Mülheim. . Antje Buck, Leiterin der städtischen Gleichstellungsstelle, will Mülheim zu einem besseren Ort für Frauen machen. Am Ziel sei man noch nicht.

Seit 1985 gibt es in Mülheim die „Gleichstellungsstelle – Frauenbüro“. Antje Buck leitet die Abteilung seit 2002. Im Gespräch mit Jana Tessaring unterstreicht sie, dass sich zwar schon viel geändert habe, der Prozess zur Gleichberechtigung aber noch nicht abgeschlossen sei. Was sind die Aufgaben der Gleichstellungsstelle der Stadt?
Antje Buck: Mit der Gleichstellungsstelle verfolgen wir einen gesetzlichen Auftrag. Wir haben das Ziel, strukturelle Verbesserungen für Frauen in der Stadt zu erwirken. Zum einen sind wir innerhalb der Verwaltungen tätig, zum anderen informieren wir die Öffentlichkeit, organisieren Veranstaltungen wie den Frauentag und den Aktionstag „Nein zu Gewalt an Frauen.“ Wir kümmern uns auch um die Durchführung von Gesetzesaufträgen, wie dem Prostituiertenschutzgesetz.

Wie wir die Verbesserungen erzielen, bleibt uns überlassen. Das hört sich nach unendlichen Freiheiten an, faktisch stellt es uns aber manchmal vor Probleme.

In allen Phasen des Auswahlverfahrens mit dabei

Sie sind auch bei Vorstellungsgesprächen innerhalb der Stadtverwaltung dabei?
Die Gleichstellungsstelle wirkt übrigens in allen Phasen des Auswahlverfahrens mit, wenn nötig, auch morgens um 8 Uhr auf dem Sportplatz. Unsere Aufgabe besteht darin, die Bewerberinnen zu motivieren.

Wie begegnen Ihnen Kollegen, wenn sie zu einem Auswahlverfahren hinzukommen?
Zu Beginn meiner Zeit als Gleichstellungsbeauftragte kamen schon öfters erwartbare Gegenargumente wie „Kann eine Frau Bauleiterin sein?“ Solche Haltungen sind mir schon begegnet. Und jetzt haben wir, 16 Jahre später, einige Bauleiterinnen. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass viele Kollegen ihre Befürchtungen von damals revidiert haben.

Was verstehen Sie unter Gleichberechtigung?
Unter Gleichberechtigung verstehen wir mehr Aufstiegsmöglichkeiten, mehr Geld, mehr Macht. Artikel 3 Grundgesetz sagt „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass die tatsächliche Gleichberechtigung verwirklicht wird.

Sind wir denn im Jahr 2018 endlich soweit, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind?
Wenn ich mir die betrieblichen Hierarchien angucke, nicht. Die Rechte sind da. Viele kennen sie aber leider nicht. Andere haben Angst, ihre Rechte geltend zu machen. Das sind die Hauptgründe, warum es sich manchmal noch nicht so richtig anfühlt, als seien Männer und Frauen gleichberechtigt.

Auch Männer suchen Hilfe in der Gleichstellungsstelle

Sie sind auch Ansprechpartner für das allgemeine Gleichstellungsgesetz.
Wir helfen wenn Frauen diskriminiert werden, beispielsweise weil sie von einem Kollegen ein Pornofilmchen aufs Handy geschickt bekommen und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Da sind wir berechtigt zu dokumentieren. Wir fragen, ob die Frau rechtliche Schritte einleiten möchte und unterstützen sie dabei. Kommen Männer zu Ihnen, die sich ungerecht behandelt fühlen?
Ja. Ein Beispiel: Ein Witwer mit Kindern hat Probleme seine Arbeitsleistung abzuliefern, weil er die Schichtzeiten nicht mit der Betreuung der Kinder vereinbaren kann. Das ist auch schon so vorkommen. Dann helfen wir gerne.

