Mülheim. . Der Verkehrsbetrieb lehnt es ab, Schwarzfahren nicht mehr als Straftat gelten zu lassen. Das wäre das falsche Signal, sagt auch der Aufsichtsrat.

Erst sorgte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) mit seinem Vorschlag für Aufsehen, Schwarzfahren nicht mehr als Straftat sondern konsequent als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Vor einigen Wochen plädierte der Deutsche Richterbund, wegen der Überlastung einzelner Kammern, ebenfalls für eine Überprüfung, ob Schwarzfahren weiter als Straftatbestand gelten soll. Jetzt wehren sich die Verkehrsbetriebe gegen eine Bagatellisierung und Entkriminalisierung – erst die Düsseldorfer Rheinbahn, nun auch die in Mülheim und Essen fahrende Ruhrbahn.

Manche sehen nicht ein, dass sie zahlen sollen

„Die Busse fahren doch sowieso jeden Tag hier lang. Warum soll ich da noch bezahlen?“, fragte kürzlich eine Frau. Kontrolleure hatten sie ohne Fahrschein im 124er in Speldorf erwischt. Ein Monatskarteninhaber war darüber empört: „Das ist einfach unverschämt. Ich bezahle auch für meine Ticket – aber nicht noch für andere.“

Für die Ruhrbahn-Verantwortlichen sind Schwarzfahrer schlicht Straftäter. „Die Erschleichung einer Dienstleistung ist für uns gleichzusetzen mit Diebstahl“, betont auf Nachfrage dieser Zeitung Nils Hoffmann. Er leitet bei der Ruhrbahn die Abteilung „Markt und Kommunikation“. Er ist auch für die Fahrgeldeinnahmen zuständig. Schwarzfahrer verhageln immer wieder seine Bilanz. Rund 2,8 Prozent der Fahrgäste in Mülheim haben kein gültiges Ticket. So gehen dem Verkehrsbetrieb jährlich mehr als fünf Millionen Euro an Einnahmen verloren.

15.000 Schwarzfahrer wurden 2017 in Mülheim erwischt

Etwa 15.000 Schwarzfahrer wurden letztes Jahr in Mülheim erwischt. Sie müssen dann 60 Euro („Erhöhtes Beförderungsentgelt“) zahlen und kommen noch mit einem blauen Auge davon. Aber: Wer die 60 Euro nicht zahlt oder erneut beim Schwarzfahren ertappt wird, bekommt eine Strafanzeige. Das sind immerhin rund 2100 Personen in 2017, Tendenz steigend. Dann droht sogar Gefängnis.

Sollte Schwarzfahren aber nicht mehr als Straftat sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, „dann wäre das ein Erfolg für diejenigen, die schon immer geglaubt haben, dass Schwarzfahren nur ein Kavaliersdelikt sei“, beklagt Nils Hoffmann.

Dafür bekommt er Rückendeckung vom Ruhrbahn-Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Weber (SPD): „Wir hätten doch gar keine Handhabe mehr, Schwarzfahrer festzuhalten“, betont er. „Die zeigen uns dann den langen Finger.“ Kontrolleure der Ruhrbahn hätten nur bei frisch ertappten Straftätern ein Festnahmerecht. Bei Ordnungswidrigkeiten könne dies nicht angewendet werden.

Entkriminalisierung der falsche Weg

Weber glaubt, dass eine Entkriminalisierung der falsche Weg wäre. „Schwarzfahrer müssen merken, dass sie etwas Unrechtes gemacht haben. Und sie müssen die Konsequenzen spüren.“ Das heißt für ihn aber nicht, dass sie zu Freiheitsstrafen verurteilt werden sollten. „Fürs Schwarzfahren muss man nicht ins Gefängnis“, findet Weber. Aber Sozialstunden zu leisten, würde er in dem ein oder anderen Fall für angemessen halten.

Viele wünschen sich stärkere soziale Kontrolle

Anders sehen das beispielsweise Sozialhilfe-Empfänger. „Kaufe ich mir eine Fahrkarte, fehlt mir das Geld für Nahrungsmittel“, sagt eine allein erziehende Mutter von zwei Kindern. Sie möchte ihren Namen nicht sagen, sonst zeigten andere auf sie. „Aber manchmal muss ich auch in die Stadt fahren, um Anziehsachen zu kaufen.“

Sie steigt mit anderen an den hinteren Türen des Busses ein. Einige gehen sogar am Fahrer vorbei und verweigern die elektronische Ticketkontrolle. Eine stärkere soziale Kontrolle in Bahn und Bus wünschen sich viele Fahrgäste. Schaffner, die jeden fragen: „Haben Sie schon ein Ticket?“ Die Ruhrbahn möchte sie aber nicht bezahlen.

<<< BIS ZU EINEM JAHR GEFÄNGNIS

Schwarzfahren in Bahn und Bus gilt als Beförderungserschleichung und steht laut Paragraf 265 a (Erschleichen von Leistungen) des Strafgesetzbuches unter Strafe:

  • (1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

  • (2) Der Versuch ist strafbar.