Mülheim. . Über die Fusion von MVG und Evag sprach die Redaktion mit Wolfgang Michels. Der MVG-Aufsichtsratsvorsitzende setzt auf schlanke Strukturen.

  • Der Aufsichtsratschef der MVG fordert: Diese Fusion muss endlich den guten Fahrbetrieb für Kunden bringen
  • Essen und Mülheim sollen vom Millionen schweren Defizitausgleich entlastet werden
  • Michels ist überzeugt: Sind Übergangszeiten lang genug, die Anschlüsse garantiert, steigen die Kunden auch um

Für eine Nahverkehrsfusion im westlichen Ruhrgebiet nehmen MVG (Mülheimer Verkehrs-Gesellschaft) und Evag (Essener Verkehrs AG) bereits den dritten Anlauf. Nach zwei gescheiterten Versuchen wäre der dritte Fehlstart ein grandioses Debakel. Wie läuft der Fusionsprozess zwischen dem kleinen und großen Partner? Was und wer bremst beim erneuten, gemeinsamen Aufgleisen? Mit dem MVG-Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Michels sprach die Redaktion über die Zukunft des Nahverkehrs.

WAZ: Brauchen wir die Fusion von MVG und Evag zur neuen Ruhrbahn?

Wolfgang Michels: Unbedingt. Diese Fusion muss endlich die Konzentration auf das Kerngeschäft, den guten Fahrbetrieb für Kunden, bringen.

Was verbinden Sie damit?

Den Verwaltungsapparat verkleinern und den Einsatz von Personal und Fahrzeugen dem Bedarf der Kunden anpassen. Wo keiner einsteigt, brauchen wir nicht mit leeren Bussen unterwegs zu sein. Die Strecke von Speldorf in der Hafen (Linie 134) ist dafür ein Beispiel.

Effizienter werden und damit Steuergeld einsparen

Erwarten Sie davon Einsparungen?

Ohne die geht es nicht. Das haben wir beschlossen. In verschiedenen Bereichen könnten MVG und Evag noch effizienter werden und damit Steuergeld einsparen. Wir müssen beide Städte vom Millionen schweren Defizitausgleich entlasten.

Soll die neue Ruhrbahn kostendeckend Fahrgäste befördern?

Das könnte ein Fernziel sein. Der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) wird aber wohl nicht komplett kostendeckend zu haben sein. Die aktuellen Verluste (jährlich 35 Millionen Euro in Mülheim) sind jedoch entschieden zu hoch.

Wo gibt es Sparmöglichkeiten?

Die Fusion soll Doppelbesetzungen vermeiden. Eine Abteilung mit einem Leiter und einem Vertreter sowie einem, höchstens zwei Standorten reicht. Die Strukturen müssen schlanker werden.

Ein Weg, den Herr Hausmann nicht gehen wollte

Die Evag sendet immer noch andere Signale. Wird Wolfgang Hausmann bei der MVG Personalleiter?

Herr Feller ist bei der MVG für Personal zuständig. Für Herrn Hausmann, der bei der Evag beschäftigt ist, hat der MVG-Aufsichtsrat keinen Beschluss gefasst. Wir reden darüber in der nächsten Sitzung. In Mülheim braucht kein zweiter Arbeitsdirektor einzugreifen.

Das ist doch schon passiert. Es gab kürzlich ein Gerichtsverfahren.

Man muss da klar zwischen Vergehen und Schutz der Personaldaten unterscheiden. Die Richterin hat den Weg gewiesen, den Herr Hausmann nicht gehen wollte.

Was läuft gut auf dem Fusionsweg?

Die MVG hilft mit ihren Wagen in Essen aus. Ich erwarte viel mehr dieser guten Austauschqualitäten – in beide Richtungen. Dafür müssen sich auch Mitarbeiter stark machen.

Gibt es auch Fusionsblockierer?

