Mülheim. . Landesamt will in Kürze Gutachten zum Lindgens-Gelände vorlegen. Investoren halten Kesselhaus und Schornstein für nicht für erhaltenswert.

Der Streit zwischen Investoren und Behörden um den Denkmalschutz für Kesselhaus und Schornstein auf dem Areal der ehemaligen Lederfabrik Lindgens am Kassenberg steuert auf die Zielgerade zu. Das Landesamt für Denkmalpflege im Rheinland wird in Kürze ein Gutachten zur Denkmalwürdigkeit der Bauten vorlegen. Dem Investorenverbund SMW aus Mülheimer Wohnungsbau und Sparkasse bliebe dann nur die Möglichkeit, die Unwirtschaftlichkeit für einen Erhalt von Kesselhaus und Schornstein nachzuweisen, um beides abreißen zu können.

Die vorläufige Unterschutzstellung der zwei Bauten im Januar war bisher Höhepunkt im Zoff zwischen Investoren und städtischem Baudezernat, der bereits im Sommer 2017 öffentlich wurde und in dessen Folge OB Ulrich Scholten das Verwaltungstun unter die Federführung seines Referates zog.

Rund 200 Wohneinheiten geplant

Investor SMW will am Kassenberg bekanntlich rund 200 Wohneinheiten schaffen. Dafür sollen Kesselhaus und Schornstein fallen. Vom alten Fabrik-Ensemble sollen derweil das viergeschossige Fabrikgebäude samt Turmaufbau, direkt an der Düsseldorfer Straße gelegen, sowie das anschließende Verwaltungsgebäude erhalten bleiben.

Das Lindgensgelände in Mülheim von oben

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    Mehrfach verweigerte die Baudezernat von Peter Vermeulen eine Abrissgenehmigung für Kesselhaus und Schornstein, bei einem Ortstermin mit der Politik Mitte Januar wählte Vermeulen klare Worte: Die Investoren sollten doch mal kreativ denken, was sich mit Kesselhaus und Schornstein städtebaulich Extraordinäres verwirklichen lasse. Eine Wand im Kesselhaus dürfe auch unter Denkmalschutz für einen Anbau entfernt werden, im mindestens zehn Meter hohen Gebäude seien Zwischendecken möglich. „Im städtebaulichen Wettbewerb werden schöne Ideen dazu kommen“, so Vermeulen damals, der die Ansicht der Denkmalschützer teilt, dass der Erhalt von Kesselhaus und Schornstein schon deshalb erstrebenswert sei, weil diese Bauten wesentlicher Bestandteil für den Betrieb der Lederfabrik gewesen seien. Es gehe hier um „eine Ensemble-Wirkung“.

    Schornstein gilt als einsturzgefährdet

    Die Investoren sehen das freilich anders. Sie hatten Gutachter Markus Rost von der Firma Exponent vor dem letzten Antrag zur Abrissgenehmigung bestätigen lassen, dass der Schornstein einsturzgefährdet und eine Sanierung äußerst aufwändig und der SMW wirtschaftlich nicht zuzumuten sei.

    Das Gutachten will SMW laut Sprecher Andreas Winkler „während des laufendes Verfahrens“ nicht veröffentlichen. Er stellte aber nochmals fest: „Insbesondere der Schornstein stellt uns bereits jetzt vor große Probleme. Hintergrund ist, dass sich während der Nutzung Kondensat und Chemikalien im Inneren abgelagert haben. Nun, da der Schornstein kalt ist, zerfressen die Stoffe den Zement. Eine dauerhafte Instandsetzung halten wir nicht für machbar.“

    Den Streit um den Denkmalwert des Schornsteins mag auch Kurtludwig Lindgens, der ehemalige Fabrik-Inhaber, nicht verstehen. Er wolle sich ja „nicht in den Streit einmischen“. Doch Bilder aus dem vorletzten Jahrhundert zeigten, dass der Kamin aus der Gründerzeit nicht derjenige mit dem Schriftzug „Lindgens“ sei, um den heute gestritten werde. Kesselhaus und Kamin aus der Gründerzeit seien längst abgerissen.

    Ist Erhalt wirtschaftlich zumutbar?

    Der Leiter der Unteren Denkmalbehörde in Mülheim, Felix Blasch, erwartet das Gutachten des Landesamtes für Denkmalpflege „nicht vor Ende Mai“. Liege es vor, greife die zweite Stufe im Verfahren. Dann sind die Investoren am Zug, müssten ihr Nein zu einer entscheidenden Frage gut begründen: Ist es ihnen wirtschaftlich zuzumuten, Kesselhaus und Schornstein zu erhalten?

    Das Landesamt für Denkmalpflege fordert, dass ein städtebaulicher Wettbewerb den Erhalt von Kesselhaus und Kamin einbezieht.

    Zur Geschichte der Lederfabrik

    1861 gründete Ludwig Lindgens seine Lederfabrik am Kassenberg 55. Um 1880 siedelte er die Produktion an den heutigen Standort Kassenberg 2/2a um.

    Die Lederfabrik Lindgens nimmt in der Mülheimer Lederindustrie einen besonderen Stellenwert ein, weil es eine der ersten Betriebe war, die über einen handwerksmäßigen Zuschnitt herauswuchsen und mit eingeführter Spaltmaschinen einen wesentlichen Beitrag zur Industrialisierung der heimischen Lederindustrie leisteten.


    Der Urenkel des Gründers, Kurtludwig Lindgens, verkaufte die Fabrik, die sich mit ihm zum Lederproduzenten für die Automobilindustrie entwickelt hatte, an die US-amerikanische Firma Seton, die heute noch einen Standort im Hafen unterhält, zuletzt aber erneut einen Eigentümerwechsel erlebte.