekannt in der Stadt sind.“ Diese nähmen die Chance, sich den Mülheimern auf diese spezielle Art vorzustellen, ganz sicher gern wahr.

>> JOBCENTER VERMITTELTE MITARBEITER

Pop Up Shops sind Läden, die es ausdrücklich zum Ziel haben, Geschäftsideen zu testen.

Weil Jörn Gedig Unterstützung brauchte, fragte er kurzerhand beim Jobcenter nach: Und so arbeitet nun Spiele-Entwickler Kai Op de Beeck (29) mit ihm zusammen in der Wertstadt.

Auch Dominik Schreyer vom Diakoniewerk mischt mit. Er hat den Shop mit Upcycling-Möbeln und Dekowaren aus der „Sonderbar“ (Kaiserstraße) ausgestattet. Auch sie sind zu kaufen.