Oft sind das Menschen, die nur ihre Sessel sichern wollen, aber nicht die gesicherte Zukunft des neuen Nahverkehrsbetriebes im Auge haben. Solch ein Verhalten schadet letztlich allen und der besseren Sache. Das stand bereits deutlich im Deloitte-Gutachten.

Regierungspräsidentin war da sehr zögerlich

Warum hat sich daran kaum jemand gehalten?

Fragen Sie die beteiligten Personen. Jeder klammert sich an seinen Arbeitsplatz.

Die Düsseldorfer Aufsichtsbehörde hat das Deloitte-Gutachten als richtigen Fusionsweg bewertet. Hat die Kommunalaufsicht zu wenig unterstützt oder Druck gemacht?

Die Regierungspräsidentin Anne Lütkes war da sehr zögerlich. Wir haben deutlichere Hinweise von ihr erwartet. Sagt die eine Abteilung, baut mehr Straßenbahnen, fahrt weniger Busse und ermahnt die andere Abteilung die Stadt gleichzeitig zum Sparen – dann werden Spielräume zum Handeln eng.

Am 14. Juli soll der Fusionsvertrag besiegelt werden. Haben alle ihre Hausaufgaben gut erledigt.

Es gibt eine Regelung für zwei verschiedene Pensionskassen, die in der Ruhrbahn nebeneinander für MVG und Evag fortbestehen. Die Evag hat wohl auch ihre in den USA verleasten Straßenbahnen vertraglich gerettet.

Gab es Nachteile für die MVG?

Wir sind der kleinere Partner (25 Prozent) in der neuen Gesellschaft und können nicht alles bestimmen. Die neue Ruhrbahn sollte aus beiden Betrieben jedoch die jeweils besseren Lösungen übernehmen und auf Augenhöhe mit allen Beteiligten arbeiten.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die MVG hatte eine neue Radsatzdrehmaschine. Die ist jetzt in der Essener Werkstatt eingebaut. In der Nachbarstadt fahren mehr Straßenbahnen als im Mülheim. So können wir die Reparaturwege verkürzen. Von solchen Synergien, wie auch der Austausch von Bahnen, brauchen wir mehr in kurzer Zeit. Das darf keine Einbahnstraße bleiben.

Vor allem müssen E-Wagen im Fahrplan stehen

Bekommen die Städte einen gemeinsamen Nahverkehrsplan? Im östlichen Ruhrgebiet klappt das.

Das geht nicht so einfach, weil die Städte bisher das in den politischen Gremien beschlossene Angebot bei den Verkehrsbetrieben MVG und Evag bestellt haben. Demnächst übernimmt die Ruhrbahn diese Dienstleistungen.

Aber Fahrgäste der Linie 102 sind sauer, weil morgens die Bahnen überfüllt sind. Was passiert nun?

Da müssen wir nachbessern. Das lässt sich für den geltenden Nahverkehrsplan ändern. Zusatzbusse sind keine Lösung auf der 102. Die können nicht an Mittelinseln halten. Vor allem müssen E-Wagen im Fahrplan stehen, damit sich die Fahrgäste darauf verlassen können.

Auf Anschlüsse beim Umsteigen können sich Fahrgäste nach Mintard aber kaum verlassen.

Das muss wirklich besser werden. Sind Übergangszeiten lang genug, die Anschlüsse garantiert, steigen die Kunden auch um. Nur so können wir ein fahrgastgerechtes Angebot schaffen.

Damit wäre auch eine Forderung der Aufsichtsbehörde erfüllt?

Es ist schwer, gewohnte Direktverbindungen zu unterbrechen. Aber Parallelfahrten kosten mehr Geld als das Bündeln mehrerer Zubringer auf einen Strang.

Ziehen bei der Fusion wirklich alle an einem Strang?

Das erwarte ich. Dabei sollten jedoch alle fair miteinander umgehen und den gleichen Informationsstand haben.