Mülheim. . Vertreter der Kirche und die Arbeitsagentur besuchten ein Unternehmen, das sich in der Ausbildung engagiert. Ausbildungsmesse am 5. Oktober.
Der für Mülheim und Oberhausen zuständige Agentur-Chef Jürgen Koch sieht die Entwicklung auf dem örtlichen Arbeitsmarkt mit Sorge. „Während wir 193 mehr Bewerber als im Vorjahr haben, ist die Zahl der gemeldeten Lehrstellen um 56 zurückgegangen“, schildert er die Entwicklung.
Ende August waren noch 200 Ausbildungssuchende ohne Ausbildungsplatz. Gleichzeitig waren noch 200 Ausbildungsplätze unbesetzt. Laut Koch werden vor allem Auszubildende gesucht, die Verkäufer, Bäcker, Industriemechaniker oder Zerspanungsmechaniker werden wollen. Vor diesem Hintergrund nutzten Koch, der emeritierte Weihbischof Franz Grave, Stadtdechant Michael Janßen und Hermann-Josef Schepers von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) einen Besuch bei der Möbel-Spedition Westhoff, um an Arbeitgeber und Ausbildungsplatzsuchende zu appellieren, „in ihren Bemühungen noch eine Schippe draufzulegen“.
Für den seit Jahrzehnten sozialpolitisch engagierten Grave steht fest: „Beim Thema Ausbildung geht es nicht nur ums Geldverdienen, sondern darum, ob junge Menschen einen Platz im Leben und eine Zukunftsperspektive bekommen. Das gilt insbesondere auch für die jungen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind.“
Ausbildung als Grundrecht
„Meine Arbeit macht mir Spaß und ich bin froh, dass ich nicht auf der Straße hocke, sondern zusammen mit meinen Kollegen sinnvolle Arbeiten leisten kann und dafür von unseren Kunden auch Anerkennung bekomme“, sagt der 22-jährige Kai Landgraf. Nach seinem Hauptschulabschluss kam der angehende Facharbeiter für Möbel- und Küchenumzüge über ein Praktikum und eine Mitarbeit als Aushilfe zu seinem Ausbildungsplatz bei der Möbel-Spedition Westhoff, die ihren Azubis gute Zukunftsperspektiven bieten kann.
„Wer bei uns seine Ausbildung erfolgreich abschließt, wird auch in eine Festanstellung übernommen. Denn wir suchen händeringend Fachkräfte“, sagt Westhoff-Geschäftsführer Egon Buse. Und sein Sohn Julian, der ihn als Prokurist unterstützt, ergänzt: „Die Zeugnisnoten sind für uns nicht so entscheidend wie die Persönlichkeit des Bewerbers, von dem wir den Eindruck gewinnen müssen, dass er auch menschlich in unser Team passt.“
Für Stadtdechant Janßen ist Ausbildung ein Grundrecht
Für Stadtdechant Michael Janßen sind Ausbildung und Arbeit „ein Grundrecht“. Deshalb hat er sich in seiner Funktion als Mitglied des Kuratoriums der Vereinigten August-Thyssen-Stiftung auch dafür stark gemacht, dass das Franziskushaus, das Raphaelhaus und das St. Marien-Hospital zusätzliche Ausbildungsplätze für angehende Altenpfleger, Erzieher und Krankenpfleger bereitstellen. Und KAB-Mann Schepers weist auf die Aktivitäten seines Verbandes hin, der mit Einrichtungen wie der Kurbel, dem Styrumer Treff und den Neuen Kontakten Menschen mit gebrochenen Biografien zurück ins Arbeitsleben holt.
Stadt glänzt mit geringer Jugendarbeitslosigkeit
Die Stadt sieht sich in ihrer Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auf einem Erfolgskurs: Nicht nur habe man mit 2,4 Prozent den landesweit niedrigsten Stand bei der Arbeitlosenquote der unter 25-Jährigen im SGBII-Bereich, wie Sozialamtsleiter Klaus Konietzka berichtet, die Ausbildungsmesse „Berufsstart“ feiert zudem ihr zehnjähriges erfolgreiches Bestehen. Am Donnerstag, 5. Oktober, werben in der Stadthalle wieder 61 Unternehmen um Azubis.
„Mehr Firmen bekommen wir auf der Fläche nicht unter“, sagt Oberbürgermeister Ulrich Scholten nicht ohne Stolz, denn die Zahl der Interessenten an der Messe ist größer. Angefangen hat sie vor zehn Jahren mit 22.
1400 Schüler und Auszubildende erwartet
Gut 1400 Schüler und Auszubildende erwarten die Veranstalter – darunter die Stadt, Sozialagentur, Agentur für Arbeit – an diesem Tag. Mit 17 sogenannten Messe-Guides hat man sich auf den Ansturm vorbereitet. Sie sollen in Gruppen über die Messe führen.
„Betriebe bringen zusätzlich ihre Azubis mit, die alltagsnah über ihr Unternehmen berichten“, sagt Heike Gnilka, Bereichsleiterin Casemanagement der Sozialagentur. Ergänzend zu der Messe informieren Workshops über Einstellungstests und Vorstellungsgespräche. Eine Ausbildungsplatzbörse bietet die Chance, sich sofort bei einem Unternehmen zu bewerben.
Aufzeigen von Chancen für Menschen ohne Abschluss
Eine Menge Möglichkeiten für Jugendliche also. OB Scholten, der als Personaler bei Mannesmann gearbeitet hat, hält sie für den Schlüsselstein zum Mülheimer Erfolgsmodell: „Früher waren die Berufswege eindeutiger, viele junge Leute haben heute noch keine feste Vorstellung, aber drei bis vier Berufe im Kopf.“
Wichtiger jedoch ist den Veranstaltern das Aufzeigen von Chancen für diejenigen, die keinen Ausbildungs- oder sogar Schulabschluss haben: „Wir haben einen Wegweiser entwickelt, der die Wege verständlich aufzeigt. Das U25-Haus hilft sozialräumlich ganz nah Jugendlichen bei der Berufswahl“, sieht Anke Schürmann-Rupp, Leiterin Sozialagentur Mülheim, darin einen Schlüssel auch für die niedrige Arbeitslosenquote in diesem Bereich. „Wir glauben, dass jeder Talent hat, auch wer mal keinen geraden Weg geht, darf nicht verloren gehen.“
Die Ausbildungsmesse „Berufsstart“ findet am 5. Oktober von 9 bis 14 Uhr in der Stadthalle statt. Infos auf der Seite der Stadt Mülheim.
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