Sie engagieren sich auch für eine frauenfreundliche Stadtplanung und Infrastruktur. Wie sieht diese aus?
Es geht unter anderem um die Anzahl und Ausstattung von Toiletten, aber auch um die Einsehbarkeit von Plätzen oder deren Beleuchtung. Wir sind hier immer Kontakt mit dem Planungsamtsleiter. Ab und zu schauen wir bei größeren Projekten der Stadt auch in die Planungsunterlagen und schauen zum Beispiel ob genügend Straßenlaternen eingeplant sind. Das regeln wir Hand in Hand.


Ist sexistische Werbung im Stadtbild von Mülheim ein Problem?
In Mülheim ist sexistische Werbung kein großes Problem. Gelegentlich kommt es aber vor. Vor zwei Jahren hatten wir ein Bordell- bzw. Saunaclubwerbeplakat direkt an einer Haltestelle, an der Schüler ein- und aussteigen. Ich habe damals eine Stellungnahme an die Werbefirma geschrieben. Kurze Zeit später war das Plakat weg.

Warum Frauen seltener im Chefsessel sitzen

Wieso sitzen immer noch deutlich mehr Männer in Führungsetagen?
Es kann nicht an der formalen Qualifikation liegen. Es ist die faktische oder gemutmaßte Einbindung in familiäre Zusammenhänge. Also die Unterstellung, dass man als Frau die Anwesenheit nicht so gewährleisten könne, wie vielleicht ein männlicher Kollege.

Ist Teilzeit zu vereinbaren mit einem Führungs-Posten?
Im Gesetz steht, dass das möglich sein muss. Übrigens: Über 90 Prozent der Teilzeitkräfte, die bei der Stadt arbeiten, sind Frauen.

Trauen sich manche Frauen den Chefposten nicht zu?
Ja, manchmal ist das ein Grund. An diesem Selbstbewusstsein muss man dann arbeiten. Frauen verlangen meist zu viel von sich. Am ersten Tag in einer höheren Position meinen sie alles regeln und können zu müssen, aber man wächst da natürlich auch rein.

Was halten Sie von Ratgebern, die empfehlen, sich als Karriere-Frau möglichst männlich zu verhalten?
Grundsätzlich kann es ein Weg sein, sich als Frau zurückzunehmen. In unserem Haus ist das aber nicht so. Ich weiß, wie sehr die Frauen hier ihre eigene Weiblichkeit schätzen.

Es gibt sicherlich Arbeitsbereiche an denen es angebracht ist, sich dahingehend etwas zurückzuhalten. Die Stimme männlicher klingen zu lassen, ist aber sicherlich nicht der richtige Weg. Besser ist es authentisch zu bleiben.

Frauen müssen sich mehr anstrengen

Müssen sich Frauen mehr anstrengen als Männer um Karriere zu machen?
Ja. Erst Ende des 19.Jahrhunderts konnten Frauen Berufe erlernen oder eine öffentliche Schulbildung erhalten. Ich glaube also, dass wir da auch ein historisches Problem haben.

Die Männer haben eine Vorsprung. Wenn man als Frau eine Grundsolidarität gegenüber anderen Frauen aufrecht erhält, ist das schon mal ein großer Schritt. Frauen sollten sich vernetzen. Wo in Mülheim sitzen denn viele Frauen in Führungspositionen?
In der gesamten Stadtverwaltung auf der mittleren Führungsebene, wenn man die Dezernate weglässt, sind die Frauen in der Mehrheit. Das zeigt, alle diese Maßnahmen samt der Frauenquote helfen doch. Ohne wäre es schwer.
Wie sieht es denn in der freien Marktwirtschaft aus? Irgendwann merken die Unternehmen, dass sie was ändern müssen, weil sie keine Fachkräfte mehr bekommen.

Es werden immer mehr Betriebskindergärten gebaut. Das ist inzwischen moderne Firmenführung. Die Mitarbeiter, sowohl Männer als auch Frauen, sollen sich wohlfühlen.