Mülheim. Um die Energiewende kommunal gestalten zu können, wollen Grüne städtische RWE-Aktien loswerden und das Geld investieren. Debatte in der HRW.

Kommt nun doch Bewegung in die Debatte um die Mülheimer RWE-Aktien, kommt es zum Verkauf? Zur Podiumsdiskussion, ob die Stadt ihre Anteile halten oder verkaufen sollte, am Dienstagabend in der Hochschule Ruhr-West stellte sich zumindest Kämmerer Frank Mendack nicht quer: „Ich bin dafür offen, wenn die Zahlen stimmen“.

Die Grüne Franziska Krumwiede-Steiner drängt auf den Verkauf, aus strategischen Gründen: Die Stadt könne das Geld nehmen, um die Energiewende selbst zu gestalten oder um in lukrative Projekte zu investieren.

Aktienkurs lag vor zehn Jahren noch bei gut 100 Euro

Denn von den einstigen Höhenflügen des Essener Konzerns ist aktuell wenig zu spüren, der Aktienkurs – vor zehn Jahren noch bei 100 Euro – ist ins Bodenlose gefallen auf um die 18 Euro. Der Aufruhr um Hambacher Forst und Braunkohle, die verpatzte Energiewende, der Hickhack um den frisch gegründeten und nun wieder an Eon abgestoßenen Innogy-Konzern – das beflügelt nicht die Hoffnung auf einen glücklichen Umbau des schwerfälligen Konzerns.

8,5 Millionen Aktien hält derzeit die Stadt, sie spülten 2018 zwei Millionen Euro Dividende in die Stadtkasse. In der Debatte im Hörsaal rechnet Kämmerer Mendack mögliche Zinsersparnisse dagegen, sollte die Stadt mit den möglichen Verkaufserlösen Schulden tilgen: 800.000 Euro. Unterm Strich rechnerisch ein Minus.

Ex-Kämmerer aus Bochum: Stadt fehlt eine Strategie

„Der Stadt fehlt eine Strategie“, konterte Manfred Busch, ehemaliger Kämmerer der Stadt Bochum und ebenfalls Grüner, die kühle Rechnung Mendacks. Bochum hatte sich bereits vor drei Jahren vom Großteil seiner RWE-Aktien getrennt und mit dem Erlös von 65,5 Millionen Euro seine Stadtwerke gestärkt. „Die Verlustspanne hat weh getan“, räumte Busch ein. Doch es war ein offenbar gut kalkulierter Verlust, denn über den hauseigenen Energieversorger hat Bochum Einfluss auf die Art der Stromproduktion, die Stadtwerke konnten sich gegenüber RWE auf dem lokalen Markt etablieren.

Sieben Kommunen zählt Busch auf, die sich ebenfalls von ihren Aktien verabschiedeten, sieben weitere erwögen es aktuell. „Wir haben mit dem Verkauf gestalten können. Wenn man eine Strategie für eine Investition hat, kann man auch verkaufen“, ermunterte Busch.

Grüne hoffen auf Bündnis mit SPD und CDU

Indes klammerte sich Mülheim lange an den wertschmelzenden Aktienberg ohne eine eigene Strategie. Vorstöße zum Verkauf, zum Umtausch in Aktien der RWW oder eine höhere Medl-Beteiligung gab es immer wieder durch MBI und Grüne. Doch selbst als der Wertverlust 2015 ein tiefes Loch in die Haushaltskasse riss und 2016 auch die Dividende ausfiel, hielten Stadtspitze und politische Mehrheit dem Konzern die Treue, vergaben auch die Konzession für das Stromnetz weiter an RWE. Das ging zu Lasten des lokalen Energiedienstleisters Medl, der selbst ehrgeizige Netzpläne hatte. „Es gab rechtlich keinen Ausweg“, beteuerte Kämmerer Mendack und nahm seinen Vorgänger in Schutz: Die Vergabe der Konzession sei zudem eine kaufmännische Entscheidung gewesen.

Das ließ den ehemaligen Medl-Chef Hans-Gerd Bachmann unter den Zuschauern aufhorchen: „Es muss möglich sein, kurzfristig dort einzusteigen“, drängte dieser auf eine andere Vergabe, denn heute brächten gerade die Netze vergleichsweise hohe Rendite.

Wie wahrscheinlich ist ein Verkauf der Aktien? Von der einstigen Nibelungentreue zum Konzern ist zumindest im Hörsaal wenig zu spüren. Die Grünen sehen ihre Chancen als Motor für eine städtische Energiewende. Dazu wollen die Grünen SPD und CDU ins Boot holen.

>> CHANCEN DURCH ABSPALTUNG VON INNOGY?

Die Chance auf eine lokale Vergabe des Stromnetzes könnte durch den Verkauf von Innogy an Eon neu beflügelt werden. Mülheim übertrug 2016 die Konzession von RWE auf Innogy.

Möglicherweise – so spekulierte man zur Debatte an der Hochschule – könne bei einer Auflösung von Innogy die Konzession neu vergeben werden.