Mülheim. Die Fraktion Bürgerlicher Aufbruch Mülheim (BAMH) misstraut bisherigen Verfahren und setzt auf Geräte aus Eigenbau. Werte online abrufbar.
Dicke Luft in Mülheim? Zu viele Feinstäube, zu hohe Stickoxid-Werte? Die Fraktion Bürgerlicher Aufbruch Mülheim (BAMH) will in den Fragen mehr Transparenz, misstraut den wenigen Messwerten, die die Umweltbehörden vor Ort preisgeben, und startet ihr neues Projekt „Bürger messen selbst“.
Der umweltpolitische Sprecher, Dr. Martin Fritz, kündigt an, in den nächsten vier Wochen fünf Messstellen im Stadtgebiet einzurichten. „Es können mehr werden, wenn die Bürger mitmachen.“
Bauanleitung der Stuttgarter Initiative
Und das soll echte Werte produzieren? Fritz ist promovierter Informatiker und Verfahrenstechniker. Doch um die nötigen Messgeräte zu bauen, brauche er die Ausbildung nicht einmal. „Wer eine Tastatur am Computer bedienen kann, kann die Messstation bauen.“ Es gibt natürlich eine Anleitung, und die kommt von der Initiative „OK Lab“ aus Stuttgart. Unter www.luftdaten.info findet sich alles Nötige. Im Schwabenland gibt es bereits reichlich Bürger und Initiativen, die selber messen. „In Mülheim wird in Styrum und an der Aktienstraße lediglich Stickoxid in einem Laborverfahren gemessen. Das reicht für eine realistische Einschätzung der Luftqualität in Mülheim nicht aus“, sagt die Fraktion.
Nach der Bauanleitung der Stuttgarter Initiative hat die BAMH fünf Sensoren für Feinstäube bestellt, dazu einen Laser, der die Partikel zählt, plus ein WLAN-Modul, über das die erfassten Daten an die Luftdatenbank geschickt werden. Unterm Strich kosten die Teile, die im Internet bestellt wurden, 35 Euro. „In zwei Wochen hatte ich alles zusammen und habe es an einem Sonntagnachmittag zusammengebaut“, berichtet Fritz. Seitdem misst er in seinem Büro die Feinstäube, die er dann zu jeder Zeit aktuell am Computer ablesen kann.
Messgerät für Tankstelle an der Aktienstraße
In den nächsten Tagen wird die Fraktion an der Kraft-Tankstelle an der Aktienstraße ein Messgerät installieren. Ein zweites soll ebenfalls an der stark befahrenen Aktienstraße aufgestellt werden. Vielleicht auch eines an der Kölner Straße in Selbeck. „Zwei Geräte spenden wir an Bürger, die auf ihrem Grundstück – das kann eine Terrasse oder auch Balkon sein – Werte ermitteln wollen“, kündigt Jochen Hartmann, Fraktionschef des Bürgerlichen Aufbruchs, an. Wer sich zuerst meldet, ist dabei.
Gemessen werden Feinstäube, die in kleiner Partikelform als gefährlich eingestuft werden. In einem weiteren Schritt sollen die Messstationen um Module erweitert werden, die Stickoxide erfassen. „Wir wissen nicht, was rauskommt. Uns geht es um Klarheit, um Transparenz, bevor eines Tages ein Diesel-Fahrverbot für bestimmte Strecken verhängt werden sollte“, sagt Hartmann.
Fraktion kritisiert Laborverfahren
In jedem Fall misstraut die Fraktion den Grenzwerten, die derzeit für ein Diesel-Fahrverbot herangezogen werden.
Die von der Landesumweltbehörde erfassten Werte an der Aktienstraße, die die Grenzwerte hin und wieder überschreiten, hält Fritz für wenig aussagekräftig. Wie an der Kölner Straße würden dort in einem Röhrchen vier Wochen lang Stickoxide eingefangen und dann gemessen. „Das sagt wenig über Belastungen an einzelnen Tagen, erst recht zu bestimmten Tageszeiten aus“, kritisiert Fritz das Laborverfahren. Noch ist Mülheim auf der Karte der Sensoren ein weißer Fleck. Anderswo in Deutschland wird bereits reichlich gemessen, finden zahlreiche Veranstaltungen dazu statt. Jeder Bürger, das ist mit das Ziel, soll sich künftig online über die aktuellen Messwerte informieren können.
Verkehr habe seine Werte deutlich gesenkt
Die derzeit vielfach verurteilten Diesel-Fahrzeuge hält der Ratsherr und Verfahrenstechniker im Übrigen keineswegs für die größten Stickoxid-Produzenten: Von der Gesamtbelastung durch Stickoxide mache der Verkehr nur 35 Prozent aus, darin enthalten seien aber auch Flugzeuge, Schiffe, alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
Und im Gegensatz zu vielen anderen Produzenten habe der Verkehr seine Werte im Vergleich zum Jahr 1990 deutlich gesenkt. „Hier ist viel Ideologie im Spiel“, meint Hartmann und würde sich freuen, wenn möglichst viele Bürger sich an dem Projekt beteiligen würden.
Fritz wäre bereit, bei Interesse eine Sammelbestellung durchzuführen und im Rahmen eines kleinen Workshops mit den Bürgern gemeinsam die Messstationen zu bauen.
>>> GESCHÄFTSSTELLE HÄLT MATERIALIEN BEREIT
Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, kann sich direkt an die Geschäftsstelle des Bürgerlichen Aufbruch Mülheim wenden: Löhberg 68. Erreichbar ist die BAMH-Geschäftsstelle unter 30 25 24 80. Die Kosten für die Materialien – rund 35 Euro – trägt jeder selbst.
Der BAMH stellt sechs Ratsmitglieder. Neben den Grünen ist es die drittstärkste Fraktion im Stadtrat.