Mülheim. . Mit Postkarten machten Gastwirte ab 1870 vermehrt auf Lokale und Hotels aufmerksam. Ausstellung „Zu Gast in Mülheim“ zeigt 100 dieser Schätzchen.

Gut 100 historische Postkarten, die an Mülheimer Restaurants und Hotels vergangener Tage erinnern, sind ab Montag, 6. August, im Haus der Stadtgeschichte zu sehen. Sie belegen: Auch zwischen 1890 und 1930 gingen die Mülheimer schon gern aus. Lokale wie der „Reichsadler“ an der Duisburger Straße in Speldorf, von dem gleich mehrere Abbildungen existieren, residierten oft in prunkvollen Gebäuden mit beeindruckendem Außengelände.

Wow, was für schicke Immobilien, mag der Betrachter denken – doch nicht immer war Schein wirklich Sein, erklärt Stadtarchiv-Leiter Dr. Kai Rawe. Die Postkarten seien zu Werbezwecken gedruckt worden, und so passten manche Proportionen nicht, wirkten Restaurants größer als sie waren. „Die Postkarten waren Propaganda to go“, so Rawe.

Günstig in der Herstellung

Die hübschen Werbeplakate in Miniaturform waren verhältnismäßig günstig in der Herstellung und verteilten sich auf unkomplizierte Art: Der Gast in froher Ausgehstimmung griff zum Kärtchen, schrieb einige lockere Sätze neben das Motiv und schickte diese via – damals noch an jeder Ecke zu findender – Briefkästen innerhalb weniger Stunden an Freunde und Familie.

„Häufig waren die Botschaften kurz und knapp“, weiß Rawe, „sie sollten nur sagen, schaut her, ich war da.“ Die Postkarte sei gewissermaßen der Vorläufer der WhatsApp gewesen. Ab Ende der 1870er Jahre bis zum Ersten Weltkrieg war sie das Massenkommunikationsmittel und im Übrigen beliebtes Sammelobjekt. Danach wurde sie langsam, aber sicher vom Telefon abgelöst.

Konzerte mit Tanz, elektrisches Klavier, Ponyreiten

„Wigwam“, „Waldschlösschen“ und „Waidmannsheil“, „Zum Stockfisch“, „Mausefalle“ und „Café Sander“: Bekannte, aber auch längst vergessene Namen finden sich in den Schaukästen im Foyer. Vor allem die Monning war um die vorletzte Jahrhundertwende ein Ort des Vergnügens. Die Gastwirte warben auf ihren ansprechend gestalteten Grußkärtchen mit den Besonderheiten der Häuser: Konzerte mit Tanz, elektrisches Klavier, Ponyreiten, Angora-Katzen, edelste Rassekaninchen, Fernsprecher oder schlicht: angenehmer Aufenthalt.

Für Rawe sind die Fotos, Lithographien und Grafiken kleine Schätze: „Manchmal gibt es von alten Restaurants überhaupt nur diese eine Abbildung.“ Die Karten seien Zeugnisse der Stadtgeschichte. Das Stadtarchiv ist über Schenkungen eifriger, privater Sammler in ihren Besitz gelangt, im Einzelfall auch über Nachlässe. „Wir freuen uns immer sehr über so etwas.“ Die rund 100 Karten, die nun gezeigt werden, sind nur eine Auswahl aus dem deutlich größeren Archiv-Bestand.

>>> MÜLHEIMER HATTEN ERSTMALS ECHTE FREIZEIT

Für Stadtarchiv-Leiter Rawe sind die vielen Belege von Mülheimer Lokalen ab 1870 auch Beweise dafür, dass die Menschen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer öfters so etwas wie echte Freizeit hatten.

Mit der Industrialisierung habe es erstmals feste Arbeitszeiten und auch bessere wirtschaftliche Bedingungen gegeben – und somit die Möglichkeit, fröhliche Stunden in Lokalen, Kneipen und Hotels zu verbringen.