Mülheim. . Drei der 16 Seniorenheime erfüllen die Einzelzimmerquote noch nicht. Umbauvorhaben verzögern sich. Stadt verzichtet aber auf Sanktionen.

Sie kam mit erheblichem Vorlauf, wurde schon 2003 als Vorgabe gesetzt, ist seit August verpflichtend: die 80-Prozent-Einzelzimmerquote für Pflegeheime. Rund anderthalb Jahrzehnte lang konnten Senioreneinrichtungen also Anlauf nehmen, um ihre Räume herzurichten. In Mülheim sind nach Auskunft der städtischen Heimaufsicht noch drei der insgesamt 16 Altenpflegeheime in Verzug: die Häuser Auf dem Bruch und Gracht sowie das St. Engelbertus-Stift.

Beim Haus Auf dem Bruch in Dümpten handelt es sich nur noch um eine Formalie: Die Einrichtung, die von den Mülheimer Seniorendiensten betrieben wird, wurde mit großem Aufwand umgebaut, eine deutlich zweistellige Millionensumme investiert. Der Umbau sei abgeschlossen, sagt Alexander Keppers, Geschäftsführer der Seniorendienste, nur noch Fassadenarbeiten gebe es zu erledigen. Saskia-Alexandra Kühle, Leiterin der Heimaufsicht, erklärt: „Fertigstellung und endgültige Abnahme sind für das erste Quartal 2019 geplant.“

Nicht alle Bewohner haben ein eigenes Bad

Letzte große Baustelle der Mülheimer Seniorendienste ist Haus Gracht, wo weitreichende Umbaumaßnahmen in zweistelliger Millionenhöhe geplant sind. Hier stehen zwar genügend Einzelzimmer zur Verfügung, 148 der 168 Plätze, nur noch zehn Doppelzimmer hat das Heim. Doch nicht alle Bewohner an der Gracht können ein eigenes Bad benutzen. Vorgesehen ist ein Teilabriss, der begonnen hat, und die Errichtung eines neuen Traktes mit 113 Zimmern.

Geschäftsführer Keppers hofft, dass die Bauarbeiten im Frühjahr 2019 beginnen können und mutmaßt, dass sie sich bis Anfang 2023 ziehen. „Wir müssen bei laufendem Betrieb bauen, und zwar so, dass das Haus wirtschaftlich betrieben werden kann und das Ganze zumutbar ist für die Bewohner.“

Entfernt von gesetzlichen Vorgaben

Größere Schwierigkeiten muss das Seniorenstift St. Engelbertus meistern, das zur katholischen Contilia-Gruppe gehört. Mit derzeit lediglich 36 Einzel- gegenüber 59 Doppelzimmern ist das Haus an der Seilerstraße von den gesetzlichen Vorgaben noch weit entfernt. Auch hier wurden umfassende Modernisierungspläne entworfen, allerdings muss man auf eine Übergangslösung zurückgreifen, die sich an der Fertigstellung des ebenfalls zur Contilia gehörenden Hildegardishauses orientiert.

Wie der zuständige Geschäftsführer Heinz-Jürgen Heiske erläutert, soll der Umbau von St. Engelbertus Anfang 2019 starten, sobald in der Kirchstraßedx der Neubau des Hildegardishauses fertig ist und dadurch im Seniorenheim Am Bahnhof Broich Ausweichkapazitäten frei werden. An der Seilerstraße erfolgt dann ein Teilabriss und Neubau. Mit Blick auf die Unterbringung der Bewohner versichert er: „Niemandem wird gekündigt.“

Kaum durchschaubare behördliche Auflagen

Heiske wie auch Alexander Keppers, Chef der städtischen Senioreneinrichtungen, kritisieren die komplexen, zum Teil kaum mehr durchschaubaren behördlichen Auflagen beim Bau von Senioreneinrichtungen, etwa in puncto Brandschutz oder Barrierefreiheit. „Wir müssen wissen, welche Investitionskosten als Pflichtauflagen refinanzierbar sind und welche nicht“, meint Heiske, „doch da ergeben sich fast wöchentlich Korrekturen. Wir legen jetzt mindestens die zehnte Planung vor.“

Auch angesichts dieser Hürden hat die Heimaufsicht in Mülheim darauf verzichtet, das Unterschreiten der Einzelzimmerquote zu sanktionieren. Sie könnte eine Wiederbelegungssperre aussprechen, wie sie in vielen NRW-Städten bereits verhängt worden ist. Doch: „Die Häuser sind planerisch auf dem Weg“, sagt Saskia-Alexandra Kühle. Im St. Engelbertus-Stift werden freie Plätze seit August nicht mehr belegt, um den Umbau bei laufendem Betrieb überhaupt bewältigen zu können. Der Geschäftsführer sagt: „Den Aufnahmestopp brauchen wir sowieso.“

Alles in allem wird sich die Zahl der stationären Altenpflegeplätze in Mülheim durch die Einzelzimmerquote aber kaum verändern.

>>>>> AUSNAHME FÜR KURZZEITPFLEGEHEIME

Seit 1. August 2018 müssen Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen zu mindestens 80 Prozent Einzelzimmer anbieten. Dies regelt das Wohn- und Teilhabegesetz (WTG). In Neubauten darf es nur noch Einzelzimmer geben. Es sind auch nur noch Einzelbädererlaubt, die man direkt vom Zimmer aus erreicht, maximal von zwei Zimmern aus (Tandem-Bad). Durch diese Maßnahmen soll die Privat- und Intimsphäreder Bewohner besser als früher geschützt werden.

Eine Ausnahme gilt für Kurzzeitpflegeplätze: Hier sind Doppelzimmer vorerst weiterhin zulässig. Falls Pflegeheime die Einzelzimmerquote zum Stichtag nicht erfülle, können sie auf Pflegewohngeld verzichten, das vom Sozialamt für viele Senioren gezahlt wird. Dies gilt für eine Übergangszeit bis 31. Juli 2023. Die betroffenen Bewohner müssen dann ersatzweise Sozialhilfe beantragen oder in ein anderes Haus ziehen.