Mülheim. . Seit Jahren ertönt die gleiche Klage über Mangel an Gewerbeflächen. Dabei gibt es Zweifel an dem Engpass – und immer wieder Angst vor Gegenwind.

Die Wirtschaftsförderung muss Unternehmen gleich reihenweise wegschicken, die Gewerbesteuereinnahmen brechen dramatisch ein, der Druck auf die Politik, neue Gewerbeflächen auszuweisen, wächst. Dabei sind die Klagen nicht neu, die Probleme alte. „Mülheim ging es mal besser, darauf hat man sich leider bis heute ausgeruht“, stellt Peter Beitz (FDP) fest und hält nicht viel von einem erneuten Masterplan. „Was wir brauchen, ist ein konkreter Arbeitsplan: Wo kann was wann angesiedelt werden.“ Doch davor gibt es auch Ängste in der Politik.

„Bisher war es doch so: Egal, wo man etwas entwickeln wollte, gab es irgendeine Froschart – und das war’s dann. Die Nein-Sager in Gesellschaft und Politik, so Beitz, dominierten in dieser Stadt. So werde auch künftig nichts aus neuen Gewerbeflächen.

Andere Möglichkeiten ausloten

Das mag auch der SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff zumindest in Ansätzen so sehen, wenn er vor der erneuten Debatte sagt: „Wir werden auch Gegenwind mal aushalten müssen, um weiterzukommen.“

Tim Giesbert, Bündnis 90/Die Grünen
Tim Giesbert, Bündnis 90/Die Grünen © Grüne

Könnte der wirtschaftliche Druck auf der Stadt jetzt zu Lasten der Umwelt gehen? Zumindest lassen das jüngste Äußerungen des Kämmerers vermuten. Die Grünen sind besorgt. „Bevor man etwa Grünflächen opfert, müssen wir gewissenhaft andere Möglichkeiten ausloten“, betont Fraktionschef Tim Giesbert. Die Grünen glauben, dass vorhandene Gewerbeflächen von Industrie und Gewerbe viel besser ausgenutzt werden könnten, und damit stehen sie nicht alleine da. „Wir vermuten aufgrund von Hinweisen, dass ein nicht unbedeutender Teil der Areale gar nicht oder nur unterwertig genutzt wird“, sagt Tim Giesbert und verlangt von der Stadt eine differenziertere Kartierung zu Gewerbeflächen. Die soll es bisher nicht geben.

Seit zehn Jahren ist nichts passiert

Mehr noch: Die CDU erwartet endlich mal, dass der Politik ehrlich aufgezeigt wird, welche konkreten und verbindlichen Gewerbeflächen-Anfragen von Unternehmen in der letzten Zeit aufgrund des festgestellten Gewerbeflächenmangels abschlägig beschieden werden mussten. Butter bei die Fische also, was sich klar an die Wirtschaftsförderung richtet. Die Politik wehrt sich gegen den versteckten Vorwurf, dass sie die derzeitige Notlage durch eigene Untätigkeit herbeigeführt habe.

Christina Kaldenhoff, CDU.
Christina Kaldenhoff, CDU. © Nicole Trucksess

Dabei kommt die Vermutung nicht von ungefähr. Seit zehn Jahren wird über mögliche Ansiedlungen am Flughafen geredet, genauso lange über das Mannesmann-Gelände. Passiert ist nichts. „Es hilft wenig, über Gewerbeflächenpotenziale in unserer Stadt zu spekulieren, bevor nicht konkrete und fundierte Empfehlungen der Wirtschaftsförderung und des Planungsdezernats vorgelegt werden“, erklären Christina Kaldenhoff und Henner Tilgner von der CDU.

Zumindest einen Plan B für Ruhrorter Straße machen

Zerredet, auf die lange Bank geschoben, Chancen vertan – für die Fraktion Bürgerlicher Aufbruch Mülheim (BAMH) tragen in der Stadt viele Schuld an der aktuellen Misere. Ratsherr Martin Fritz empört sich auch, dass neue Vorschläge leichtfertig sofort abgelehnt werden. So der Vorschlag der BAMH, zumindest mal einen Plan B für das Gelände an der Ruhrorter Straße zu machen, falls der Galopp-Sport dort eines Tages keine Zukunft mehr hat. Fritz gehört auch zu denen, die sich vom Oberbürgermeister eine stärkere Rolle in Sachen Gewerbeflächen wünschten.

„Das Mannesmann-Gelände hätte ich längst zur Chefsache gemacht“, meint Lothar Reinhard (MBI), die CDU sieht es ebenso. Auch Gespräche mit Tengelmann über mögliche Flächen vermisst der Fraktionschef. Reinhard gehört zu den größten Kritikern der bisherigen Debatten um neue Gewerbeflächen, die im Sande verliefen. „Es ist konzeptlos.“ Reinhard ist ebenfalls davon überzeugt, dass es noch reichlich vorhandene freie Potenziale gibt. Er verweist etwa auf den Hafen mit Schienen- und Wasseranschluss. Er glaubt aber auch, dass Unternehmen sich wegen der aktuellen Zinslage von Flächen nicht trennen wollen.

Einig ist die Politik sich zumindest in drei Dingen: Es muss diesmal „unterm Strich etwas rauskommen“, und wenn nicht, bleibe „die jährliche Flächenklage ein Ritual“ mit „wachsendem Schaden“ für den Wirtschaftsstandort.

>> Neue Liste mit elf möglichen Flächen

- Der Politik ist von Kämmerei und Wirtschaftsförderung eine Liste von möglichen Gewerbeflächen vorgelegt worden. Darunter sind das Mannesmann-Gelände, die Brunshofstraße, die Solinger Straße, ein Gelände an der Lilienthalstraße, das Jost-Gelände an der Weseler-Straße.

- Am 17. April möchte der Kämmerer eine Antwort darauf.