Mülheim. Nach dem Tod eines acht Monate alten Mädchen Ende April in Mülheim nimmt Staatsanwaltschaft die Rolle des Jugendamtes Gelsenkirchen ins Visier.
Nach dem Tod eines acht Monate alten Mülheimer Mädchens, das Ende April infolge massiver Kopfverletzungen in der Essener Uniklinik verstorben ist, wird sich das Jugendamt Gelsenkirchen noch mit unangenehmen Fragen der Ermittler konfrontiert sehen. Das kündigte am Dienstag die ermittlungsleitende Staatsanwältin an.
Staatsanwältin Karin Hülsen bestätigte zwar weiter nicht die Radiomeldung vom Vortag, dass sie Anklage wegen Totschlags gegen den 22-jährigen Vater erhoben hat – womöglich aber nur, weil die Anklage noch auf dem Weg zum Landgericht ist. Hülsen ging aber erstmals auf Fragen unserer Redaktion ein, die ihr seit Anfang Mai vorlagen, doch zunächst nicht beantwortet wurden, weil ihr noch nicht die Akten der Jugendämter Mülheim und Gelsenkirchen vorlagen.
Mutter (17) und beide Kinder in amtlicher Betreuung
Erstmals sind so jetzt Details zu den Familienverhältnissen öffentlich. Die Mutter, zur Tatzeit 17, und ihre zwei Kinder waren demnach in der Betreuung des Gelsenkirchener Jugendamtes – und das seit 2017. Eine Amtsvormundschaft bestand laut Hülsen auch für die minderjährige Mutter, die unbegleitet aus Rumänien nach Deutschland eingereist sei. Wann genau und in welchem Alter, sei nicht zu sagen.
Unterschiedliche Wohnorte seien bekannt. In Gelsenkirchen habe die Heranwachsende zunächst mit dem Kindsvater zusammengelebt, später mit ihrer Schwester, als der Vater inhaftiert gewesen sei – „wegen kleinerer Geschichten, nichts mit Körperverletzung oder Ähnlichem“. Da habe das Jugendamt die Kinder „für ein paar Tage“ zu Pflegeeltern gegeben, bis Mutter und Kleinkinder im September 2017 in eine Mutter-Kind-Einrichtung eingezogen seien.
Bei unangemeldetem Besuch „nichts Auffälliges“
Dort lebte die 17-Jährige laut Hülsen bis zu jenem Zeitpunkt, als sie mit dem Vater der Kinder eine Wohnung in Mülheims Innenstadt bezog. Wann genau das war, ist momentan noch unklar, mit den Meldenpflichten hätten es die jungen Eltern „nicht so genau genommen“. Mindestens seit März 2018, so Hülsen, habe die Familie in Mülheim gewohnt. In den Akten des Gelsenkirchener Jugendamtes finde sich für April ein einziger, unangemeldeter Besuch einer Jugendamtskraft in der Mülheimer Wohnung. Es sei nichts Auffälliges festgestellt worden, überhaupt habe das Jugendamt Gelsenkirchen zu keiner Zeit eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Das Jugendamt Gelsenkirchen war laut Staatsanwaltschaft bis zur Tragödie Ende April noch voll in seiner Betreuungspflicht für Mutter und Kinder.
Eine Fall-Übergabe nach Mülheim habe nicht stattgefunden. „Das sollte irgendwann passieren“, so Hülsen. Das Gelsenkirchener Amt habe der Stadt Mülheim bis dato nur angezeigt, dass etwas auf sie zukomme...
Ermittlungen gegen das Gelsenkirchener Jugendamt
Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, ob dem Jugendamt Gelsenkirchen strafrechtlich etwas vorzuwerfen ist, etwa eine unzureichende Betreuung oder verschleppte Fall-Übergabe.
„Wir gehen davon aus, dass beim Gelsenkirchener Jugendamt alles korrekt abgelaufen ist. Die Vorgänge sind komplett dokumentiert und von der Staatsanwaltschaft eingesehen worden“, so ein Sprecher der Stadt Gelsenkirchen am Dienstag.